Kategorien
Hirschfeld-Eddy-Stiftung Veranstaltungen

Das größte Problem sind Unwissenheit und Vorurteile.”

Uganda: Alltag in ständiger Gefahr

Im Sommer 2003 beschließen drei Frauen in Kampala, der Legende nach in einer Bar, ein Lesbenprojekt zu gründen. Es soll „strictly lesbian“ sein und den täglichen Übergriffen und Anfeind- ungen etwas entgegen- setzen. Freiheit und Freizügigkeit für Lesben in Uganda, fordern sie, entsprechend auch der Titel des Projektes „Freedom and Roam Uganda“. Ein Wunder, dass es FARUG sieben Jahre später immer noch gibt. Ssenfuka Warry, Aktivistin und Mitarbeiterin von FARUG, berichtete auf Einladung der Hirschfeld-Eddy-Stiftung am Montag im LSVD Berlin-Brandenburg über ihre Arbeit.

Sich für LGBTI-Rechte zu engagieren, das ist in Uganda keine leichte Entscheidung, denn wer offen lebt, muss sich auf einen Alltag in ständiger Gefahr und jenseits der üblichen sozialen Bezüge einstellen. „Wir werden angegriffen, angefeindet, von unseren Familien verstoßen und aus den Wohnungen geworfen“, schildert Ssenfuka. Erst in der letzten Woche ist sie wieder überfallen worden, der Finger an der linken Hand zeigt noch die Verletzung, den angeschlagenen Zahn konnte sie gerade noch retten. „In jeder Revolution gibt es Menschen, die ihr Leben für die Idee geben“, sie sei an die Bedrohung gewöhnt.

Konzentriert und ernst ist die Stimmung als Ssenfuka über ihr bemerkenswertes Engagement berichtet. Etwa 40 Lesben sind Mitglied bei FARUG, daneben viele, die dazu gehören, aber immer anonym bleiben wollen, weil es zu gefährlich ist. Jeden Freitag treffen sich die Aktivistinnen, die sich als Revolutionärinnen für ein neues, freies Uganda verstehen, um sich gegenseitig zu stärken. Fassungslos hören wir ihre Berichte über Vergewaltigungen, die die Lesben mit HIV infizieren, die Abtreibungen danach, aber auch über die Kinder, die ausgetragen werden und glücklicherweise nicht positiv sind.

Das größte Problem sind Unwissenheit und Vorurteile. Permanent wird unterstellt, die Aktivistinnen und Aktivisten wollten die Kinder aus Schulen und Kindergärten wegrekrutieren und sie homosexuell machen. „In Uganda wird geglaubt, Homosexualität sei im Westen erfunden worden“, so Ssenfuka. Gerade in den abgelegenen Landstrichen, in denen nur regionale Dialekte und nicht die Landessprache Englisch gesprochen wird, sind alle fest von diesem Irrsinn überzeugt. FARUG hat deshalb ein Forschungsprojekt zur vorkolonialen Existenz von Homosexualität gestartet, die Frauen hoffen, für die Aufarbeitung und Publikation der Ergebnisse eine Förderung zu bekommen.

Die Projekte von FARUG werden von internationalen Frauen- oder LGBT-Stiftungen finanziert. So auch die Hate No More Kampagne, sie richtet sich gegen hate crimes und mediale Tötungsaufrufe. Auf Postern, die in Nachtaktionen in verschiedenen Orten des Landes aufgehängt wurden, wird auf die Hotline für Beratung oder medizinische Hilfe von LGBTI oder Infos für Angehörige aufmerksam gemacht. Es ist gelungen, öffentliche Aufmerksamkeit zu bekommen.

Seit 2009 werden allerdings die meisten Energien durch den Kampf gegen das Anti-Homosexualitäts-Gesetz gebunden. Auch in dieser Legislaturperiode steht es wieder auf der Tagesordnung, zuletzt am 7. Februar. Dem Initiator David Bahati ist es gelungen, eine breite Koalition für die Verschärfung der Gesetze zu bekommen. „Wir sagen den Leuten, dass das Gesetz alle betrifft. Wenn Du zum Hass aufrufst, rufst Du womöglich zum Hass gegen deine Lehrerin, deine Eltern, deine Geschwister auf. Denn überall gibt es Lesben und Schwule.“ Aber die Stimmung sei gegen sie, die Parlamentarier scheinen sich einig zu sein, dass es hier darum geht, sich gegen westlichen Einfluss zu verteidigen.

Internationale Solidarität ist hilfreich, gerade auch der diplomatische Druck unterstützt die Aktivistinnen und Aktivisten. Die Kappung von Entwicklungshilfe würde allerdings alles nur noch viel schlimmer machen. „Wir brauchen die Hilfe, die HIV-Projekte und die Gesundheitsangebote“, so Ssenfuka. „Wenn die finanzielle Unterstützung aus dem Westen wegbricht, fällt das alles auf uns zurück. Viel wichtiger ist es, dass Euer Außenminister und die Botschaften Druck machen. Denen hört man eher zu als uns.“

Renate Rampf, Hirschfeld-Eddy-Stiftung

Links:

Petition/Brief an den Premierminister von Uganda von Queeramnesty



Teile diesen Beitrag:

Eine Antwort auf „Das größte Problem sind Unwissenheit und Vorurteile.”“