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Um eine Kultur der Wertschätzung und Akzeptanz, der Freude an Vielfalt auf den Weg zu bringen, ist die völlige rechtliche Gleichbehandlung aber notwendig.”

Cornelia Rundt (Sozialministerin Niedersachsen), Sylvia Löhrmann (stellvertretende Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen), Jörg Steinert (LSVD Berlin-Brandenburg) und Malu Dreyer (Ministerpräsidentin Rheinland-Pfalz) (c) LSVDDokumentation der Rede der Niedersächsischen Sozialministerin Cornelia Rundt in der 934. Sitzung des Bundesrates am 12. Juni 2015 zu TOP 47 b) “Ehe für alle – Entschließung für eine vollständige Gleichbehandlung von gleichgeschlechtlichen Paaren“

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Frau Ministerpräsidentin Dreyer hat dankenswerterweise in ihrer Rede zum Gesetzentwurf zur rechtlichen Gleichstellung von homo- und heterosexuellen Partnerschaften des Landes Rheinland-Pfalz einen kurzen Abriss gegeben. Der Bundesrat hatte bereits im März 2013 beschlossen, den „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts“ beim Deutschen Bundestag einzubringen. Niedersachsen war seinerzeit Mitantragsteller.

Mit unserer aktuellen Entschließung fordern wir nun die Bundesregierung auf, die weiterhin bestehende Benachteiligung gleichgeschlechtlicher Paare zu beenden und eine vollständige Gleichbehandlung der Ehe von gleich- und verschiedengeschlechtlichen Paaren im gesamten Bundesrecht herzustellen. Dies umfasst die Öffnung der Ehe durch Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches und damit auch die Schaffung eines vollen gemeinschaftlichen Adoptionsrechts für gleichgeschlechtliche Paare.

Die Niedersächsische Landesregierung hat dazu am 02.06.2015 eine entsprechende Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht, der erfreulicherweise die Länder Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen beigetreten sind.

Gleichgeschlechtlichen Paaren ist bis heute die Ehe verwehrt, was eine konkrete rechtliche und auch symbolische Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität darstellt. Angesichts des gesellschaftlichen Wandels und der damit verbundenen Änderung des Eheverständnisses gibt es keine haltbaren Gründe, gleichgeschlechtliche und nichtgleichgeschlechtliche Paare unterschiedlich zu behandeln und am Ehehindernis der Gleichgeschlechtlichkeit festzuhalten.

Als wir an gleicher Stelle zum selben Thema vor zwei Jahren zusammenkamen, gingen wir noch davon aus, dass auch in Deutschland für lesbische und schwule Paare die Öffnung der Ehe bevorsteht. Leider ist es dazu nicht gekommen. Vielmehr hat ausschließlich das Bundesverfassungsgericht die Berliner Politik bei diesem Thema salamischeibchenweise bestimmt – sei es bei Entscheidungen zu Gunsten von Lebenspartnerschaften, bei der rechtlichen Gleichstellung zum Ehegattensplitting, dem Familienzuschlag für verpartnerte Beamtinnen und Beamte oder dem Grunderwerbssteuerrecht.

Viel getan hat sich in diesen zwei Jahren auf der europäischen Ebene, sei es in Frankreich (2013), Luxemburg (2014), England und Schottland (2014), bekanntermaßen jetzt Irland (2015) oder 2017 in Finnland. Alle diese Länder haben in der Zwischenzeit die Öffnung der Ehe für alle beschlossen. Das heißt, inzwischen haben insgesamt 14 europäische Staaten die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet. Wir alle sollten die Charta der Grundrechte der EU ernst nehmen, insbesondere die darin formulierte „Würde des Menschen“ und dem Gleichheitsgrundsatz Taten folgen lassen.

Wir brauchen endlich die volle rechtliche Gleichstellung. Denn eines muss uns klar sein – solange der Staat selbst diskriminiert also rechtlich unterscheidet, leistet er damit sowohl direkt als auch indirekt weiterhin einen Beitrag zur gesellschaftlichen Diskriminierung von LSBTTI. Die Bundesregierung muss sich dessen bewusst sein, damit wir uns endlich der Arbeit widmen können um die es hier auch geht. Denn die vollständige rechtliche Gleichstellung ist erst der Einstieg.

Diskriminierungsverbote und Rechtsangleichungen reichen allein nicht aus, um Abwertung, tief verwurzelten Vorurteilen und irrationalen Ängsten zu begegnen. Von Ausgrenzung betroffen sind im Übrigen nicht nur Lesben und Schwulen, sondern auch Bisexuelle sowie inter- und transgeschlechtliche Menschen, die ich an dieser Stelle gern benennen will. Die rechtliche Gleichstellung ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung, um tatsächliche Gleichstellung zu erreichen.

Um eine Kultur der Wertschätzung und Akzeptanz, der Freude an Vielfalt auf den Weg zu bringen, ist die völlige rechtliche Gleichbehandlung aber notwendig.

Von Starregisseur Til Schweiger bis Maren Kroymann, von Katrin Müller-Hohenstein bis Ex-Nationalspieler Thomas Hitzelsberger: Die Liste der Prominenten, die von Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel eine Öffnung der Ehe fordern, ist lang. “Mehr als 150 Persönlichkeiten aus Politik, Sport, Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft hätten die Internet-Petition «Es ist Zeit!» unterschrieben, um eine Abstimmung im Bundestag ohne Fraktionszwang zu erreichen“, schrieb «Spiegel Online» am 1. Juni. Niedersachsen hat dies bereits im Jahr 2013 im Landtag umgesetzt.

Damals wurde die Abstimmung auch in der CDU-Fraktion freigegeben. Ich wünsche mir, dass gleiches nun auch im Bundestag passiert. Die Niedersächsische Landesregierung unterstützt wie schon vor zwei Jahren vorbehaltlos die vollständige Gleichstellung von Lesben und Schwulen und geht mit ihrer Bundesratsinitiative sowohl rechtlich als auch gesellschaftspolitisch in die Offensive, um eine Öffnung der Ehe in Deutschland endlich auf den Weg zu bringen.

Das sind wir den LSBTTI Bürgerinnen und Bürgern nicht nur in Niedersachsen schuldig.

(Es gilt das gesprochene Wort)

Pressemeldung des LSVD zum Bundesratsbeschluss

Fotos von der LSVD-Kundgebung



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