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Zehn Jahre Lebenspartnerschaft — Reif für die Ehe

Über 180 Teilnehmende besuchten die LSVD- Konferenz zum zehnjährigen Jubiläum der Eingetragenen Lebenspartnerschaft in Berlin. Mit dabei waren internationale Rechtsexpertinnen und ‑Experten, Paare der ersten Stunde, Regenbogen- familien sowie Schwule und Lesben, die sich ihr Recht vor Gericht erstritten haben.

 

Die Senatorin für Inte- gration, Arbeit und Soziales Carola Bluhm begrüßte die Gäste im Großen Saal des Berliner Rathauses. Sie erinnerte an die Geburtsstunde der Forderung nach einer Ehe für gleichgeschlechtliche Paare mit der „Aktion Standesamt“ von 1992. Trotz weitgehender Gleichstellung gebe es „gravierende Benach- teiligungen“. Dazu gehöre die Ungleichheit im Adoptionsrecht: „Es wird Kindern eine sichere Familie verweigert. Kinder, die in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften aufwachsen, müssen umfassend rechtlich abgesichert werden. “ Bluhm verwies auf die Vorreiterrolle des Landes Berlin etwa durch Bundesratsinitiativen zur Gleichstellung. Die Forderungen seien im Bundesrat, ähnlich wie bei der Einführung der Lebenspartnerschaft, von den Unions und FDP geführten Ländern wiederholt zurückgewiesen worden. (zum Grußwort der Senatorin Carola Bluhm)

 

Die Rolle der Menschen- rechtsabkommen und internationalen Gerichte für den Zugang zur Ehe als Menschenrecht beleuchteten Sheila Quinn (Mitautorin des Yogyakarta Principles Activist’s Guide) und Patricia Prendiville (langjährige Geschäftsführerin von ILGA-Europe), aus Irland. Argentinien, Belgien, Island, Kanada, die Niederlande, Norwegen, Portugal, Schweden, Spanien und Südafrika und sechs Staaten aus den USA haben das Recht auch ausdrücklich in ihren Gesetzen verankert. (Vortrag Prendiville: “Marriage Matters”)

Seit 150 Jahren fordern wir schon die Ehe“ so Günter Dworek, LSVD-Bundesvorstand. Der Jurist und Vorkämpfer Karl-Heinrich Ulrichs habe das erste Mal die Eheforderung erhoben. 2001 habe die Eingetragene Lebenspartnerschaft die Rechtlosigkeit von lesbischen und schwulen Paaren beendet. „Als wir angetreten sind, waren gleichgeschlechtliche Paare rechtlos. Sie hatten kein gesetzliches Erbrecht, im Todesfall konnte die überlebende Partnerin aus der Mietwohnung fliegen,“ betonte Dworek in der Bilanz aus 10 Jahren Lebenspartnerschaft. Das Gesetz und dessen rege Verwendung von zehntausenden Menschen habe auch die grundrechtliche Stellung von Lesben und Schwulen massiv gestärkt, das zeige sich nicht zuletzt in der Veränderung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts. Dennoch sei auch der Widerstand gegen die Gleichstellung nicht überwunden, der Kampf um die Öffnung der Ehe werde nicht weniger aufreibend: „Wir werden einen Kulturkampf 2.0 erleben. In eine heiße Phase kommen wir schon am 22. September. Da spricht der Mann vor dem Deutschen Bundestag, der sich seit drei Jahrzehnten weltweit als der eifrigste und hartnäckigste Kämpfer gegen unsere Rechte profiliert hat: Papst Benedikt XVI.“ Dworek ist aber optimistisch: „Wenn wir uns jetzt in den nächsten zwei, drei, vier Jahren noch einmal richtig anstrengen, wenn wir kämpfen, kämpfen, kämpfen, dann kann es klappen.“ (Vollständiger Text der Rede)

 

Die wichtigsten Parallelen und Unterschiede in der internationalen Rechts- entwicklung von Ein- getragenen Partnerschaft und gleichgeschlechtlicher Ehe zeigte Dr. Jens Scherpe von der Universität Cambridge. Es gäbe zwei Wege zur Öffnung der Ehe: der Weg über eine registrierte Lebenspartnerschaft, die nach etwa zehn Jahren in eine Ehe umgewandelt wird, wie es beispielhaft etwa die Niederlande und skandinavische Länder gemacht haben oder die unmittelbar Öffnung, wie in Spanien und Portugal. Er plädierte für die Öffnung der Ehe bei gleichzeitiger Öffnung der registrierten Partnerschaft für Heterosexuelle. Jeder Bürgerin, jedem Bürger müsse die Entscheidungsfreiheit für oder gegen eine staatlich abgesicherte Form der Partnerschaft oder die Ehe offen stehen.

 

Gleichgeschlechtliche Ehen gibt es schon” betonte Maria Sabine Augstein, Rechtsanwältin, Tutzing. Die Transsexuellen-Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts haben die Ehe für homosexuell empfindende Transsexuelle bereits jetzt geöffnet. Bemerkenswert sei zudem, dass diese Entscheidung ausdrücklich gegen das im alten TSG vorgesehene Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehen gerichtet sei und das Recht der Transsexuellen auf eine Ehe mit dem mit Grundrecht Art. 6 begründet wurde. „Die Ehe für Homosexuelle? Das Grundgesetz sagt: Ja“ schloss Augstein ihre Rede unter dem Applaus der Versammlung.

 

Mit der Konferenz “Zehn Jahre Lebenspartnerschaft — Reif für die Ehe” hat der LSVD die Kampagne zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare gestartet. Die Teilnehmenden nutzten das historische Datum zur Unterzeichnung einer an Parlament und Regierung gerichteten Resolution. Darin heißt es: “Für Lesben wie Schwule darf weder real noch symbolisch minderes Recht gelten. Es gibt keine Rechtfertigung für Ungleichbehandlung. Die Zeit ist reif für die Ehe.“

Zusätzliche Berichte zur Konferenz, u.a. auch zur Parteien-Podiumsdiskussion, folgen.

Renate Rampf, LSVD-Pressesprecherin

 



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