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Rechtspopulist*innen in deutschen Parlamenten

VeranstalRechtspopulisten in deutschen Parlamenten © VHS Kölntungsbericht zur Podiumsdiskussion am 17. Mai 2018 im FORUM Volkshochschule im Museum am Neumarkt (Köln)

Rechtspopulist*innen sind im Stadtrat Köln, im Landtag NRW und mittlerweile auch im Bundestag vertreten. Wie hat sich seitdem die parlamentarische Arbeit verändert? Mit Blick auf LSBTI*-Fragen erörterten wir, wie es um die rechtliche und gesellschaftliche Situation steht. Welche Bündnisse wurden geschlossen und welche müssen noch erarbeitet werden? Und welche Lehren können bis heute gezogen werden?

Zunächst ging es um die Frage, was sich für die LSBTI*-Community geändert hat, seit eine rechtspopulistische Partei in den Parlamenten vertreten ist. Jürgen Rausch berichtete vom Vernetzungstreffen im Dortmunder Rathaus im Januar 2018. Im Dortmunder Stadtrat wird die LSBTI*-Community von der AfD offen angegriffen und die Abschaffung der städtischen LSBTI*-Stelle gefordert. Auch häufen sich im LSVD Anfragen von Menschen, die einen Rollback befürchten. Es werde deutlich, dass Bürgerrechte nicht selbstverständlich seien, sondern täglich neu verteidigt werden müssen.

Josefine Paul, Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen im Landtag NRW stellte eine Gleichzeitigkeit von Errungenschaften wie der Ehe für alle oder der Rehabilitierung der nach § 175 Verurteilten einerseits und der Häufung von gegen LSBTI* gerichteten AfD-Anfragen in den Parlamenten andererseits fest. Die AfD nutze jede Gelegenheit, ihre abstrusen bevölkerungspolitischen Ziele zu propagieren und rede in Debatten am Thema vorbei.

Dr. Stefan Sandbrink, Geschäftsführer des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) NRW, verwies auf rassistisch motivierte Anfragen der AfD-Bundestagsfraktion zu Migration, Behinderung und Inzest oder zur Frage, ob der Islam zu NRW gehöre. Solches Gedankengut widerspreche allen Werten, die im ASB seit 130 Jahren gelebt werden. Es gehe darum, die Vielfalt in der Gesellschaft zu bewahren, deshalb habe der ASB NRW das Bundesnetzwerk Vielfalt im Verband ins Leben gerufen.

Christian Werthschulte von der Stadtrevue erlebt die drei AfD-Abgeordneten im Kölner Stadtrat als tollpatschige und nicht bedrohliche Truppe, deren Wirken bislang keinerlei Resonanz hatte, was auch daran liege, dass die anderen Fraktionen beschlossen haben, AfD-Anträgen nicht zuzustimmen.

Die zweite Frage, die die Moderation Carolina Brauckmann ihren Gästen stellte, drehte sich um den Umgang der Medien mit dem Rechtspopulismus. Sie stellte fest, dass eine gewisse Gewöhnung an das Phänomen eingetreten sei. Man biete AfD-Vertreter*innen unkritisch eine Bühne, oftmals ohne ihnen Gegenstimmen gegenüberzustellen. Dr. Sandbrink forderte, dass gerade die Medien sich kritisch und fundiert mit dem Thema auseinandersetzen müssten. Es sei nicht hinnehmbar, dass ihre Positionen durch die unkritische Nutzung von Statements hoffähig gemacht würden. Christian Werthschulte verwies auf die Arbeit loRechtspopulisten in deutschen Parlamenten © LSVD Bundesverbandkaler NGOs oder Geschichtswerkstätten, deren Expertise zum Thema Rechtspopulismus vor Ort von den Medien genutzt werden sollte. Sie eigne sich für Reportagen und Features, weniger für Talkshows. Die AfD selbst nutze die Medien nicht für Sachfragen, sondern zur Selbstdarstellung.

Über rechtspopulistische Positionen innerhalb der eigenen Community ging es in der dritten Runde. Es gelte, die emotionale und die Sachebene auseinanderzuhalten, betonte Jürgen Rausch. Leider verfange der Hinweis auf die „bösen Anderen, die uns etwas wegnehmen wollen“ manchmal auch in der eigenen Community. Sie sei gefordert, aufzuklären und menschenfeindlichen Einstellungen entgegenzuwirken. Josefine Paul erwartet von LSBTI* auch, dass sie sich informieren, mit relevanten Themen auseinandersetzen und nachdenken.

Christian Werthschulte betonte, dem rechtspopulistischen Politiker*innen gehe es nicht um Aufklärung, sondern um Torpedierung von Themen, die er ablehne, etwa Vielfalt der Familienformen. Bestimmte Kampfbegriffe wie „Genderideologie“ würden mittlerweile von manchen Akteuren unkritisch übernommen. Dr. Sandbrink hob die Bedeutung von Vielfalt im ASB hervor. Diese müsse auch gelebt werden. Es sei gut, dass der LSVD seine Expertise dem ASB zur Verfügung stelle und dass der ASB die LSBTI*-Community unterstütze. Es sei unerlässlich, solche strategischen Allianzen einzugehen. Christian Werthschulte und Josefine Paul wiesen auf die lange Tradition solcher zivilgesellschaftlicher Bündnisse in Köln und Münster hin. Sie seien tragfähig, weil alle sie ernst nehmen.

Jürgen Rausch erläuterte, wie durch das Projekt „Miteinander stärken“ solche Bündnisse durch die Vernetzungstreffen und regionalen Konferenzen in den Städten und Regionen gebildet und gepflegt werden. Ein Gros der Teilnehmenden komme immer aus nicht LSBTI* spezifischen zivilgesellschaftlichen Organisationen. In einem ersten Schritt wurden auf den bundesweiten Vernetzungstreffen Kommunikationsstrategien und die Schaffung neuer Bündnisse diskutiert. Ziel ist die gemeinsame Entwicklung von Aktivist*innen-Kits und Empowerment-Packs, um den faktenfreien Kampagnen von Rechtspopulist*innen und Gleichstellungsgegner*innen mit kreativen Ideen und Mut entgegenzutreten und so den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Eine Allianz der Vielfaltsverteidiger*innen aufbauen – das ist eines der großen Ziele des Projektes.

Die Frage des anwesenden Vorsitzenden der AfD Köln, warum seine Partei nicht für das Podium angefragt wurde, beantwortete Jürgen Rausch u.a. mit dem Hinweis auf die Antworten der AfD auf LSVD-Wahlprüfsteine zu Land- und Bundestagswahlen und zahlreichen homophoben Ausfällen von Abgeordneten, die deutlich machen, dass die Familien‑, Bildungs- und Gleichstellungspolitik ein kaum verhüllter Frontalangriff auf Emanzipations- und Gleichstellungserfolge ist. Ob Eheöffnung, Rehabilitierung der nach §175 verurteilten Männer, LSBTI*-inklusive Bildungspläne — mit Kritik und Polemik ließ die AfD nie lange warten. Gerade am Internationalen Tag gegen Homo- und Transphobie behalte man sich vor, wen man auf das Podium einlädt. Homaira Mansury von der VHS Köln sagte in ihrem Schlusswort, dass die VHS auch weiterhin die vielfältige Gesellschaft in ihrer politischen Bildungsarbeit abbilden werde. Gerade solchen Veranstaltungen wie heute komme dabei eine große Bedeutung zu.

(Es gilt das gesprochene Wort)

Klaus Jetz
LSVD Bundesverband



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