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Die pinke Linie – die neue Menschenrechtsgrenze

Einladung (deutsch)
Buchrezension (deutsch)
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Webtalk mit Autor Mark Gevisser

Auf Einladung der Hirschfeld-Eddy-Stiftung stellt der südafrikanische Autor Mark Gevisser in einem Welbtalk sein kürzlich auch auf Deutsch erschienenes Buch „Die pinke Linie. Weltweite Kämpfe um sexuelle Selbstbestimmung und Geschlechtsidentität“ vor. Klaus Jetz moderierte das Gespräch mit dem Journalisten aus Kapstadt.

Mark Gevisser, Die pinke Linie © Fiona McPhersonSuhrkamp Verlag

Darin berichtet er vom globalen Kampf für LSBTI-Rechte und begleitet Aktivist*innen in verschiedenen Teilen der Welt teilweise über Jahre hinweg. Er identifiziert politische Bruchlinien entlang von LSBTI-Rechten, die eine “neue globale Menschenrechtsgrenze” darstellen und die er “pinke Linien” nennt. Während es in einigen Teilen der Welt außergewöhnlichen Fortschritt gibt, kommt es in anderen zu einem Backlash in Bezug auf LSBTI-Rechte. Universelle Menschenrechte werden traditionellen Werten und kultureller Souveränität entgegengestellt. Dazwischen sind die pinken Linien, eine Art “Menschenrechtsgrenze, die die Körper von queeren, schwulen, lesbischen und trans Menschen zur Waffe gemacht hat”.

Ich verfolge ihren Kampf“

Mark Gevisser

Für die Umsetzung dieses Projekts, das Gevisser in mehr als zwanzig Länder führte, erhielt er von  der Open Society Foundation ein Stipendium. Er schreibt über russische Regenbogenfamilien, die aufgrund des sogenannten Anti-Propagandagesetzes um die Wegnahme ihrer Kinder fürchten oder denen dies bereits passiert ist, über lesbische Paare in Mexiko, die um den Eintrag ihres Kindes in die Geburtsurkunde kämpfen, sowie über ägyptische queere Menschen, die nach dem Arabischen Frühling den öffentlichen Raum wieder für sich zurückgewinnen möchten. Er schreibe über Menschen, die an einer pinken Linie leben. „Ich verfolge ihren Kampf, und wie ihr Kampf sich auf ihre Familie auswirkt.“

Zwei Hochzeiten mit Folgen

Klaus Jetz - Mark Gevisser

Den Rahmen für die vielen Geschichten bildet Tiwonge Chimbalanga aus Malawi. Tiwonge wurde 2010 nach der angeblich „ersten Schwulenehe“, einer von den Behörden als illegal angesehenen Hochzeitsfeier, gemeinsam mit Steven Monjeza verhaftet und nach einem erniedrigenden Prozess zu 14 Jahren Haft und Zwangsarbeit verurteilt. Wegen der internationalen Proteste wurden sie ein paar Monate später freigelassen. Dieser Fall gab Gevisser den Anstoß für sein Buch, denn zeitgleich hatte er seinen Partner geheiratet um als Ehepartner eines UN-Angestellten in den Genuss damit verbundener Privilegien zu gelangen. Während ihm dies ermöglichte fortan in Paris zu leben, führte derselbe Akt für ein Paar in einem Nachbarland Südafrikas zur Katastrophe. Dazwischen liegt das, was er in der Folge als pinke Linie bezeichnete. Chimbalanga lebt mittlerweile als trans Frau in einem Township bei Kapstadt in Südafrika, und Gevisser hat sich mit ihr angefreundet.

Keine Lösung: Stopp von Entwicklungsfinanzierung

Thema des Webtalks sind auch die internationalen Reaktionen auf diesen Fall. Einige Regierungen, wie auch Deutschland, reagierten mit einem Stopp der Finanzhilfen  für Malawi. Das führte dazu, dass „schwule und lesbische Menschen in Malawi beschuldigt wurden, wirtschaftliche Not zu bringen, so dass sie weiter schikaniert wurden“, wie Gevisser betont und empfiehlt: „Bevor Sie sich in einem Land einmischen, fragen Sie die Menschen vor Ort.“ Ansonsten könne man mehr Schaden als Nutzen anrichten, weil die Lügen der gegnerischen Seite bestätigt werden, dass Homosexualität eine „Zumutung“ des Westens sei.

Trotz dieser vielen teilweise schwierigen Lebensgeschichten bleibt Gevisser optimistisch. „Mein Grund für den Optimismus kommt von verschiedenen Fällen, von der Art und Weise, wie Sichtbarkeit funktioniert, indem — wenn auch anfangs kleine — Inseln der Fürsorge und Liebe und Toleranz und des Respekts geschaffen werden, wenn man sich outet. Auch wenn es mit großen Kosten verbunden sein kann, wird es Menschen geben, die dich schon vor deinem Coming-out gekannt haben und dich weiterhin lieben werden.“

Abschließend berichtet der Autor, dass er im Oktober einen Besuch in Deutschland plant. Bei seinem nächsten Projekt soll es um Magnus Hirschfeld gehen.

Caroline Ausserer
Journalistin, Moderatorin und Diversity-Trainerin

Zum Autor:
Mark Gevisser, 1964 in Johannesburg geboren, gilt als einer der wichtigsten Autoren Südafrikas. Er publiziert in den Leitmedien seiner Heimat zu politischen und kulturellen Themen der Regenbogennation. Mit einem Stipendium der Open Society Foundation bereiste er über zwanzig Länder und schrieb Artikel über LSBTI und deren Kämpfe in aller Welt. „The Pink Line“ erschien letztes Jahr in den USA.

Links:

Eine Veranstaltung der Hirschfeld-Eddy-Stiftung im Rahmen des Projekts “LSBTI-Menschenrechtsverteidiger*innen” Tag MRV-2021

BMJV


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