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respekt! Editorial Heft 18

Es ist schon ein Dilemma: Ob auch Lesben und Schwule die Bürgerrechte bekommen, die allen zustehen, entscheiden sie nicht allein, sondern mehrheitlich die anderen. Die Demokratie beschert Minderheiten die Möglichkeit, ihre Rechte durchzusetzen, sie müssen aber erst einmal die Mehrheit überzeugen. So kommt es dann dazu, dass überwiegend  heterosexuelle Bürgerinnen und Bürger darüber entscheiden, ob Homosexuelle genauso heiraten können wie alle anderen.

Zwischen dem, was gelten sollte (Gleichheit) und dem, was faktisch gilt (Ungleichheit) gibt es eine Mauer aus Vorurteilen, Unwissenheit und Ideologie. In diesem Kontext spielt der Begriff der Familie eine zentrale Rolle. Was damit gemeint ist, welche Bilder damit verknüpft sind aber auch, was in Familien so passiert. „Die Familie ist die Keimzelle der Gesellschaft“, heißt es gerne. Manche meinen das biologisch und denken dabei an Vermehrung. Angela Merkel machte den Satz zu ihrer Kampfformel, als sie sich anlässlich des Wahlkampfs 2009 in der Katholischen Akademie Berlin gegen die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften aussprach.

Reibung, Meinungsbildung und Diskussionen, das sind Begriffe, die besser beschreiben, wie es in Familien so ist. Wenn sie als Ort des Entstehens gelobt wird, sollte das sozial verstanden werden. Es geht dann um Verantwortung, Beziehung zwischen den Generationen, Orte, an denen sich die Einzelnen und die Gesellschaft entwickeln. Solche Formen des Zusammenlebens sind keine Frage der sexuellen Orientierung.

Eine interessante Familiengeschichte erzählte jüngst Barack Obama. Die Journalistin Robin Roberts fragte den US-Präsidenten, ob er immer noch gegen die gleichgeschlechtliche Ehe wäre („Do you still oppose same sex marriage?“), und er antwortete als Vater. Lange und immer wieder habe er in der Familie, mit Freunden und Nachbarn darüber gesprochen. Gerade die Diskussionen mit seinen Töchtern hätten ihm deutlich gemacht, dass er nicht erklären könne, warum Homosexuelle weniger Rechte haben als andere. Zu sehen, dass es, etwa im Kreis seiner Mitarbeiter, bei homosexuellen Paaren genauso viel Liebe, Fürsorge und Verantwortung gäbe und der Staat sie dennoch nicht als vollwertige Bürger ansehe, das habe bei ihm eine Entwicklung („evolution“) ausgelöst. Anders als früher sei er nun dafür, dass Homosexuelle heiraten können.

Was denkt die Kanzlerin inzwischen dazu? Alle Welt spricht darüber, sie sollte nicht schweigen. Der konservative britische Premierminister David Cameron hat bereits im vergangenen Jahr ein offensives Plädoyer für das Recht auf Heirat für gleichgeschlechtliche Paare gehalten. Auch François Hollande, der neue Präsident in Frankreich, hat sich schon sehr früh und deutlich zur Öffnung der Ehe bekannt und das konsequent auch in sein Wahlprogramm aufgenommen. Er hat gewonnen. Deutschland sollte sich hier nicht isolieren. Um es im Merkel-Sprech sagen: Die Öffnung der Ehe ist alternativlos.

Renate Rampf, LSVD-Hauptstadtbüro



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