Meine Prognose für 2013: Auch in diesem Jahr müssen wir uns mit abstrusen Behauptungen auseinandersetzen, Mitte des Jahres sind Verbesserungen im rechtlichen Bereich zu erwarten, und im Herbst gibt es die Chance für einen echten Neuanfang.
Abstrus ist zum Beispiel die Argumentation der CDU, nach der die Gleichstellung von Ehe und Eingetragener Lebenspartnerschaft mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sei, weil „Artikel 6 die Privilegierung der Ehe zwischen Mann und Frau gebietet.“ Diese „eindeutige Lesart“, so schreibt die Partei unter „Politik von A‑Z“, sei dem „für die richterliche Auslegung maßgeblichen dokumentierten Willen der Verfassungsmütter und ‑väter zu entnehmen.“ Das ist Unsinn, im Parlamentarischen Rat wurde nicht über gleichgeschlechtliche Paare gesprochen, es ging lediglich darum, die Ehe gegenüber unverheirateten heterosexuellen Lebensgemeinschaften abzugrenzen. An Gleichstellung von Homosexuellen war gar nicht zu denken, deren rechtliche Stellung regelte das Strafgesetzbuch mit Verfolgung und Gefängnis. Aber vielleicht geht es ja auch gerade darum, implizit darauf zu verweisen, dass die Ehe kaum mit der Partnerschaft derer zu vergleichen ist, die gewissermaßen gerade aus dem Knast kommen.
Gute Argumente sind bis Mitte des Jahres zu erwarten. Vor dem Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts steht eine Entscheidung zum Adoptionsrecht an. Sie betrifft die sogenannte Sukzessivadoption: Darf ein adoptiertes Kind auch von dem zweiten Elternteil angenommen werden? Das ist homosexuellen Familien bislang versagt, obwohl es für heterosexuelle Ehepaare möglich ist. Im Dezember 2012 fand die Anhörung der Verbände statt. Bundesverfassungsrichter Johannes Masing meinte, er habe „selten eine mündliche Verhandlung erlebt, in der die Stellungnahmen so einhellig waren.“ Das Gericht deutete an, dass die bisherige Regelung ein Verstoß gegen das Grundgesetz ist. Es geht schließlich um einen Rechtsgewinn für die betroffenen Kinder, so sieht das der LSVD und allem Anschein nach auch der Erste Senat.
Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt klargestellt: Nirgendwo in der Verfassung steht, dass homosexuelle Partnerschaften schlechter gestellt werden müssen. Dass auch Artikel 6 GG keine solche Differenzierung rechtfertigt, ist in mehreren Entscheidungen unmissverständlich betont worden. Wir sind zuversichtlich: Das Urteil zum Adoptionsrecht wird die Rechte von gleichgeschlechtlichen Familien stärken. Aber es wird auch die Diskussion um das gemeinschaftliche Adoptionsrecht neu entfachen.
Wieder wird es dann heißen, die Verfassung verbiete eine Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Familien und heterosexuellen Ehen. Aber darauf kann es nur eine Antwort geben: Nein! Das ist nicht die Absicht des Grundgesetzes. Wer das sagt, hat den Geist des § 175 noch nicht überwunden.
Gleichberechtigung ist möglich: Das gilt für die Öffnung der Ehe, das Adoptionsrecht und das Steuerrecht. Alle Parteien (mit Ausnahme der Union) wollen sie. Der einfache Gesetzgeber kann das übernehmen. Und den werden wir im September neu bestimmen. Sind das nicht schöne Aussichten?
Renate Rampf
LSVD-Pressesprecherin