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Wenn der Papst der Chef ist

Seit elf Jahren leben Christine und Britta* zusammen, seit langem würden sie sich gerne verpartnern, aber sie können nicht. Denn Britta arbeitet in einem katholischen Pflegeheim, dort gilt das kirchliche Arbeitsrecht, es droht den Mitarbeitenden im Falle der Verpartnerung mit Kündigung. Der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz erklärte schon 2002 unmissverständlich „das „Rechtsinstitut der Lebenspartnerschaft (…) widerspricht der Auffassung über Ehe und Familie, wie sie die Katholische Kirche lehrt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Dienst, gleich ob sie der Katholischen Kirche angehören oder nicht, die nach diesem Gesetz eine ‚eingetragene Lebenspartnerschaft‘ eingehen, verstoßen dadurch gegen die für sie geltenden Loyalitätsobliegenheiten.“ Es ist unglaublich: Mit der Kündigungsdrohung wird ein vom Staat anerkanntes familienrechtliches Institut von der Katholischen Kirche faktisch außer Kraft gesetzt.

Der LSVD wird verstärkte Anstrengungen unternehmen, um die Betroffenen zu unterstützen. Im Sommersemester 2011 startet die Pressestelle des LSVD in Kooperation mit der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität in Berlin ein Forschungsprojekt zu diesem Problembereich. Die Kooperation wird von unserem Mitglied, Rechtsanwalt Dirk Siegfried, fachlich begleitet. „Die Privilegien der Kirche müssen hinterfragt werden. Viele der Arbeitsplätze sind zu einem großen Teil staatlich finanziert. Es kann nicht sein, dass die Kirche staatliche Gelder dazu benutzt, ein staatlich geschaffenes Rechtsinstitut zu unterlaufen und Lesben und Schwule zu diskriminieren“, fordert der engagierte Jurist.

Lesben und Schwule, die im kirchlichen Dienst arbeiten, leiden unter der Einschüchterungspraxis. Das Verbot der Verpartnerung empfinden sie als vollkommen ungerecht. „Dass die Kirche Menschen den Verlust des Arbeitsplatzes androht, wenn sie Verantwortung füreinander übernehmen“ sei, so Dirk Siegfried, „besonders verlogen.“ Zudem müssen die Betroffenen auf Zulagen und Vergünstigungen verzichten, können das gemeinsame Heim nicht erbrechtlich schützen und selbst im Krankheitsfalle nicht für den Partner oder die Partnerin sprechen.

Bislang gibt es die Möglichkeit heimlich zu heiraten, das heißt: keine große Feier, keine öffentliche Ankündigung und bloß keine Zeremonie in der Kirche. Wichtig ist zudem, den Meldebehörden und dem Standesamt zu schreiben, dass sie die Veränderung nicht dem Arbeitgeber mitteilen. Aber die Angst bleibt: Kollegen können es weiter erzählen, der Arbeitgeber bemerkt es durch Zufall, und auch die Gleichstellung in der Einkommensteuer könnte gefährlich werden. In dem Projekt Law Clinic werden drei Studierende an Beispielfällen die Praxis der Diskriminierung durch den Arbeitgeber Kirche bearbeiten, entsprechende Gutachten verfassen und damit die Vorarbeit für konkrete Klagen leisten.

Manfred Bruns, LSVD-Bundesvorstand

*Namen von der Redaktion geändert



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