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10 Jahre Lebenspartnerschaft — Bis hierhin und anders weiter

"Traut Euch" - Foto: LSVD-Archiv

Das Lebenspartnerschaftsgesetz wird zehn Jahre alt. Am 1. August 2001 zogen die ersten Paare zum Standesamt. Die Rechtlosigkeit unserer Lebensgemeinschaften war zu Ende. Die Reform hat die Sichtbarkeit und Akzeptanz in der Gesellschaft spürbar erhöht. Seit schwule und lesbische Paare im Gesetz stehen, können gleichgeschlechtliche Lebensweisen nicht mehr so leicht ignoriert werden. Das reicht von den Bäckerei-Katalogen für Hochzeitstorten-Motive bis hin zur Thematisierung in Schulbüchern.

Wegen Blockaden im Bundesrat konnte 2001 nur ein Rumpf-Gesetzeswerk in Kraft treten. 2011 ist das Lebenspartnerschaftsrecht längst viel besser als sein Ruf. Durch permanenten politischen Druck in Bund und Ländern sowie Erfolge vor Gericht haben wir Stein für Stein an das ursprüngliche Gesetzesfundament angebaut. In den Bundesländern gefällt sich nach dem Regierungswechsel in Baden-Württemberg nur noch das schwarz-gelb geführte Sachsen in der Rolle des halsstarrigen gallischen Dorfes, das der Gleichstellung im Landesrecht hartnäckigen Widerstand leistet. Auch auf Bundesebene ist die rechtliche Gleichstellung in den meisten Feldern erreicht oder doch zumindest auf den Weg der Gesetzgebung gebracht. Es fehlen im Wesentlichen noch die Gleichstellung im Einkommensteuerrecht und das gemeinschaftliche Adoptionsrecht.

Es ist wohl kein Zufall, dass gerade diese beiden Baustellen noch übrig geblieben sind. Denn sowohl das Ehegattensplitting für Mann und Frau wie auch ein ausschließlich Vati-Mutti-Kind akzeptierendes Familienbild sind heilige Kühe der Konservativen, die sie für unantastbar erklären. Hier stehen uns noch grundsätzliche gesellschaftliche Debatten ins Haus, hier müssen wir weiter intensiv Überzeugungsarbeit leisten.

Gerade im Interesse der vielen Paare, die z.B. gegen Diskriminierung im Einkommensteuerrecht klagen, steht der LSVD in der Verantwortung, den bislang erfolgreichen Klageweg zur Vollendung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft seriös weiterzugehen. Aber der 10. Jahrestag ist ein guter Anlass, parallel dazu politisch weiterzudenken. Denn die Eingetragene Partnerschaft ist letztlich doch ein Übergangskonstrukt aus dem letzten Jahrhundert. Das 21. Jahrhundert sollte der Öffnung der Ehe den Weg bahnen. Die Niederlande hatten hier schon 2001 den Anfang gemacht, jüngstes Mitglied im Club ist Argentinien, das 2010 die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare öffnete. Für uns in Deutschland besonders interessant: Pionierstaaten der Eingetragenen Partnerschaft wie Schweden und Norwegen haben etwa fünfzehn Jahre nach Einführung dieser Rechtsinstitute beschlossen, keinen Unterschied mehr zu machen, sondern haben 2009 ebenfalls die Ehe geöffnet. Und sie haben Recht. Denn nur so wird zum Ausdruck gebracht, dass für lesbische Bürgerinnen und schwule Bürger real wie symbolisch kein minderes Recht gelten darf.

Der LSVD wird daher ab diesem Sommer die Forderung nach Öffnung der Ehe immer stärker in den Vordergrund rücken. Meinungsumfragen der letzten Jahre zeigen Zustimmungsraten bis zu 60% in Deutschland. Die Zahlen legen nahe: Auch unter Wertkonservativen muss es eine Menge Befürworterinnen und Befürworter der Gleichberechtigung geben. Dennoch wird es nochmals eine große Debatte in der Gesellschaft werden. Strukturkonservative und Klerikale werden erneut versuchen, einen Kulturkampf zur Rettung des Abendlandes auszurufen. Wie schon bei ihrem Kreuzzug gegen das Lebenspartnerschaftsgesetz werden sie wieder den im Grundgesetz verankerten besonderen Schutz der Ehe gegen unser Grundrecht auf Gleichstellung ins Feld führen.

In Kanada, Südafrika und einzelnen Bundesstaaten der USA haben die dortigen obersten Gerichte aus ihrem Grundrechtsverständnis heraus die Öffnung der Ehe als Verfassungsgebot angeordnet – aus Gründen der Gleichheit vor dem Gesetz und aus Respekt vor dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Dass unser Bundesverfassungsgericht diesem Beispiel folgen könnte, ist eher nicht zu erwarten. Die spannende Frage ist, ob es dem Gesetzgeber in den Arm fallen würde, wenn dieser einfachgesetzlich die Ehe öffnet. Das kann man sich nach den bisherigen Entscheidungen zum Lebenspartnerschaftsgesetz als auch zum Transsexuellenrecht kaum vorstellen. Hinsichtlich transsexueller Menschen hat das Verfassungsgericht bereits selbst den Grundsatz auf Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehe durchbrochen, um schwerwiegende Diskriminierungen zu vermeiden.

In Deutschland liegt der Ball also zuallererst im Spielfeld der Politik. Wir als LSVD haben dabei die Aufgabe, aus der gesellschaftlichen Zustimmung eine politische Mehrheit im Bundestag zu erarbeiten. Aber wir haben ja eine gewisse Übung darin, Torchancen auch zu verwandeln.

Günter Dworek, LSVD-Bundesvorstand



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