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Auf Augenhöhe?

Yogyakarta-Allianz: ein postkolonial orientiertes Bündnis

Yogyakarta Allianz 2015article in english

Ich will Euch nicht persönlich angreifen, aber Eure Länder sind in unsere Länder gekommen und haben sich mit Gewalt genommen, was ihnen nicht gehörte. Und sie haben Gesetze gegen Homosexualität hinterlassen.“ Mit diesem Satz brachte die kenianische Anwältin Imani Kimiri die Asymmetrie im Verhältnis zwischen den Ländern des Nordens und des Südens bei einem Treffen mit der Yogyakarta-Allianz auf den Punkt.

Der theoretische Hintergrund zu dieser Position heißt postkoloniale Kritik. Diese Theorie sieht im Kolonialismus eine wesentliche Ursache für die globalen Machtverhältnisse und auch für die Verfolgung von Homosexuellen in
vielen afrikanischen Staaten. Es geht ihr darum, nicht mehr in den Kategorien zu denken, die für den Kolonialismus typisch waren. Sie ist der Denkrichtung der Dekonstruktion verpflichtet und fundamental machtkritisch. Und sie ist ein Aufruf zur Selbstkritik, zur Reflexion von Privilegien und Machtverhältnissen. Ihr Fokus liegt auf der Repräsentation, betrifft also Fragen der Darstellung, des Umgangs und der Idee vom Anderen.

Immer mehr beschäftigt dieser in Universitäten entwickelte, kritische Ansatz auch Aktivist_innen. Was bedeutet er für die politische Praxis? Die postkoloniale Theorie gibt kaum Empfehlungen. Im Gegenteil hält postkolonial informierte Kritik bspw. die Entwicklungszusammenarbeit der deutschen Regierung für grundsätzlich fragwürdig.

Postkoloniale Herausforderung für die Praxis
Als Fundamentalkritik verstanden vermittelt postkoloniale Kritik gerade auf Menschen, die an Gerechtigkeit orientiert sind, den Eindruck, dass in diesem globalen Kontext ohnehin nur falsch und daher lieber gar nicht gehandelt werden sollte. Besonders unter denjenigen, die sich für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans* und Inter* imglobalen Süden einsetzen, zeigt sich eine große Vorsicht und Verhaltenheit.

Wer sich z.B. für LSBTIQ in Kenia engagieren will, hat das Bedürfnis, mit den Partner_innen auf Augenhöhe zu sprechen — gleichzeitig ist das laut  postkolonialer Analyse, nicht möglich.

Was tun? Dieser Frage widmet sich die Yogyakarta-Allianz. Die Yogyakarta-Allianz ist ein postkolonial orientiertes Bündnis. Sie hat sich 2012 als Initiative der Zivilgesellschaft in Berlin gegründet. Benannt ist die Allianz nach den Yogyakarta-Prinzipien zur Anwendung der Menschenrechte in Bezug auf die sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität (SOGI) von 2006.

Einzigartige Ausrichtung der Yogyakarta-Allianz

Die Yogyakarta-Allianz ist in ihrer Ausrichtung einzigartig. Ihr Arbeitsprinzip lautet „Do no harm – but do something.“ Wir diskutieren aktuelle Themen aus dem internationalen Diskurs immer mit dem Fokus auf Menschenrechte für LSBTIQ. Im transnationalen Austausch mit Aktivist_innen sensibilisieren wir deutsche Politik für die Belange von LSBTIQ aus dem Globalen Süden und Osten. Auch Intersektionalität ist uns wichtig. Deshalb bemühen wir uns, People of Colour und migrantische Gruppen in unsere Arbeit einzubeziehen und setzen uns mit Rassismus im Nord-Süd-Dialog auseinander.

Das Auswärtige Amt und das Bundesministe-rium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung bitten uns um Stellungnahmen. Wir sind in Kontakt mit Durchführungsorganisationen wie der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, werden für Workshops angefragt und vernetzen uns international auf Konferenzen.

Eine engagierte Kerngruppe der Yogyakarta-Allianz trifft sich regelmäßig in Berlin. Interessierte aus der Entwicklungszusammenarbeit, aus migrantischen Organisationen oder kirchlichen Hilfsorganisationen sind herzlich willkommen.

Sarah Kohrt
Leitung LGBTI-Plattform Menschenrechte



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