Interview mit der Alina Skrzeszewska, Regisseurin von Game Girls
Wie sind sie auf die Idee zum Film gekommen?
Im Grunde entstand die Idee bereits während der Dreharbeiten für meinen letzten Film. Ich wohnte in den Jahren 2007/2008 in einem sogenannten SRO (Single Room Occupancy) Hotel in der Skid Row Gegend in Los Angeles. Der Film, den ich damals drehte, porträtierte meine Nachbarn, und diese waren hauptsächlich Männer. Daher wurde der Film ein Film über Männer (Songs from the Nickel, 2010). Ich wollte damals bereits einen weiteren Film drehen, diesmal über Frauen in Skid Row. Es dauerte dann aber ein paar Jahre, bis alles soweit war, dass ich mit Game Girls loslegen konnte. Ich suchte nach einem neuen Ansatz. Den fand ich dann ich dann in der Idee, einen Workshop in der Gegend zu organisieren.
Warum der Titel „Game Girls“?
Das ist etwas schwierig auf Deutsch zu erklären. “Game” heisst in der Übersetzung “Spiel” und kann im Amerikanischen viele unterschiedliche Bedeutungen annehmen. Im Grunde geht es beim “Spiel” hier ums Überleben. Diejenigen, die durch die Regeln des Spiels von vornherein benachteiligt werden, sind sich im Klaren darüber, dass sie sich innerhalb eines Spieles bewegen. Sie wissen, dass sie kreativ sein müssen, um zu überleben. Diejenigen, die die Regeln machen, meinen vielleicht gar nicht, dass es sich um ein Spiel handelt; alles scheint für sie ganz naturgegeben. Das Drogen-“Spiel” auf der Straße spielt in die Bedeutung mit hinein, aber “game girls”, das sind für mich letztendlich Frauen, die trotz aller Widerstände “am Ball bleiben”: die also nicht aufgegeben haben.
Was sind das für Frauen, die Sie in Ihrem Film dokumentiert haben? Was hat Sie an ihnen am meisten beeindruckt?
Als weiße Frau, die innerhalb eines patriarchalischen Systems aufgewachsen ist, habe ich sehr häufig und von Anfang an durch Männer Zugang zu Ressourcen bekommen. Erst später wurden die Ressourcen von Frauen für mich wichtig. Was mich an Teri und Tiahna und vielen anderen Frauen, die ihnen ähnlich sind, interessiert, ist ihre absolute Selbständigkeit als Frauen. Sie leben ohne Sicherheitsnetz, ohne Hilfe, und mit von der Gesellschaft extrem amputierten Möglichkeiten, aber sie überleben trotzdem. Sie halten an ihrer Hoffnung fest und haben Humor. Sie haben gelernt, kreative Wege zu finden, ihr Leben selbstbestimmt so zu gestalten, wie sie es wollen, auch wenn ihre Ressourcen klein sind. Die Umstände, unter denen sie leben, sind inakzeptabel, aber sie selbst sind stark und voller Schönheit. Bunte Paradiesvögel, die von der Freiheit singen. Sie leben mit voller Kraft und können in keinen Käfig gesteckt werden.
Wie hat der Workshop auf das Leben der Frauen beeinflusst?
Für die Frauen, die es schafften das Angebots des Workshops für sich zu nutzen, hatte er einen sehr bedeutenden Einfluss. Eine Kerngruppe kristallisierte sich nach einiger Zeit heraus. Der Workshop gab den Frauen die Möglichkeit, Teil eines größeren Ganzen zu sein, mit einem positiven Ziel. Diese Teilnahme war selbstbestimmt. Innerhalb des Workshops konnte jede Frau sein, wie und wer sie wollte. Einige der Frauen nahmen das ganz buchstäblich und nahmen für den Workshop andere Namen an. Die Erfahrung war identitätsstiftend und bewegte viel, und hatte sicherlich auch eine therapeutische Wirkung. Auch für uns hinter der Kamera im Übrigen. Wir haben so vieles zusammen erlebt. In dem Workshop wurde sogar ein ganzes Theaterstück geschrieben und inszeniert, und später an mehreren Orten aufgeführt. Der Workshop bekam sehr viel mehr als ein Teil des Filmes. Er wurde zu einer Art Zuhause. Die Kerngruppe ist übrigens noch immer sehr eng miteinander verbunden. Wir sind eine Art “Schwesternschaft”? (Sisterhood) geworden.
Wie haben sich der Regierungswechsel und die Präsidentschaft Trumps auf die Frauen ausgewirkt?
So ganz direkt bisher im Grunde gar nicht. Die Leben dieser Frauen spielen sich sehr weit weg vom Mainstream ab. Einige der Frauen wählen, die meisten aber nicht. Das Sozialsystem, in dem sich die Frauen bewegen, ist außerdem zum größten Teil lokal geprägt. Die kalifornischen Regeln und Gesetze sind in gewisser Weise für das alltägliche Überleben wichtiger als die nationalen Gesetze. Das Ergebnis der Wahl war auch für viele der Frauen — im Gegensatz zu weißen Liberalen, die Zeitungen wie die New York Times lesen — keine wirkliche Überraschung. Warum? Weil die Frauen genau wissen, dass die USA von Anfang an und noch immer auf Rassismus aufgebaut sind. Dass Trump’s Slogans nach acht Jahren Obama ein Echo gefunden haben, war daher für sie recht einleuchtend.
Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg.