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Ehe für alle?

Frankreichs Kampf um gleiche Rechte

Foto: Guillaume Paumier / Wikimedia Commons, CC-BY-3.0Alle 15 Jahre wird in Frankreich ein neues wichtiges Gesetz zugunsten der LGBT-Community verabschiedet. Die häufigen politischen Machtwechsel der letzten drei Jahrzehnte haben zu den Veränderungen beigetragen. Jede neu gewählte Linksregierung vervollständigt die bisherige Gesetzgebung. 1982 verschwand Homosexualität aus der Liste der strafbaren Delikte. Damit wurde eine jahrzehntelange Diskriminierung beendet. Nach dem Sieg des neuen sozialistischen Premiers Lionel Jospin 1997 wurde der Pacs (Pacte civil de solidarité oder „ziviler Solidaritätspakt“) ins Leben gerufen und zwei Jahre später verabschiedet. Das neue Gesetz war auch eine Antwort auf die AIDS-Epidemie. Viele LGBT-Organisationen wollten mit einem rechtlichen Statut die schwulen Männer, deren Partner Opfer der damals oft tödlichen Krankheit wurden, juristisch schützen.

Von „mariage“ war gar nicht die Rede. Auch viele heutige Befürworter der Eheöffnung lehnten einen solchen Schritt bei der Verabschiedung des Pacs noch ab. Der Zivilpakt gilt – übrigens im Gegensatz zur deutschen Eingetragenen Lebenspartnerschaft – auch für heterosexuelle Paare: diese haben diese „Ehe light“ großzügig für sich in Anspruch genommen. 2010 wurden nur 5% der Pacs unter Schwulen oder Lesben abgeschlossen.

Unter „Ehe light“ versteht man einen leicht kündbaren Vertrag unter Lebensabschnittpartnern. Er beinhaltet aber auch weniger Rechte im Vergleich zum klassischen Vorbild: Während Pacs und Ehe vor dem Finanzamt und den Krankenkassen gleichgestellt sind, ermöglicht der Solidaritätspakt keine Witwenrente und ohne Testament werden die Überlebenden beim Erbrecht benachteiligt.

Obwohl die damalige linke Regierung bei den Debatten um den Pacs übervorsichtig das Wort „Ehe“ vermied und die Akzeptanz mit einer Öffnung für Heterosexuelle erhöhen wollte, sorgte das Gesetz für heftige Polemiken aus dem bürgerlichen, katholischen und rechtsextremen Lager. Eine erzkonservative Abgeordnete zeigte damals als „letzten Schutz vor dem gesellschaftlichen Weltuntergang“ eine Bibel im Parlament, während auf der Straße manche „Schwule verbrennen!“ skandierten. Leider scheinen sich solche Exzesse heute zu wiederholen.

Die Verabschiedung des Pacs sorgte auf Dauer aber auch für mehr Akzeptanz in der Bevölkerung, wie es Umfragen zum Thema Homosexualität bzw. „Homo-Ehe“, besser „mariage pour tous“ oder „Ehe für alle“, zeigen. Das bürgerliche Lager hat nach seinem Wahlsieg im Jahre 2002 den Pacs nicht abgeschafft. In den Jahren danach haben sich nach den Grünen schließlich auch die Sozialisten für eine Öffnung der Ehe ausgesprochen. Ihre Kandidatin Ségolène Royal vermied aber 2007 das Wort „Ehe“ und sprach von „gleichen Rechten“. Der siegreiche Nicolas Sarkozy versprach einen „zivilen Vertrag“, der in den Rathäusern unterschrieben werden sollte. Dieser kam aber nie zustande.

Die Öffnung der Ehe gehörte dagegen zu den 60 Wahlversprechen des Kandidaten François Hollande. Der Gesetzestext wurde bereits vorgestellt und soll Anfang 2013 im Parlament verabschiedet werden. Wie vor rund 15 Jahren sorgt dieses neue Vorhaben für heftige Proteste und extreme Äußerungen. Für manche Konservative ist mit einem solchen Schritt das Ende des Abendlandes vorprogrammiert. Der Weg zur Polygamie, zum Inzest oder sogar zur Zoophilie sei eröffnet. Alle Religionen, angefangen mit den in Frankreich dominierenden Katholiken, machen Front gegen den Text und demonstrieren auf der Straße.

Die Regierung hat sicherlich diesen Gegenwind falsch eingeschätzt. Fakt ist, dass in den Umfragen zwei Drittel der Französinnen und Franzosen eine Öffnung der Ehe befürworten. Aber heikel bleiben die Themen Adoption (rund die Hälfte ist dafür) bzw. künstliche Befruchtung für Lesben. Fakt ist auch, dass es innerhalb des Regierungslagers unterschiedliche Ansichten gibt. Manche möchten schnell auf all diesen Gebieten voranpreschen, während andere, angefangen mit dem Präsidenten und seinem Premier, eher zögerlich sind. Äußerungen von François Hollande im letzten Herbst liefern ein gutes Beispiel für diese  Zögerlichkeit der Sozialisten: Der Präsident sagte, die Bürgermeister können das Recht bekommen, aus Gewissensgründen eine „Homo-Ehe“ nicht abzuschließen. Diese Aussage provozierte einen Sturm der Empörung im linken Lager und bei den LGBT-Organisationen, von einem „Verrat“ war die Rede; sie lieferte den Gegnerinnen und Gegnern des Vorhabens Argumente und zwang den Staatschef 24 Stunden später zu einem peinlichen Rückzieher. Ein gutes Zeichen ist dagegen, dass mittlerweile auch die Befürworter der Eheöffnung zu Hunderttausenden auf die Straße gehen.

Pascal Thibaut
Deutschlandkorrespondent von Radio France Internationale (RFI) und Vorsitzender des Vereins der ausländischen Presse in Deutschland (VAP)



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