Kategorien
Hirschfeld-Eddy-Stiftung

LGBT und Menschenrechte

Klaus Jetz (LSVD-Geschäftsführer) beim LSVD-Verbanstag - Foto: Caro KadatzTodesstrafe, Verfolgung und Anerkennung

Sehr geehrte Alice Nkom, meine sehr verehrten Damen und Herren,

zunächst ganz herzlichen Dank an Amnesty International für die Einladung und an Brot für die Welt für die Zusammenarbeit. Ich wurde gebeten, einen kurzen Überblick über die rechtliche und soziale Situation von LGBT in aller Welt zu geben, eine Aufgabe, der ich sehr gerne nachkomme.

Die Hirschfeld-Eddy-Stiftung ist die Menschenrechtsstiftung des Lesben- und Schwulenverbandes, sie unterstützt seit 2007 LGBT- Menschenrechtsverteidiger im globalen Süden und Osteuropa und sensibilisiert hierzulande Akteure der Entwicklungszusammenarbeit und der Menschenrechtspolitik für das Thema LGBT-Rechte.

Von Galgen bis Standesamt reichen die Orte, die Staaten auf dieser Welt als angemessen für Lesben, Schwule und Transgender betrachten. Dabei lassen sich in Bezug auf die rechtliche Situation einige typische Blockbildungen ausmachen. Von den 77 Verfolgerstaaten, eine Zahl übrigens, die im Abnehmen begriffen ist, halten sieben Staaten für Lesben und Schwule die Todesstrafe bereit. Dies sind: Iran, Jemen, Mauretanien, Saudi-Arabien, Sudan, Teile von Nigeria und Somalia. Die muslimisch geprägten Staaten des Nahen und Mittleren Ostens sowie Nordafrikas bilden einen homogenen homophoben Block, ebenso wie die ehemaligen britischen Kolonien in Afrika, der Karibik oder Asien, die ein homophobes Strafrecht bereithalten, das meist aus der Kolonialzeit tradiert wurde.

Besorgniserregend ist die Situation in vielen Staaten Afrikas. Hier sind es 36 Staaten, die noch immer Lesben und Schwule strafrechtlich verfolgen, einige dieser Staaten haben gerade die Verfolgung nochmals verschärft, etwa Uganda, Nigeria und Kamerun. Rühmliche Ausnahme ist Südafrika, dem in rechtlicher Hinsicht eine Vorbildfunktion zukommt. Allerdings bereiten uns hier die Ausmaße homophober und transphober Gewalt und Phänomene wie „corrective rape“ große Sorgen. Dies auch in Jamaika, wo es immer wieder zu regelrechten Hetzjagden auf Schwule kommt, ein homophobes Klima, das durch einige verrohte Dancehall-Interpreten immer wieder angeheizt wird. Überhaupt sind es noch immer zehn karibische Commonwealth-Inselstaaten, in denen homosexuelle Handlungen verfolgt werden.

115 Staaten aber halten für ihre homo- und transsexuellen Bürgerinnen und Bürger kein homophobes Strafrecht bereit. Dazu gehören die Staaten des ehemaligen Ostblocks, die nicht der EU, aber dem Europarat angehören. Hier gibt es aber auch keine Partnerschafts- oder Antidiskriminierungsgesetze, die der verbreiteten Homophobie entgegenwirken könnten. Zudem kommt es immer wieder zu CSD-Verboten. Und große Sorgen bereitet uns Russland, das eine Rekriminalisierung von Homosexualität verfolgt, ein sogenanntes Propagandaverbot installierte und so eine Vorlage für andere Staaten Osteuropas lieferte. Das russische Antihomosexualitätsgesetz ist ein Anschlag auf die Menschenrechte, es zielt darauf ab, Homosexualität zu tabuisieren sowie Lesben und Schwule zu kriminalisieren. Es bestraft die öffentliche „Propagierung“ von Homo- und Transsexualität mit Geldstrafen von umgerechnet bis zu 12.500 Euro. Durch die bewusste Offenheit des Begriffs „Propagierung“ kann selbst ein Kuss, das Tragen eines Buttons oder die Verwendung einer Regenbogenflagge bestraft werden.

Aufklärungs- und Akzeptanzarbeit gegen eine in Russland grassierende und bisweilen tödliche Homo- und Transphobie sowie eine effiziente Präventionsarbeit gegen HIV/AIDS sind nicht mehr möglich. Das Gesetz führte zur Brutalisierung der Öffentlichkeit, mehrere Lesben, Schwule und Transsexuelle wurden in den letzten Monaten ermordet, misshandelt, schwer verletzt. Willkürlich werden Bürgerinnen und Bürger angegriffen, allein weil vermutet wird, dass es sich um Homosexuelle handelt.

Staaten der Anerkennung

Dem gegenüber stehen die Staaten der Anerkennung, etwa die Staaten der nördlichen Hemisphäre (Europäische Union, Norwegen, Schweiz und Teile Nordamerikas). Sie kennen keine homophoben Strafgesetze mehr, vielmehr gibt es Partnerschaftsgesetze und/oder Schutzgesetze für LGBT. Zu den Staaten der Anerkennung gehören auch die meisten lateinamerikanischen Staaten, dessen Staaten in den letzten zwei Jahrzehnten einen enormen Wandel auch im Umgang mit sexuellen Minderheiten vollzogen haben.

Argentinien und Uruguay öffneten die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare, in immer mehr Staaten oder Regionen gibt es Partnerschaftsgesetze und Gesetze zum Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität, in einigen ist ein Diskriminierungsverbot in der Verfassung verankert (Ecuador, Bolivien, Uruguay, Kolumbien, Mexiko oder Regionen von Brasilien). Probleme bereiten hier aber homophobe und transphobe Übergriffe und Gewalttaten durch paramilitärische Gruppen oder Polizeikräfte, die im Rahmen sogenannter sozialer Säuberungen Angehörige sexueller Minderheiten verfolgen und ermorden, so etwa in Honduras, Brasilien, Mexiko oder Santo Domingo.

Was tun?

Wir brauchen einen langen Atem in unserer Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit und zugleich dürfen wir nicht nachlassen, LGBT-Aktivistinnen und Menschenrechtsverteidiger in den Verfolgerstaaten zu unterstützen. Das können und wollen wir nicht alleine tun, es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Akteure der EZ sind aufgefordert, sich auch für dieses Thema zu öffnen. Wir arbeiten mit vielen Organisationen zusammen, sind auf einem guten Weg, das Thema LGBT-Rechte wird in der Entwicklungs- und Menschenrechtspolitik diskutiert. Die Akteure, die Politik diskutieren Sanktionen und Boykotte, ohne LGBT-Aktivisten vor Ort in Gefahr zu bringen, sie thematisieren die Rolle der Botschaften, die oftmals negative Rolle der Kirchen, existierende Schutzmechanismen und Tools wie die Yogyakarta Prinzipien oder das EU Tool kit. Wir laden LGBT-Aktivisten nach Deutschland ein, vernetzen uns, lernen voneinander und tauschen uns intensiv mit unseren Kolleginnen und Freunden in anderen Geberländern aus.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde, ich will nicht länger reden, sondern das Wort unseren beiden Podiumsgästen überlassen. Nur so viel: Wir lassen nicht nach in unserer Unterstützung für unsere Freundinnen und Freunde in Afrika oder Osteuropa. Zugleich setzen wir unsere Sensibilisierungsarbeit für die Thematik hierzulande beharrlich fort. Wir bleiben am Ball.

Vielen Dank

Klaus Jetz

LSVD-Geschäftsführer

Rede anlässlich der Preisverleihung des 7. Amnesty-Menschenrechtspreises an Alice Nkom



Teile diesen Beitrag: