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Stoppt 6.13.1

Foto: Sergey Chernov

Das Gesetzesvorhaben
Die russische Regierungspartei hat einen Gesetzentwurf in die Duma eingebracht, der darauf abzielt, Homosexualität zu Tabuisieren sowie Lesben und Schwule zu kriminalisieren. Dieses Anti-Homosexualitätsgesetz sieht vor, die öffentliche „Propagierung“ für Homosexualität mit empfindlichen Geldstrafen von umgerechnet bis zu 12.500 Euro bestrafen. Durch die bewusste Offenheit des Begriffs „Propagierung“ kann selbst ein Kuss, das Tragen eines Buttons oder die Verwendung einer Regenbogenflagge bestraft werden. Aufklärungs- und Akzeptanzarbeit gegen eine in Russland grassierende und bisweilen tödliche Homophobie sowie eine effiziente Präventionsarbeit gegen HIV/AIDS sind dann nicht mehr möglich. Die Erfahrungen zeigen, dass schon die Ankündigung eines solchen Erlasses zur Brutalisierung der Öffentlichkeit führt. Willkürlich werden Bürgerinnen und Bürger angegriffen, allein weil vermutet wird, dass es sich um Homosexuelle handelt.

Artikel 6.13.1
Das Gesetz ist als Zusatzantrag zum Gesetzbuch für Verwaltungsübertretungen geplant.

Die Abstimmung
In der ersten Lesung haben von 450 Duma-Abgeordneten 389 (86,4%) für das Anti-Homosexualitätsgesetz gestimmt. Ein Abgeordneter stimmte dagegen, erklärte es aber im Nachhinein als “Tippfehler”. Es gab eine Enthaltung. 60 Personen (13,4%) waren nicht anwesend und haben insofern keine Stimme abgegeben.

Die “Ja”-Stimmen
236 Ja-Stimmen kamen von der Regierungspartei “Einiges Russland”, das sind fast alle Abgeordneten der Partei (99,6% ihrer Stimmen). 91 Stimmen kamen von den Kommunisten — mit 99,9% ihrer Stimmen, 60 Stimmen von der „Oppositionspartei“ “Gerechtes Russland” (mit 93,7% ihrer Stimmen). Zwei weitere Stimmen kamen von den sogenannten Liberal-Demokraten (mit 3,6% ihrer Stimmen).

(Quelle: Duma-Website: http://vote.duma.gov.ru/vote/80239)

Die wichtigsten Termine im weiteren Gesetzgebungsverfahren

  • Erste Aprilwoche (14.KW): Woche gegen Homophobie in Russland, insbesondere in St. Petersburg und Moskau
  • Bis 25. Mai 2013: Änderungsvorschläge am Gesetzentwurf können eingebracht werden
  • 27. Mai 2013: Zwanzig Jahre Abschaffung von Artikel 121 und damit Entkriminalisierung von Homosexualität
  • Ab 2. Juni 2013: zweite Lesung
  • Sommerpause im Juli
  • Dritte Lesung (nach der Sommerpause)
  • Unterzeichnung des Gesetzes durch den Präsidenten

Rolle des Präsidenten
Wenn die Duma dem Gesetzentwurf in dritter Lesung zugestimmt hat, geht er an den Präsidenten. Putin kann es dann innerhalb von 14 Tagen unterschreiben und damit in Kraft setzen. Lehnt er das ab, muss er das Gesetz mit einer Erklärung zurück an die Duma schicken. Die Duma kann dann das Gesetz abändern und erneut an den Präsidenten reichen. Es kann seinen Einwand aber auch einfach ignorieren. Dann muss die Duma mit absoluter Mehrheit dem Gesetzentwurf zustimmen.

Hintergründe und Argumente
In der russischen Föderation haben bereits zehn Regionen solche Gesetze verabschiedet. In erster Lesung hat die Staatsduma am 25. Januar 2013 ein Bundesgesetz verabschiedet.

Die Gesetze, auch das aktuelle Gesetzesvorhaben sind mit der Mitgliedschaft Russlands im Europarat unvereinbar. Sie schüren Homophobie und Vorurteile und werden Intoleranz und Hass gegen Minderheiten befördern und institutionalisieren. Sie werden dazu beitragen, die schon jetzt hohe Selbstmordrate unter lesbischen und schwulen Jugendlichen in Russland weiter zu erhöhen. Zudem leisten diese Gesetze der Ausbreitung von HIV und Aids Vorschub.

Alle Mitgliedsstaaten des Europarats sind an die “Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten” (EMRK) gebunden, die die Meinungs‑, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie das Verbot der Diskriminierung postuliert. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verstößt die Benachteiligung von Lesben und Schwulen wegen ihrer sexuellen Identität gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 14 EMRK in Verbindung mit Art. 8 der EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens).

Die Gesetze und auch das aktuelle Gesetzesvorhaben widersprechen auch nationalem Recht und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Sie zielen allesamt darauf ab, die stärker werdende Bewegung der LSBTI in Russland mundtot zu machen. Sie sind ein weiterer Anschlag des Putin-Regimes auf die Menschenrechte.

Gegenaktionen
Der LSVD und Quarteera, die Gruppe der russischsprachigen LSBTI in Deutschland, haben die Aktion „Freundschaftskuss — Solidarität mit Lesben und Schwulen in Russland“ gestartet.

 

Renate Rampf, Markus Ulrich
LSVD-Hauptstadtbüro



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