Kategorien
Hirschfeld-Eddy-Stiftung

Ablenkung von Regierungsversagen

Machterhalt durch Hetze gegen Homosexuelle 


„Wie mit Homophobie Politik gemacht wird“ – das wollten 120 Interessierte wissen und besuchten die gleichnamige Veranstaltung des Afrikareferats der Friedrich-Ebert-Stiftung, der Hirschfeld-Eddy-Stiftung und des Berliner Magazins Siegessäule. Hauptthema war die immer wieder Schlagzeilen machende Verfolgung von Homo- und Transsexuellen in einer Vielzahl afrikanischer Staaten.

Nach der Begrüßung und Einführung durch Michèle Auga (Afrika-Referat Friedrich-Ebert-Stiftung, Afrika-Referat), Renate Rampf (Hirschfeld-Eddy-Stiftung) und Gudrun Fertig (Siegessäule/Special Media Verlag) gaben Dr. Rita Schäfer und Eva Range Einblicke in ihre zu diesem Anlass erstellte Studie „Wie mit Homophobie Politik gemacht wird! – Menschenrechte und Verfolgung von LSBTI-Aktivisten/-innen in Afrika.“

 

Rita Schäfer stellte dabei heraus, wie die gegenwärtigen Menschen- rechtsverletzungen an lesbischen, schwulen, bisexuellen, transgender und intersexuellen Menschen in gesellschaftliche Macht- und Gewaltverhältnisse einzuordnen sind, die den Alltag in den untersuchten Staaten Uganda, Simbabwe, Südafrika und Kamerun entscheiden prägend. Übernommene koloniale Gesetze, die homosexuelle Handlungen kriminialisieren, unbearbeitete Traumata und (sexuelle) Gewalterfahrungen aus Unabhängigkeits- und Bürgerkriegen sowie angesichts des raschen ökonomischen und sozialen Wandels überforderte Regierungen und Gesellschaften verdichten sich zu einer für afrikanische LSBTI-Menschen lebensbedrohlichen Situation. In unheiliger Allianz mit kirchlichen Vertretern nutzt die politische Führung Hassreden und Verfolgungswellen um die Unzufriedenheit der Bevölkerung umzulenken. Dabei, so Schäfer, werden selektiv Aspekte der Tradition aufgegriffen, mit übersteigertem Nationalismus gepaart und schon erscheinen LSBTI-Menschen als Bedrohung für Familie und Nation.

Co-Autorin Eva Range umriss Handlungsstrategien für Akteurinnen und Organisationen in der deutschen auswärtigen Politik und Entwicklungs- zusammenarbeit. Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit ist ein Bewusstsein für die bisweilen lebensgefährliche Situation der Partnerinnen und Partner vor Ort. Die lokalen LSBTI-Organisationen wissen am Besten, welche Strategien der Aufklärung wirkungsvoll sind und welches Risiko sie mit ihrem Engagement bereit sind einzugehen. Über den Rekurs auf ratifizierte Abkommen gilt es auch die staatlichen Institutionen und zivilgesellschaftlichen Organisationen für die Menschenrechte von LSBTI zu sensibilisieren. Dies gelinge oftmals besser mit stiller Diplomatie oder durch arrangierte Treffen mit LSBTI in Botschaftsräumen oder Auslandsbüros. Der öffentlich-medialen Druck führe hingegen dazu, dass die politische Elite am Pranger steht und ein Einlenken ohne Gesichtsverlust fast unmöglich ist. Range verwies auf die Yogyakarta-Allianz, das von der Hirschfeld-Eddy-Stiftung initiierte Bündnis aus mehreren Organisationen und Privatpersonen, das zurzeit an Konzepten und Forderungskatalogen arbeitet, mit dem LSBTI-Themen in die entwicklungspolitische Agenda verankert werden sollen.  Beide Autorinnen forderten mehr Engagement, um homophoben Gewaltakten präventiv entgegenzuwirken und Gewalttäter strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen.

Verstärktes Engagement bei gleichzeitiger Sensibilität für die Lage vor Ort darin waren sich auch die Teilnehmenden der anschließenden Podiumsdiskussion einig. Die Dramatikerin Mojisola Adebayo verwies am Beispiel eigener Theaterstücke auf die Kraft von Kulturprojekten, sei es Theater, Fotografie oder Malerei, um beim Publikum an eigene Erfahrungen von Liebe, Vertrauen, Schmerz, Angst und Verlust anzuknüpfen und so LSBTI-Menschen als Individuen wahrnehmbar zu machen und Empathie für sie zu erwirken.

Godwyns Onwuchekwa von der exilnigerianischen Organisation „Justice for Gay Africans“ unterstrich, dass es gefährlich ist, mit dem Einfrieren von Hilfsgeldern auf homophobe Gesetzesinitiativen zu reagieren. Letztlich litten vor allem LSBTI-Menschen darunter. Denn zum einen würden ohne diese Gelder viele Infrastrukturprojekte sowie Maßnahmen im Bildungs- und Gesundheitssektor ausgesetzt, von denen auch LSBTI-Menschen profitieren. Zum anderen werden sie von den politischen Verantwortlichen für das Ausbleiben der Gelder erneut zu Sündenböcken gemacht.

Christoph Strässer, Sprecher der Arbeitsgruppe Menschenrechte und humanitäre Hilfe der SPD-Bundestagsfraktion, erzählte von seinen Erfahrungen mit afrikanischen Partnerinnen und Partner und sah eine der Aufgaben der Diplomatie darin, sichere Begegnungen zwischen politischer Klasse und LSBTI-Organisationen zu ermöglichen. Auf die Frage, warum das erst kürzlich erschienende, 40seitige Entwicklungszusammenarbeitskonzept seiner Partei LSBTI mit keinem Wort erwähnt, versprach Strässer dafür zu sorgen, dass dieses Thema darin Raum finden wird. Die Hirschfeld-Eddy-Stiftung wird ihn darin erinnern. Die Lage auf dem afrikanischen Kontinent ist für viele LSBTI zu gefährlich, als dass sie von der entwicklungs- und  menschenrechtspolitischen Agenda in Deutschland vergessen wird.

 

Renate Rampf

Hirschfeld-Eddy-Stiftung

 

 



Teile diesen Beitrag: