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Dekolonialisierung im Diskurs — Queere Perspektiven auf Dekolonisierung in Afrika

Panel, Foto: Hirschfeld-Eddy-Stiftung

Im Rahmen des African Book Festivals 2024, das Ende Juni in Berlin stattfand, diskutierten Stella Nyanzi aus Uganda, Khanyisa Mnyaka aus Südafrika und Bisi Alimi aus Nigeria über dekoloniale Ansätze zu Verbindungen von Politik, Glaube, Kunst und queerer Liebe. Der von Celia Parbey moderierte Austausch wurde in Kooperation mit der Hirschfeld-Eddy-Stiftung im Rahmen des Projekts „Kulturen und Kolonialismus“ realisiert.

In diesem Blog-Beitrag werden zentrale Diskussionspunkte vorgestellt. Sie erweitern die Auseinandersetzung, die mit einem Webtalk zu queeren Kolonialerfahrungen im März 2024 begonnen und mit einem Webtalk zu dekolonialen und entwicklungspolitischen Kontexten in Ruanda und Namibia im April 2024 fortgesetzt wurde.

Folgen kolonialer Zerstörungen von Berlin aus

Stella Nyanzi, promovierte Medizinanthropologin, feministische Autorin und queere Aktivistin, die als politisch Verfolgte nach Gefängnishaft und anschließenden Morddrohungen inzwischen als PEN-Stipendiatin im Rahmen des Writers-in-Exile-Programms in Deutschland lebt, erläuterte ausführlich ihren Standpunkt und ihre Forderungen zur Dekolonialisierung.

Sie stellte klar: “Die heute verbreiteten Hierarchien entmenschlichen. Das betrifft das Schwarzsein, alternative Gender und sexuelle Orientierungen sowie Armut. Aber wir sind Menschen. Es ist schrecklich, dass wir immer wieder daran erinnern müssen. Das Problem ist die Institutionalisierung, die Politisierung und Instrumentalisierung der Menschlichkeit als Unterdrückungs- und Unterwerfungstechnik, beispielsweise durch homophobe Gesetze. Wir sind hier in Berlin, dem Schleudersitz der kolonialen Grenzziehungen in Afrika und deren Folgen bis heute. Von Berlin aus wurde Afrika zerstört und zerstückelt.“ [gemeint ist die Kongo-Konferenz 1884/85 in Berlin] Nachkoloniale Staaten und deren Namensgebungen würden letztlich auf damalige Unterteilungen kolonialer Mächte zurückgehen. Diese Kolonisierung sei weiterhin prägend.

Daran anknüpfend erklärte Stella Nyanzi basierend auf ihrer wissenschaftlichen Expertise: Auch heutige Gesetze seien ein Erbe des Kolonialismus, beispielsweise das britische Common Law in anglophonen Ländern, die französische Prägung der Gesetzgebung in frankophonen Ländern, die portugiesische Prägung in lusophonen Ländern. Demgegenüber wurden vorkoloniale Rechtsgrundlagen im Rahmen einer Hierarchisierung als Customary Law bezeichnet und abgewertet, was unter dem Einfluss christlicher Missionare auch lokale heterosexuelle Eheformen und sexuelle Praktiken betraf.

Stelle Nyanzi, Foto: Hirschfeld-Eddy-Stiftung

Koloniales Erbe – homophobe Gesetze

Hinsichtlich homophober Gesetze gab die ugandische queer-feministische Aktivistin Stella Nyanzi zu bedenken, die europäischen Kolonialmächte hätten zusätzlich zur Bibel, zu Missionsschulen, in denen Englisch gesprochen wurde, zur Waffengewalt und neuen Rechtssystemen auch homophobe Gesetze gebracht. Diese seien also keineswegs neu und nicht nur in Afrika anzutreffen: „Auch in Europa gibt es homophobe Gesetze.“ Deshalb kritisierte sie: „Wenn Ihr meint, es seien neue Gesetze, weigert Ihr Euch, Geschichte zu verstehen und die Kontinuitäten zu sehen.“

Zudem unterstrich sie: „Die Anti-Gender‑, die Anti-Queer- und Anti-Trans-Bewegungen sind auch in den USA, in Europa, in europäischen Nachbarländern und hier in Berlin aktiv. Homophobie ist nicht nur ein afrikanisches Problem. Problematisch ist vielmehr, wie wir über Differenz und Menschlichkeit denken. Diversität muss anerkannt werden. Wir sind alle Menschen, aber verschieden.“

Zwischen Radikalität und Reformen

So nahm sie auf globale Diskurse in der Auseinandersetzung mit Dekolonialisierung Bezug und kritisierte die fortwährenden Hierarchien, die Afrikaner*innen, vor allem queere, schwarze und arme Menschen, immer noch auf die unterste Stufe stellen. Sie forderte die Historisierung heutiger Gesetze und Strukturen, etwa in der Regierungspolitik. Sie wies auf konkurrierende Standpunkte hin: Radikale, die alles niederbrennen wollen, auch wenn sie nicht wissen, wie ein nach- oder dekoloniales Afrika aussehen kann, und Reformansätze, die auf Veränderungen innerhalb der Strukturen ausgerichtet sind und was angesichts des mächtigen Kolonialismus rückgängig gemacht werden kann. Sie unterstrich: „Wir sind Teil des Systems, das wir nicht niederbrennen wollen. Wir als Intellektuelle müssen darüber nachdenken, was wir wie tun in unseren Kämpfen, wie wir uns restrukturieren und Afrika reimaginieren.

Kolonialismus und Unterdrückung müssten auch im eigenen Denken verweigert werden. Das beträfe bereits die Namensgebung an Kinder, also die Last christlich geprägter Vornamen. Zudem sei die englischsprachige Konversation, wie auf dem Podium zwischen Redner*innen aus Nigeria, Südafrika und Uganda, und dem deutschsprachigem Publikum, kolonial. Diese Auswirkungen des Kolonialismus müßten überwunden und Gemeinschaft sollte neu aufgebaut werden.

Außenpolitik dekolonisieren

So forderte die überzeugte Aktivistin Stella Nyanzi: „Wir müssen uns selbst definieren; unabhängig davon, wo wir gerade sind. Wir haben eine große Geschichte, auf die wir uns berufen können, vor allem auf unsere Vorfahren als Kämpfer*innen – Frauen, Männer und queer. Wir müssen Ubuntu entkolonisieren.“ Und wer nicht wisse, was Ubuntu bedeutet, sollte sich selbst informieren. Sie verlangte ein Wissenslevel – also mindestens Grundkenntnisse, bevor jemand zu Afrikaveranstaltungen komme, denn sie werde keine Lehrstunden über solche Begriffe geben.

Vielmehr stellte sie klar: „Wir müssen uns homophobem Paternalismus verweigern, der beispielsweise Ubuntu durchdringen oder aneignen will. Ubuntu gehört zu queeren Menschen und Feministinnen, zu allen Jugendlichen aller Hautfarben in Afrika. Beendet die Bevormundungen! Wir sind Menschen, definiert nicht Afrika für uns! An alle Autor*innen, alle Poet*innen, alle Musiker*innen, alle Denker*innen jenseits des Mainstreams: Kommt an die Verhandlungstische. Wir treten durch Buchfestivals wie dieses in die Verhandlungsräume ein. Lasst uns über die Gender-Politik sprechen, die Deutschland in Afrika, Asien und Lateinamerika durchführt. Lasst die schwarzen Lesben an diese Verhandlungstische! Und auch die schwarzen Trans-People, alle schwarzen binären und nicht-binären Männer! Bringt uns an diese Tische, wir können für uns selbst sprechen. Eure Außenpolitik ist für uns bedeutungslos, irrelevant und obsolet. Dekolonisiert Eure Außenpolitik!

Queere Schwarze Menschen in die deutsche Außenpolitik

Im Kontext der Außenpolitik sollten queere Afrikaner*innen als Menschen auftreten, die sich selbst heilen, beispielsweise durch Kunst und Literatur. Ermutigend forderte Stella Nyanzi junge Menschen aus afrikanischen Ländern wie aktuell Kenia, aus der Diaspora, Afrodeutsche und schwarze Briten auf, eine eigene Sprache zu entwickeln und neue Stärke zu zeigen, da die früheren Kolonisatoren ein bestimmtes Bild von ihnen konstruiert hätten.

Neue kritische Standpunkte seien notwendig, denn in Folge kolonialer Interventionen würden insbesondere afrikanische Queers vor Ort entmenschlicht und angefeindet als Kriminelle, Geisteskranke, von Dämonen besessen, als HIV-positiv und unafrikanisch.

Zudem prangerte sie die in etlichen Ländern anzutreffende Unterstellung an, die Förderung queerer Freude und Lebensbedingungen sowie queeren Organisierens sei eine Form des Imperialismus. Demgegenüber würden Demonstrationen lokaler Frauenorganisationen, die UNIFEM, die frühere UN-Abteilung für Frauenförderung, finanziell unterstützt hatte, von Kritikern vor Ort aber nicht als imperialistisch eingestuft.

Bevormundung in der Förderung beenden

Stella Nyanzi kritisierte sehr deutlich die Hierarchien und die fortgesetzte koloniale Problematik in der Fördergeldvergabe (Funding) an queere Organisationen: „Das Funding ist wichtig. Doch wenn wir über Dekolonisierung unserer Bewegungen und über unsere Arbeit sprechen, thematisieren wir selten die Geber und die Stiftungen. Aber wir müssen das Funding dekolonisieren. An alle Geber, also auch hier versammelte Vertreter von Stiftungen und Regierungen: Wenn Ihr queere Menschen an Orten wie diesen zusammenbringt, um über Dekolonisierung zu sprechen, denkt darüber nach, wie Ihr Queerness in Afrika fördert, wie Ihr die Bewegungen adressiert und wahrnehmt. Gebt uns das Geld, die Ressourcen und lasst uns tun, was wir tun müssen. Hört auf, uns paternalistisch zu patronisieren.“

Instrumentalisierung homofreundlicher Empathie

Bisi Alimi, Foto: Hirschfeld-Eddy-Stiftung

Bisi Alimi, der sich als erster Homosexueller im nigerianischen Fernsehen outete, viele Jahre in der HIV-Prävention tätig war und nach Morddrohungen inzwischen in Großbritannien lebt, reflektierte über Queersein in Afrika. Diesbezüglich erwähnte er die intellektuell unhaltbare Behauptung, es gäbe keine Homosexuellen in Afrika, was er als Ausdruck kolonialer Gehirnwäsche bewertete. Denn die Lokalsprachen enthielten Worte für Queerness. Der Politikwissenschaftler Alimi teilte auch seine Erfahrungen mit unzutreffenden Annahmen in Europa, beispielsweise als Gastdozent an Berliner Universitäten. Er verwies auf die Auswirkungen des Weißseins als Konzept: „Damit die Kolonisatoren Afrika kontrollieren konnten, stellten sie sicher, ein System und eine Ideologie zu schaffen, das ihre Superiorität bestätigte. Dazu nutzten sie die Religion: Jesus aus Palästina, aber weiß mit blauen Augen und blond. So entstand der Glaube, der Gott der Weißen sei superior. Die Weißen schufen ein System der Superiorität durch Religion, Sklaverei und Grenzziehungen; diese erfüllten den Zweck, afrikanische Völker aufzuteilen und zu kontrollieren.“

Wirtschaftliche Ausbeutung

Er prangerte auch die damit verbundene koloniale Sprachenpolitik und die fortgesetzten machtpolitischen und wirtschaftlichen Verflechtungen an: „Wir schauen nun auf die DR Kongo und betrachten die Kongolesen als Barbaren, aber keiner zieht die Belgier zur Verantwortung. Wir kennen die Bedeutung von Land. Land ist Macht und Kontrolle über Ressourcen. In der DR Kongo wurde die Illusion geschaffen, die Kongolesen würden das Land besitzen. Während den Kongolesen erzählt wurde, sie seien politisch unabhängig, kamen die internationalen Konzerne und erhielten die Kontrolle über die Ressourcen.

Und falls dann eine Regierung sich für ihre Bürger*innen einsetzt, wird von außen, vom Westen, interveniert nach dem Motto eines Witzes: ‚In Uganda wurde Gold gefunden. Es ist an der Zeit, Ugander vor Diktatoren zu schützen.’ Das ist die Außenpolitik des Westens. Sobald man mineralische Ressourcen entdeckt, werden die Politiker eines Landes dämonisiert. Dann kommt der Westen und will Dich retten. Somit sind der auf den ersten Blick empathische Ansatz und das Vorgehen gegen Homophobie in Afrika in höchstem Maße heuchlerisch. Denn solche Unterstützer interessieren sich nicht wirklich für uns. Es geht nur um das Plündern natürlicher Ressourcen. Gleichzeitig werden die Regierungen afrikanischer Länder für die Homophobie kritisiert. Dazu ein Beispiel: Warum wird Uganda wegen des Anti-Homosexuellen Gesetzes wirtschaftlich sanktioniert und nicht Nigeria? Denkt darüber nach!”

Notwendigkeit politischer Änderungen

Zudem führte der queere Aktivist Bisi Alimi aus, es sei zu einfach, nur den Kolonialismus als Problemursache zu betrachten, beispielsweise auch für die Ausweitung der homophoben Pfingstkirchen aus den USA. Schließlich seien afrikanische Länder seit über sechzig Jahren politisch unabhängig. „Solange wir nicht die Verantwortlichen für die Gesetzesverschärfungen beim Namen nennen, werden sie nicht zur Rechenschaft gezogen. Lasst uns also denjenigen, der in Ghana den Gesetzesentwurf eingebracht hat, namentlich nennen, damit auch seine Kinder und Enkel, wissen was er getan hat.

In Nigeria betrifft das den Name der Senatorin, die das homophobe Gesetz (Same Sex Marriage Prohibition Act, 2014) gesponsert hat und später First Lady wurde. Sogar während Wahlen wird darüber nicht gesprochen. Mich betrifft das aber. Wenn ich 14 Jahre ins Gefängnis muss und danach wieder herauskomme, bin ich noch immer queer. Muss ich dann wieder ins Gefängnis? Welche Logik steht hinter dem Gesetz? Wie kommen solche Politikerinnen und Politiker zu ihren Posten und höchsten Ämtern, das muss man nachverfolgen, auch wenn das Geld von rechtsradikalen evangelikalen Bewegungen aus Europa oder von rechtsradikalen Islamisten aus der Arabischen Welt kommt. Sie haben Absichten, wem sie politische Macht geben wollen, um ihre Interessen durchzusetzen. Darüber müssen wir sprechen, wir queere Menschen und unsere Allianzpartner*innen. Dafür müssen wir uns koordinieren. Und wenn wir westliche Fördergelder bekommen, dann lasst uns diese nutzen, um Menschen in Positionen zu bringen und das Erbe des Kolonialismus zu dekolonisieren.“

Absurde Fördervorschriften

In diesem Zusammenhang kritisierte Bisi Alimi die restriktiven und absurden Bedingungen, an die Fördergelder für queere Arbeit gebunden sind. Wenn er beispielsweise einen Politiker zum Abendessen einlade, um ihm zu erläutern, wie das Anti-Homosexuellen-Gesetz sich auf sein Leben auswirke, würden ihm die Geber sagen: „’Versprich, dass Du das Geld nicht für politisches Lobbying ausgibst’. Aber wie soll ich etwas verändern, wenn ich nicht Lobbyarbeit gegenüber Politikern betreibe, damit sie die Regeln ändern. Dann bekomme ich [von den Gebern] zu hören, das dürfe ich nicht. Gleichzeitig soll ich Wirkungen belegen, den Wandel dokumentieren. Wir müssen also viel verändern, uns koordinieren und uns kritisch mit Politik auseinandersetzen.“

Im übergeordneten Sinn und mit Bezug auf Weißsein argumentierte er: „Wir können nicht Afrika dekolonisieren. Ein Teil des frankophonen Afrikas ist noch immer in Frankreich. Unsere Währung ist an US-Dollar ausgerichtet. Wie definieren wir ein postkoloniales Afrika?“ Seine Reflexionen beendete er mit offenen Fragen, wie Korruption, Steuerflucht, Armut und Ungleichheit oder Mängel im Gesundheitssektor überwunden werden könnten, die Folge des Fehlverhaltens heutiger Politiker seien, was eine isolierte Forderung zum Dekolonialismus nicht erfassen würde.

Khanyisa Mnyaka und Stella Nyanzi, Foto: Cornelia Sperling

Widersprüche in Südafrika

Khanyisa Mnyaka, Psychologin, Autorin und Coach aus Südafrika, die inzwischen in den USA lebt und arbeitet, erläuterte, sie habe sich akademisch damit auseinandergesetzt, dass Homophobie unafrikanisch sei. Damit meinte sie die institutionalisierte Homophobie. Sie forderte mehr selbstkritische Reflexionen und unterstrich, wie wichtig es diesbezüglich sei, die koloniale Gewalt und die daraus resultierenden Einschüchterungen der lokalen Bevölkerung zu berücksichtigen, um die Übernahme westlicher Vorgaben und Gesetze zu verstehen: „Die Weißen kamen mit Waffen und Messern und schürten Angst.“ Sie gab zu bedenken, dass in den USA, die sich als weltweit führend und als fortschrittliches Land mit unbegrenzten Möglichkeiten vermarkten, Proteste gegen die Ausweitung von Anti-Abtreibungsgesetzen notwendig seien. „Gleichzeitig nennen sie uns “savages/Wilde” und sie dänomisierten uns. Aber die gleichen Dinge geschehen hier [in den USA].“ Der Westen habe immer ein verzerrtes Selbstbild und dementsprechende Selbstdarstellungen in der Welt.

Zur Übernahme westlicher bzw. kolonialer Normen und Gesetze sagte Khanyisa Mnyaka: “Mich interessiert: Wie wir als Afrikaner*innen die Strukturen und Botschaften in unseren Regierungen und Institutionen fortsetzen. Es gibt korrektive Vergewaltigungen. Wo bleibt die Rechenschaft [wer wird zur Rechenschaft gezogen]? As queere Südafrikanerin, die nicht in Südafrika lebt, sehe ich queere Afrikaner*innen, die nach Südafrika gekommen sind, um ‚einen sicheren Ort zu finden und so zu sein, wie sie sein wollen’. Wir können in Gesprächen zelebrieren, wie progressiv wir sind und dass wir sichere Orte schaffen. Aber es ist nicht leicht, in Südafrika queer zu sein. Ich war für einen Monat zu Hause. Als ich meine Großmutter besuchte, sagte sie auf Xhosa: ‚Es ist hier nicht sicher für Dich. Sie bringen hier Menschen wie Dich um.’ Das ist die Angst meiner Familie. Wir können also Südafrika mit der Fassade des Fortschritts darstellen, aber die Grundstrukturen sind nicht so. Wir müssen weiterhin den Kampf als queere Afrikaner*innen fortsetzen. Kennt Ihr Audre Lorde, die ‚Lord/Adelige’ der Lesben? Sie spricht über – ich paraphrasiere: ‚Wir können nicht mit den Werkzeugen des Herren dessen Haus einreißen.’ Wenn ich in Diskussionen über Dekolonisierung nachdenke, muss ich feststellen: Wir funktionieren noch immer im gleichen System. Wir haben Angst, das System komplett zu zerstören. Schaut nach Südafrika. Es gibt dort keine Post-Apartheid. Es sind weiterhin die gleichen Systeme nur mit schwarzen Menschen darin. Wir sind noch immer kolonisiert. Wir versuchen aus dem alten Mist etwas Neues aufzubauen. Doch das funktioniert nicht. Wenn wir sagen: ‚Zerstört das System’, was bedeutet das?“

Insgesamt brachte diese Diskussion viele offene Fragen, kritische Selbstreflexionen und fundierte Erklärungen komplexer Probleme im Kontext von Kolonialismus und Dekolonisierung auf den Punkt. Sie führte zu weiteren Panels im Rahmen des African Book Festivals, beispielsweise zur gezielten Erörterung des Verhältnisses von christlicher Religion, Politik und Sexualität.

Rita Schäfer
freiberufliche Afrikawissenschaftlerin

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Projektwebsite

Eine Information im Rahmen des Projekts „Kulturen und Kolonialismus - Der Kampf um die Menschenrechte von LSBTIQ* im Licht der Debatte um Dekolonisierung“ der Hirschfeld-Eddy-Stiftung.

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