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Vom Regen in die Traufe?

LSBT-Flüchtlinge in Deutschland

Veranstaltung_LGBTI_Fluechtlinge-(2)Vor Verfolgung, vor Gefahr für Leib und Leben fliehen auch Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender (LSBT) nach Deutschland. Im Prinzip ist die Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität laut der EU-Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU ein anerkannter Asylgrund. Auch aufgrund einer generellen, auf Abschottung setzenden und bisweilen zynischen Flüchtlingspolitik sind die Hürden jedoch sehr hoch, um nach Deutschland zu gelangen, um hier asylberechtigt zu sein und um hier Asyl zu erhalten. Denn Asyl kann man nur in Deutschland selbst beantragen. Deutschland hat sich aber mit einem Ring „sicherer Drittstaaten“ umgeben. Wer über Land einreist, wird in die Nachbarländer zurückgeschoben, über die eingereist wurde. Und ein Flugzeug kann man in der Regel nur mit einem Visum benutzen.

In Deutschland müssen Asylbewerbende, die wegen Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität geflohen sind, glaubhaft machen, dass sie LSBT sind. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sind detaillierte Befragungen zu sexuellen Praktiken, psychologische Gutachten und medizinische Tests sowie das Einbeziehen von intimen Fotos unzulässig. Wenn es ein Flüchtling nicht schafft, sich gleich bei der ersten Anhörung zu outen, darf das nicht mehr dazu führen, dass der angegebene Fluchtgrund als „übersteigertes Vorbringen“ abgetan wird. Doch ein subjektives Moment bleibt. Es ist nie auszuschließen, dass sich die Befragenden des Bundesamts für Migration (BAMF) letztlich an den eigenen Stereotypen orientieren, wie LSBT aussehen oder sich verhalten. Hier ist noch viel Aufklärung notwendig.

Zum anderen müssen die Antragstellenden glaubhaft vortragen, dass sie in ihrem Herkunftsstaat wegen ihrer LSBT-Identität Verfolgung erlebt haben bzw. dass ihnen Verfolgung droht. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe für gleichgeschlechtliche Sexualität ist nach der Rechtsprechung des EuGH eine Verfolgungshandlung, wenn sie tatsächlich droht. Der EuGH hat auch der bisherigen Praxis einen Riegel vorgeschoben, das Asylgesuch mit der Begründung abzulehnen, die Asylbewerbenden brauchen keine Verfolgung zu befürchten, wenn sie ihre Sexualität nur privat im Verborgenen praktizieren. Aber wenn die Asylbewerbenden sich nicht ausdrücklich auf Angst vor Verfolgung berufen, sondern nur erklären, sie hätten ihre Sexualität nicht praktiziert, um die Familie nicht zu kompromittieren, werden sie mit der Begründung abgelehnt, das könne ihnen weiterhin zugemutet werden. Es ist deshalb sehr wichtig, dass die Asylbewerbenden von Anfang an kompetent beraten werden.

Aber wo finden sie kompetente Rechtsberatung? In ihrer Sprache? Was gibt jemand Preis, der gelernt hat, über die eigene Identität zu schweigen, um zu überleben? Woher wissen sie, ob sie gegenüber den dolmetschenden Landsleuten oder dem BAMF offen sein können? Hier muss in der Behördenpraxis noch viel verändert werden.

Der LSVD setzt sich für faire Asylverfahren ein, die kultursensibel geführt werden. Dafür braucht es ein neues Leitbild, das offensiv mit der alt hergebrachten Haltung bricht, LSBT-Flüchtlinge möglichst abzuwehren und ihre Verfolgung herunterzuspielen. Erinnert sei nur daran, dass Deutschland in den 1990er-Jahren mit Ghana und Senegal auch zwei Länder zu „sicheren Herkunftsstaaten“ erklärt hatte, in denen in der Regel keine Verfolgung drohe, obwohl in beiden Staaten Homosexualität strafrechtlich verboten ist. Diese Einstufung ist bis heute nicht korrigiert.

LSBT-Flüchtlinge müssen Thema und Zielgruppe in den Aktionsplänen gegen Homo- und Transphobie werden, sowohl auf nationaler als auch auf Landesebene. Wir machen uns stark für die menschenwürdige Aufnahme, Unterbringung und Unterstützung von Flüchtlingen. Unsere Gesellschaft und ihre Behörden müssen alle Anstrengungen unternehmen, damit Menschen, die sich hierher geflüchtet haben, in Deutschland keinerlei rassistischen, homo- und/oder transphoben Anfeinden ausgesetzt sind.

Markus Ulrich, LSVD-Pressesprecher



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