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Hirschfeld-Eddy-Stiftung

#LGBTISkopje: Ein Hauch von Freiheit?

Bericht von der ERA Konferenz in Skopje

Die Konferenz „Against all odds we claim the future“, die heute in Skopje begonnen hat, ist von großer Bedeutung für Mazedonien. Das betonte Irene Cvetkovic von der „Coalition margins“ aus Skopje. Die Tatsache, dass 130 Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LSBT) aus einem Dutzend Ländern zusammenkommen und über gleiche Rechte, gleichen Schutz und Nichtdiskriminierung von LSBTI mit Regierungsvertreter*innen diskutieren, ist eine Premiere für das Land. Die Konferenz sorge für Aufmerksamkeit und unterstütze den Reformprozess. Hinzu komme, dass die eher progressive, neue Regierung in Mazedonien großes Engagement an den Tag lege.

Die Konferenz dient auch der Diskussion und Festlegung von gemeinsamen Strategien der 57 Mitgliedsorganisationen von ERA (LGBTI Equal Rights Association) und wird u.a. aus Mitteln des Auswärtigen Amts und der Hirschfeld-Eddy-Stiftung ermöglicht. Die Dachorganisation ERA vereint Mitgliedsverbände aus dem Westlichen Balkan und der Türkei.

Parallel zu einem Treffen von Regierungsvertreter*innen aus Montenegro, dem Kosovo, Serbien und Mazedonien zum Thema „Rechte von LSBTI“ fand auch das erste Treffen der Teilnehmenden aus der Zivilgesellschaft statt. In den kommenden Tagen werden die Themen (Zugang zu) Bildung, deren Qualität (Schulbücher und diskriminierende Inhalte), Mobbing an Schulen, die rechtliche Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt und geschlechtliche Selbstbestimmung sowie regionale Kooperationen und Arbeit auf lokaler Ebene im Mittelpunkt der Konferenz stehen. 

Beim dem Treffen der zivilgesellschaftlichen Akteur berichteten Aktivist*innen über positive Entwicklungen und Rückschläge in ihren Ländern. In Montenegro werden zum Jahresende wohl Gesetze über eine eingetragene Partnerschaft und die Anerkennung der geschlechtlichen Vielfalt in Kraft treten. Das mazedonische LGBT Support Centre aus Skopje berichtet, dass das Land im europäischen Ranking noch immer einen der letzten Plätze belegt. LSBTI-Organisationen arbeiteten gemeinsam mit einer interfraktionellen Parlamentarier*innengruppe an einer Überarbeitung des Antidiskriminierungsgesetzes, das bislang die sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität nicht einschließt. Die Situation habe sich nach dem Regierungswechsel grundlegend geändert. Das zeige sich auch in der Unterstützung und Teilnahme der Regierung an der Konferenz. Dennoch sei die Gesellschaft noch immer zutiefst homophob und transfeindlich.

Die Kolleg*innen aus der Türkei berichten von Gerichtsurteilen zu Trans*Personen, für die die Kosten für Transition und psychische Behandlung vom Gesundheitssystem übernommen werden müssen. LSBTI-Organisationen werden massiv in ihrer Arbeit behindert. In Ankara und anderen großen Städte mussten Organisationen und Vereine ihre Arbeit einstellen. Man weiche auf andere Städte wie Izmir oder Mersin aus. Generell herrschen Angst und Verunsicherung vor. Viele trauen sich nicht, aktiv zu werden oder aber Aktivitäten können nur noch im Verborgenen stattfinden. Hier legen viele Aktivist*innen ein enormes Engagement und Kreativität an den Tag. Auch legten sich viele Gemeindeverwaltungen mit der Zentralregierung und Justiz an und kämpften weiterhin gegen die Diskriminierung von LSBTI. Einigen Vertreter*innen von Stadtverwaltungen war die Teilnahme an der Konferenz untersagt worden, andere reisten dennoch nach Skopje, allerdings nicht in offizieller Mission.

In Slowenien gebe es kleine Fortschritte zu verzeichnen. Erste homosexuelle Parlamentarier*innen hätten sich geoutet, doch leider kann die erste offen lesbische Abgeordnete aus gesundheitlichen Gründen nicht in Skopje dabei sein. Die Präsenz von LSBTI im Parlament sei enorm wichtig und hilfreich.
In Albanien gebe es Rückschläge zu verzeichnen. Politiker*innen hielten sich nicht an Versprechen, etwa im Bereich schulische Lehrpläne und LSBTI-Inklusion. Nach Kritik aus der Gesellschaft seien sie via Facebook und Twitter zurückgerudert. Das Beispiel zeige, wie schwer die Arbeit mit Politik und Behörden sei, wenn diese sich nicht an Absprachen halten.

In Kroatien zeige sich die „Regierung faschistisch“, sie betreibe eine schleichende Rehabilitierung der Ustascha-Bewegung des Nazikollaborateurs Ante Pavelic. Das Ausmaß LSBTI-feindlicher Gewalt sei besorgniserregend, Behörden und Justiz würden nicht aktiv, Täter gingen straffrei aus. Dennoch oder gerade deshalb, so die Kolleg*in aus Zagreb, arbeite man enger mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen und Gewerkschaften zusammen als früher.

In Serbien verzeichne man auf rechtlicher Ebene keine Fortschritte. Die LSBTI-Organisationen wie Labris arbeiten zusammen an einem Gesetzentwurf für eine eingetragene Partnerschaft. Von den Versprechungen, was zwischen 2013 und 2018 alles umgesetzt werden sollte, sei bislang nichts erfüllt worden. Trotz einer lesbischen Regierungschefin gebe es keine Kontakte zwischen LSBTI-Organisationen und der Regierung. Ein Lichtblick beim Belgrader Pride: Erstmals gab es 2018 mit 1500 Demonstrant*innen mehr Teilnehmende als Polizisten, und die Geschäfte und Cafés waren geöffnet. Einen Hauch von Freiheit habe man verspüren können.

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Klaus Jetz

LSVD-Geschäftsführer



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