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Hirschfeld-Eddy-Stiftung

Brutale Hassverbrechen

Hassverbrechen als alltägliche Gefahr - Aktivist*innen berichtenPanel auf der Menschenrechts-konferenz im Kosovo

In der gesamten Region Westlicher Balkan und Türkei gibt es große Probleme mit homo- und transphoben Gewalt- und Hassverbrechen. In Mazedonien gibt es seit 2010 ein Antidiskriminierungsgesetz, das allerdings die sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität nicht einschließt. Zudem hat sich die Lage seit dem Machtantritt der rechtspopulistischen Regierung vor zehn Jahren verschlimmert, sagt Natali Petrovska von der Subversiven Front. Aufrufe zu Hassverbrechen werden strafrechtlich nicht verfolgt, obwohl das Land EU-Beitrittskandidat und Mitglied im Europarat ist. Subversive Front poche deshalb auf Aufklärung von Polizei und Strafverfolgungsbehörden. Ansonsten hege man Hoffnungen auf einen Regierungswechsel nach den Parlamentswahlen im kommenden Dezember. 

In Kroatien führt die Organisation Zagreb Pride bereits Trainings für Staatsanwält*innen und Polizei durch. Man registriere die Verbrechen und publiziere entsprechende Berichte und Studien. Hassverbrechen geschehen vor allem bei Gay Pride Veranstaltungen, sagt Marko Jurcic von Zagreb Pride. Die Organisation veranstalte nicht nur den gleichnamigen Event, sondern biete Opfern auch Rechtsberatung, man führe strategische Prozesse vor nationalen und europäischen Gerichten und organisiere Medienkampagnen gemeinsam mit den Polizeibehörden. Bislang habe man rund 620 Polizist*innen und auch viele Aktivist*innen geschult. Auch Dragislava Barzut von Da Se Zna in Serbien berichtet, dass ihre Organisation mit den Polizeibehörden zusammenarbeitet, es gebe aber (noch) keinen politischen Willen, die Täter*innen zu bestrafen oder das Problem an der Wurzel anzupacken.

Türkei: Hass aufgrund von engen Geschlechternormen

Am erschreckendsten ist die Situation in der Türkei. Janset Kalan von Pink Life in Ankara berichtet von unzähligen Hassverbrechen und Mordfällen an Trans*-Personen in Istanbul, Trabzon, Izmir oder Ankara. Die Täter erhielten meist nur geringe Haftstrafen oder gingen straffrei aus. Dabei könne noch nicht von einer Verschlimmerung der Lage nach dem gescheiterten Putschversuch gesprochen werden. Aber die Angst herrsche nunmehr vor, dass die Behörden, zu denen man keinen Kontakt mehr habe, ihre Arbeit unterbinden könnten. Religion oder religiös motivierte Homophobie sei nicht das Problem. Vielmehr arbeite man mit aufgeschlossenen Religionsvertreter*innen etwa der alevitischen Gemeinde zusammen. Ein Grund für die Gewalt sei vielmehr, dass die meist jungen männlichen Täter „deinen Körper nicht mögen und sich von deinem geschlechtlichen Ausdruck provoziert fühlen“. Das Problem seien traditionelle, sehr enge Geschlechterrollen und ablehnende Einstellungen zu allem, was sich nicht mit den traditionellen Normen vereinbaren lässt. Deshalb sei es wichtig, genau dort anzusetzen und in Schulungen auch über Geschlechterrollen aufzuklären und traditionelle Normen aufzubrechen.

Pink Life Ankara hat im laufenden Jahr in 440 Fällen Rechtsberatung geleistet, fünf strategische Prozesse angestrengt, 105 Workshops durchgeführt, ein Filmfestival organisiert und unzählige Male psychosoziale Opferberatung angeboten. Zur Arbeit gehöre auch eine Webseite, auf der junge Trans*Personen Berichte schreiben, die man an Mainstream-Medien weiterreiche. Die Türkei habe weder ein Gesetz gegen Hasskriminalität, Minderheiten genießen keinen Schutz vor Diskriminierung, jetzt regiere der Ausnahmezustand. Internationale Organisationen und Botschaften unterstützen LGBTI-Organisationen. Doch sei dies nicht hilfreich, weil die Regierung dadurch noch mehr provoziert werde, sie sei nicht bereit, auf ausländischen Druck oder Rat zu hören.

Klaus Jetz
Hirschfeld-Eddy-Stiftung

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