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Do something – Hauptforderungen von Hirschfeld-Eddy-Stiftung und Yogyakarta-Allianz zur Umsetzung des LSBTI-Inklusionskonzeptes

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Es ist schon mehr als eineinhalb Jahre her: Am 3. März 2021 hat das Bundeskabinett das „LSBTI-Inklusionskonzept der Bundesregierung für die Auswärtige Politik und Entwicklungszusammenarbeit“ verabschiedet. Die Bundesregierung verpflichtet sich damit, den Schutz der Menschenrechte von LSBTI-Personen zum integralen Teil der Auswärtigen Politik und Entwicklungszusammenarbeit (EZ) zu machen. International wird das Dokument als vorbildlich angesehen.

Der Stand der Umsetzung ist schwierig zu ermitteln. Ein Monitoring des Konzepts ist nach drei Jahren, also am Ende der Lesgislaturperiode, vorgesehen. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat nach eigenen Angaben über die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) die Aktivitäten für die Zielgruppe verstärkt. LSBTI-inklusive Projekte in Lateinamerika, Asien und Afrika werden unterstützt und Studien z.B. von Outright International und ein ILGA World Fonds gegen Covid und Hassrede werden z.B. finanziert. Das Auswärtige Amt verweist darauf, die Mittel im Menschenrechtsfonds erhöht und das Engagement der Auslandsvertretungen verstärkt zu haben. LSBTI-Organisationen können dadurch über die Botschaften Projekte beantragen. Das ist ein wichtiger Schritt nach vorn, aber noch lange nicht genug. Deshalb hier nochmal zur Erinnerung die Hauptforderungen von Hirschfeld-Eddy-Stiftung und Yogyakarta-Allianz:

Das BMZ muss eine Projektgruppe zur Umsetzung des LSBTI-Inklusionskonzepts einrichten! Diese Projektgruppe muss insbesondere das Konzept bekannt machen und dafür sorgen, dass alle Abteilungen und Fachreferate ihren Beitrag dazu leisten. So müssen beispielsweise bei den internen Fortbildungen des BMZ zum Qualitätsmerkmal Menschenrechte immer auch das LSBTI-Inklusionskonzept und die LSBTI-Themen eingebunden werden. Die Durchführungsorganisation GIZ ist schon mit gutem Beispiel vorangegangen und hat spezifische Veranstaltungen auf Spanisch für den lateinamerikanischen Raum angeboten. Die Projektgruppe muss insbesondere auch die Abstimmung mit der Zivilgesellschaft und vor allem mit LSBTI-Organisationen in den Fokus rücken.

Nur eine enge Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft ist eine echte Umsetzung des Do-no-harm-Ansatzes: So wird es möglich abzuschätzen, was notwendig ist und wirklich LSBTI stärkt. Da gibt es auch keine Ausreden, denn LSBTI sind in jedem Land und in jeder Gesellschaft zu finden. Das BMZ muss sich proaktiv um Kontakte bemühen, gerne können wir auch welche vermitteln.

Die deutsche Missionsgeschichte und unsere zu oft verdrängte Kolonialgeschichte müssen kritisch reflektiert werden. Auf Drängen der Hirschfeld-Eddy-Stiftung (HES) und der Yogyakarta-Allianz heißt es entsprechend im Inklusionskonzept:„Lokale Geschichte, Lebensberichte und Traditionen von LSBTI-Personen, einschließlich einschlägiger Aspekte der Missions- und Kolonialgeschichte sind wesentliche, zu berücksichtigende Aspekte“. Das ist vielleicht leichter gesagt als getan. Deswegen sollte sich mit der Frage, was es konkret in der praktischen Arbeit bedeutet, auch die Projektgruppe (siehe oben) beschäftigen.

Keine Beteiligung an Verfolgung und Stigmatisierung: Es muss sichergestellt sein, dass staatlich finanzierte Entwicklungszusammenarbeit keine staatlichen Gelder an Organisationen vergibt, die an der Verfolgung und Stigmatisierung von LSBTI* beteiligt sind. Das muss auch für die Projekte der GIZ und beispielsweise kirchliche EZ-Organisationen gelten, die mit Steuermitteln arbeiten. Das Inklusionskonzept muss in allen Ministerien bekannt sein. Auch das ist eine Aufgabe, die die Projektgruppe im BMZ übernehmen sollte.

Shrunk-Space-Update“ für die Förderregularien des BMZ: Die Anforderungen an Beantragung, Berichterstattung und die Höhe des Eigenanteils sind zu komplex und bürokratisch. Die Bürokratie ist erdrückend. Kleine NGOs hier in Deutschland haben de facto keine Möglichkeit, Projekte zu beantragen; die Anforderungen etwa an den Eigenanteil sind illusorisch. Dabei müssen gerade diese kleinen Gruppen einbezogen werden, denn sie sind es, die die Kontakte zu der LSBTI-Community in den Partnerländern haben. Dazu kommt, dass das BMZ als Partnerorganisation in den Ländern nur registrierte NGOs akzeptiert. Das ist wie ein schlechter Witz: LSBTI-NGOs können sich in Ländern, die ihre Existenzen kriminalisieren, überhaupt nicht registrieren. Um zivilgesellschaftlichen Handlungsräume in autoritären Staaten zu stärken, muss das BMZ die Vergabepraxis reformieren. In Zeiten von Shrinking Spaces braucht es ein Shrunk-Space-Update.

Dazu gehört auch die gezielte, unbürokratische und nachhaltig strukturelle Unterstützung kleiner LSBTI-Organisationen aus dem Globalen Süden und Osten. Das BMZ muss einen Fonds für Menschenrechtsverteidiger*innen auflegen. Insgesamt gilt: Die Umsetzung funktioniert nur mit einem entsprechend strukturierten Auftrag. Das BMZ braucht ein Umsetzungsvorhaben für die LSBTI-Inklusionsstrategie, die das Ganze auch finanziell unterlegt.

Wir brauchen mehr und bessere Projekte mit LSBTI* in allen Partnerländern, und mit der LSBTI-Inklusionsstrategie ist das realisierbar! Please do more!

Sarah Kohrt
Projektleitung Hirschfeld-Eddy-Stiftung, Koordination Yogyakarta-Allianz

Dies war Thema beim Panel 2 der Konferenz „Do no harm – but do something: Internationale Projektarbeit für LSBTI stärken!“ am 3. November 2022. Zur Konferenzdokumentation geht es hier

Links:

  • PM des LSVD zum Queeren Aktionsplan der Bundesregierung hier (18.11.22)
  • BMZ muss Projektgruppe zur Umsetzung des LSBTI-Inklusionskonzepts einrichten! Die Hirschfeld-Eddy-Stiftung, die Dreilinden gGmbH und filia.die frauenstiftung fordern die Einrichtung einer „Projektgruppe Umsetzung des LSBTI-Inklusionskonzeptes“ im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
    BMZ). Pressemitteilung vom November 2021
  • Vorschläge und Fragen der Yogyakarta-Allianz zur Umsetzung des LSBTI-Inklusionskonzepts der Bundesregierung Arbeitspapier, Dezember 2021
     
  • Endlich ist es da! LSBTI-Inklusionskonzept der Bundesregierung für die Auswärtige Politik und Entwicklungszusammenarbeit veröffentlicht (Artikel mit Presseschau und weiterführenden Links, April 2021)
  • Video: Sven Lehmann, Queerbeauftragter der Bundesregierung und Jessica Stern, US-Sonderbeauftragte zur Förderung der Menschenrechte von LSBTIQ*-Personen beim Talk in der US-Botschaft am 14.10.2022.

Ein Beitrag im Rahmen des ProjektsDo no harm – Risiken für LSBTI in der internationalen Projektarbeit minimieren“ der Hirschfeld-Eddy-Stiftung. Alle Beiträge im Rahmen des Projekts sind im Blog unter dem Tag „DNH-2022“ zu finden.

BMJ
HES


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