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Entwicklungshilfe streichen?

Zum Problem der Konditionalität

Ende Oktober musste sich die britische Regierung harsche Kritik zahlreicher afrikanischer Menschenrechtsorganisationen anhören. Premierminister Cameron hatte zuvor gedroht, afrikanischen Staaten, die die Menschenrechte von LGBTI verletzen, die Hilfsgelder zu streichen.

In einer gemeinsamen Stellungnahme erklärten über 50 Menschenrechtsorganisationen und zahlreiche LGBTI-Aktivisten, solche Sanktionen führten dazu, dass LGBTI-Rechte aus der allgemeinen Menschenrechtsfrage herausgelöst würden. Sie führten zu der Annahme, es handele sich um Sonderrechte, die anderen Rechten übergeordnet seien. Die Drohung nähre die verbreitete Vorstellung, Homosexualität sei „unafrikanisch“, ein vom Westen gefördertes „Konzept“. Die Entscheidung müsse überprüft, die Zusammenarbeit endlich auch auf LGBTI-Menschenrechtsarbeit ausgeweitet werden.

Kurz darauf folgte eine Erklärung von acht LGBTI-Organisationen aus Ghana zur „Homosexualitätsdrohung des britischen Premierministers an Ghana“. Darin heißt es, das Einfrieren von Hilfsgeldern komme nicht LGBTI in Ghana zu gute, sondern führe zu deren Stigmatisierung. Die anhaltenden Diskussionen zum Thema in den Medien mache LGBTI zur Zielscheibe homophober Attacken. Die britische Regierung solle diplomatische Kanäle nutzen, um Druck auszuüben und zugleich LGBTI-Projekte in Ghana unterstützen. Mitte November relativierte die britische Regierung ihre Drohung: Afrika-Minister Bellingham erklärte in Lusaka auf Nachfrage sambischer Medien, seine Regierung binde Hilfsgelder für Afrika nicht an lesben- und schwulenfreundliche Gesetze. Vielmehr gehe es um universelle Rechte, man wolle dafür Sorge tragen, dass kein afrikanischer Staat irgendeine Minderheit verfolge.

 

Uganda und Malawi

Im Frühjahr 2011 hatten die Regierungen mehrerer Geberländer gegen eine drohende Verschärfung des homophoben Strafrechts in Uganda protestiert und erfolgreich mit der Kürzung von Hilfsgeldern gedroht. Die ugandische Zivilgesellschaft warnte damals davor, eine Gruppe besonders hervorzuheben und so zur Zielscheibe staatlicher Repression werden zu lassen. Bereits im Dezember 2010 hatte Deutschland die Budgethilfe an das Partnerland Malawi um die Hälfte gekürzt. 2011 wurde die Budgethilfe komplett eingefroren. Hintergrund war die Verletzung der Pressefreiheit und ein Gesetz, das die Strafbarkeit von Homosexualität auf Frauen ausweitete. 10 Millionen Euro aus Deutschland standen damit nicht für die Armutsbekämpfung, die Entwicklung des Wassersektors oder erneuerbarer Energien zur Verfügung. Kritik daran gab es hierzulande nicht. Dem deutschen Beispiel folgten auch andere Geberländer.

 

Sündenböcke

Malawische LGBTI-Aktivisten vertreten die Auffassung, die Regierung habe keine Antworten auf die unhaltbaren wirtschaftlichen und politischen Zustände im Land und nutze das LGBTI-Thema, um die Menschen in die Irre zu führen, um von ihrer schlechten Regierungsführung, der grassierenden Korruption und der Verschlechterung der Menschenrechtslage im Land abzulenken. Die Regierung „behauptete, die Geldgeber würden Malawi mit der Zurückhaltung von Hilfsgeldern zur Legalisierung gleichgeschlechtlicher Ehen zwingen. Die Regierung nutzt dabei die Tatsache, dass 90 Prozent der Malawier Christen sind und sich LGBTI-Themen gegenüber verschließen.“

Die malawische Regierung verwahrte sich gegen externen Druck auf die nationale Gesetzgebung und machte zugleich Lesben und Schwule des Landes zu Sündenböcken, gab ihnen die Schuld am Einfrieren der Hilfe. Ein malawischer Minister erklärte im April 2011: „Das Land leidet wegen der Haltung einiger Führer der Zivilgesellschaft. Die Leute sind nicht patriotisch. Einige Geber haben ihre Hilfe zurückgezogen und alle leiden darunter.“

 

Angemessenheit der Mittel

Hört man auf die, um die es geht, kommt man zu dem Schluss, dass es Mittel und Wege der Einflussnahme gibt, die angemessener und effizienter sind als das Einfrieren von dringend benötigten Hilfsgeldern. Streicht ein Geberland die Mittel für Armutsbekämpfung und begründet das mit homophoben Gesetzesinitiativen, wird dies in einem bitterarmen Land kaum zu mehr Akzeptanz für LGBTI führen. Im Gegenteil: Es besteht die Gefahr, dass man sie einer übersteigerten Homophobie ausliefert. Weitaus zielführender sind Maßnahmen, die LGBTI-Menschenrechtsverteidiger unterstützen, durch Kompetenztransfer, Vernetzung und mit Geldern für die dringend notwendige Aufklärungs- und Akzeptanzarbeit.

Konditionalität in der Entwicklungszusammenarbeit ist nicht per se abzulehnen. Menschenrechtliche Bedingungen sollten aber von vornherein für die Empfänger in einem Kriterienkatalog oder Menschenrechtskonzept transparent formuliert und nicht urplötzlich aus dem Hut gezaubert werden. Zudem darf nie eine Minderheit besonders exponiert werden. Und zumindest sollte immer Rücksprache mit den Betroffenen gehalten werden. Beides hat die britische Regierung offensichtlich versäumt.

Klaus Jetz, LSVD-Geschäftsführer



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