Gefährliche Gegner*innen für LGBT United in Mazedonien
Seit über einem Jahr befindet sich der EU-Beitrittskandidat Mazedonien in einer politischen Krise. Der ehemalige, seit 2006 konservativ regierende Ministerpräsident Nikola Gruevski und mehrere seiner Minister wurden der Korruption, Kriminalität und Bekämpfung der Opposition mit illegalen Mitteln beschuldigt. Staatspräsident Ivanov hat die Politiker amnestiert. Zehntausende protestierten auf den Straßen der Hauptstadt. Wahlen wurden immer wieder verschoben, die Opposition verlangt eine Aktualisierung der veralteten Wählerlisten und medienpolitische Reformen. Radio und TV-Sender werden von der Regierung kontrolliert. Seit Januar regiert eine große Koalition, für den 18. Dezember sind Wahlen angesetzt, doch von Rechtstaatlichkeit kann in Mazedonien keine Rede sein.
Bekim Asani arbeitet bei LGBT United in Tetovo. Die Organisation zählt rund 100 Mitglieder, von denen zehn aktiv im Team mitarbeiten. Die Gruppe hat ein Büro mit Treff, man organisiert Film- und Diskussionsabende, führt Workshops für die Community und auch für Journalist*innen durch und unterstützt auch Flüchtlinge aus dem Nahen Osten. Bekim sagt, die Koalitionsregierung sei autoritär, korrupt, sehr konservativ und christlich orientiert und verteidige traditionelle Werte. Von den Wahlen im Dezember erwartet er nicht viel, einen sozialen Wandel, Medienfreiheit, Korruptionsbekämpfung, Abbau der hohen Arbeitslosigkeit, mehr Rechte für die BürgerInnen, all das werde es auch mit einer technokratischen Regierung im kommenden Jahr nicht geben.
Tatort Familie
LGBT United will auch weiterhin in verschiedenen Städten des multiethnischen Landes (mazedonische, albanische, türkische, serbische, rumänische, bosnische und Roma-Bevölkerungsgruppen) Fortbildungsangebote durchführen und eine Anlaufstelle für LSBTI im Land bieten. Die Arbeit wird von Botschaften, USAID und der Heinrich-Böll-Stiftung unterstützt. Kürzlich hat die Deutsche Botschaft, so Bekim, erstmals einen Runden Tisch organisiert, an dem er als LSBTI Aktivist und weitere NGO-Vertreter*innen sowie 24 Vertreter*innen der politischen Parteien teilnahmen, um über eine Stärkung der Zivilgesellschaft, Bürgerrechte und mehr Rechtsstaatlichkeit zu beraten. Hier berichtete Bekim von den Drohungen, die er erhalten hatte, nachdem er sich im niederländischen TV über die Situation von LSBTI in Mazedonien geäußert hatte. Wochenlang hatte er sich nicht aus dem Haus getraut. Die Teilnehmenden zeigten sich schockiert über Bekims Bericht. Diese persönlichen Berichte seien wichtig, um die Einstellungen der Menschen zu ändern. Gewalt gegen LSBTI spiele sich vor allem in den Familien ab, werde nicht zur Anzeige gebracht und wenn doch, dann ohne Folgen. Bekims Eltern unterstützen seine Arbeit, auch wenn sie manchmal Angst haben, weil er sich im TV und in der Öffentlichkeit zeigt.
Unterstützung aus Halle an der Saale
LGBT United wird von Antje Jaßmann (22) unterstützt. Sie ist seit zwei Monaten in Tetovo, wo sie für die Entsendeorganisation Friedenskreis Halle e.V. einen einjährigen Freiwilligendienst absolviert. In der Ausschreibung hatte es geheißen, LGBT United sei eine junge LGBT Nichtregierungsorganisation in Tetovo in Mazedonien, die sich für den Schutz und die Einhaltung von Menschenrechten und Zugang zu medizinischer Versorgung unabhängig von sexueller Orientierung einsetze und die erste LGBT-Organisation, welche sich außerhalb von der mazedonischen Hauptstadt gegründet habe. Durch ihre Arbeit mache sie die „LGBT-Community auch im ländlichen Raum sichtbar und treten für ihre Rechte ein. Der/die Freiwillige unterstütze die Organisation im Büro. Als internationaler Freiwillige/r fungiert er/sie mit eigenem Engagement im Freiwilligendienst als bestärkendes Vorbild für lokale Freiwillige und eröffnet Zugang zu Menschen unterschiedlicher Herkunft. Er/sie arbeitet an der Organisation und Durchführung von Infoveranstaltungen, Workshops und ist bei Kampagnen und Straßenaktionen für LGBT-Rechte beteiligt. Er/sie wird außerdem einmal in der Woche für Interessierte einen Deutschsprachkurs geben.“
Für die Antje war die politische Situation zunächst verwirrend. Sie musste erst Mal ankommen und einen Sprachkurs belegen. Die Parteien, allesamt in albanische und mazedonische Parteien aufgespalten, ähnelten sich alle sehr, es sei schwer, an unabhängige Informationen zu kommen. Dennoch weiß sie aus den Vorbereitungskursen und dem, was sie in Mazedonien erlebt, um die politische Krise im Land. Auf der rechtlichen Ebene hinke das Land in Bezug auf LSBTI noch hinterher. In der Antidiskriminierungsgesetzgebung ist die sexuelle Identität nicht berücksichtigt. Sie selbst hat keine offensichtliche Anfeindungen oder gar Gewalttaten erlebt, weiß aber um die Problematik. Die mangelnde Sichtbarkeit von LSBTI, so Antje, ist ein Problem. Man lebe in Mazedonien nicht offen schwul oder lesbisch, vielleicht vertraue man sich einem Familienmitglied oder einer Freundin an, doch alle lassen große Vorsicht walten. Tetovo sei eine kleine Stadt mit starker sozialer Kontrolle, die Leute seien vorsichtig und achteten darauf, wem sie was erzählen. Antje bleibt noch bis September 2017 in Tetovo. Sie bereut ihren Entschluss nicht, auch wenn es Rivalitäten zwischen den verschiedenen ethnischen Bevölkerungsgruppen gebe, aber das spiele in der LSBTI Community zum Glück keine Rolle.
Klaus Jetz
Hirschfeld-Eddy-Stiftung