Marcos M. Córdoba, Professor für Familienrecht an der Universität Buenos Aires
Dokumentation seines Vortrags auf dem LSVD-Verbandstag
Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare
Eine inhaltliche Untersuchung der Normen des positiven Rechts, die auf dem Territorium der Republik Argentinien gültig sind und waren, zeigt, dass in diesem Land bis zum Ende des letzten Jahrhunderts eine konservative Tendenz des Traditionellen in Bezug auf die Bewertung der familienbezogenen Rechtsverbindungen herrschte. Ein Beispiel dafür ist, dass sie stärker vom Staat geschützt wurden, wenn sie auf der Ehe basierten.
1983 wird die kontinuierliche Aufeinanderfolge der Regierungen, die in ihrer Mehrheit keinen demokratischen Ursprung hatten, abgebrochen. So wurde einem der Auslöser der Legalitätskrise ein Ende gesetzt, denn die gesetzgebende Gewalt begann erneut entsprechend der nationalen Verfassung zu funktionieren. Ausgehend davon entwickelte sich die machtvollste gesetzgebende Bewegung, die zu einer grundlegenden Veränderung der gesetzlichen Regelungen des positiven Rechts im Familienrecht führt. Kurz nach dem Amtsantritt der demokratischen Regierung erlangte das Gesetz 23264/1985 Gültigkeit, das Normen, durch die die Rechte der Familienmitglieder – je nachdem, ob es sich um eine eheliche oder außereheliche Verbindung handelte – missachtet wurden, ein Ende setzte. So erhielten die ehelichen Kinder einen doppelt so hohen Erbanteil wie die außerehelichen. Einige Jahre später, 1987, bleibt Argentinien nicht länger eines der wenigen Länder ohne Ehescheidung. Nur durch diese war eine neue Verbindung gleicher Art möglich.
Diese zwei großen gesetzgeberischen Marksteine hatten bedeutsame Auswirkungen auf den Erneuerungselan der Gesellschaft und führten zur Annahme mehrerer Gesetze zum Schutz der gleichen Rechte von Frau und Mann und zum Schutz der Rechte der Kinder. Es erfolgte auch eine Entwicklung zur Gewährung von Rechten für in hohem Maße schutzlose Kreise der Gesellschaft wie Behinderte und alte Menschen.
Die Rechtsentwicklung berichtigt sich. Im Unterschied zu anderen Veränderungen, die die soziale Evolution nur anerkannten, wenn diese zu allgemeinen Verhaltensänderungen führte, so dass Standards geschaffen wurden, befasst sich der Staat damit, Ungleichheit in Verbindung mit der sexuellen Orientierung der Menschen zu vermeiden. Es kommt zur Inkraftsetzung des Gesetzes über die gleichgeschlechtliche Ehe vom 21. Juli 2010. Diese Veränderung in der Anerkennung von Sozialverhalten stützte sich darauf, dass es diskriminierend ist, wenn die Gesetzgebung bei der sexuellen Orientierung der Menschen eine Differenzierung vornimmt und heterosexuelle Paare stärker schützt.
Es wurde argumentiert, dass Homosexuelle nicht zwischen nichtehelicher Lebensgemeinschaft oder ehelicher Lebensgemeinschaft wählen konnten. Die parlamentarische Debatte, zu der ich die Ehre hatte, eingeladen worden zu sein, um meine Ansichten darzulegen, analysierte die Frage der Rechtsungleichheiten, durch die die sogenannten Gays benachteiligt wurden. In der Republik Argentinien gehörten solche Menschen zu Randgruppen, die unter anderem in der Arbeit ausgegrenzt wurden und denen so der Zugang zu bestimmten Arbeitsplätzen verwehrt war, wie im Falle des Eintritts in eine der Streit- und Sicherheitskräfte. Noch bis in die 90er Jahre konnten sie nicht nur beruflich nicht in deren Dienst treten, sondern trotz Wehrpflicht zur Verteidigung der Heimat waren sie nicht geduldet.
Allgemein gab es keine Normen für eine unterschiedliche Behandlung, jedoch entwickelte sich in der Gesellschaft eine Haltung, die de facto dazu führte. So kam es, dass diejenigen, die sich zu dieser Orientierung bekannten oder sie wahrnehmbar zum Ausdruck brachten, nicht die gleichen Möglichkeiten des Zugangs zu bestimmten Posten und Institutionen hatten.
Bei dieser Behandlung von gesetzgeberischen Fragen führte ich vor dem argentinischen Senat aus, dass jede Form des Zusammenlebens Schutz verdient, das Gesetz jedoch jede davon in Übereinstimmung mit den Merkmalen des Rechtsverhältnisses regeln muss. Angesichts dessen ergibt sich als das Geeignetste, den Einfluss der Willensautonomie auf die Verhältnisse des Zusammenlebens auszuweiten, ohne Rücksicht darauf, ob diese Gemeinschaften auf der romantischen Liebe, der reinen geschlechtlichen Anziehung, der Motivation, einander zu helfen oder einer anderen Motivation basieren. Schließlich ist es nicht die Aufgabe der Regierungen, die Motivationen für private Fragen der Menschen zu erkunden.
Ich schlug daher vor, Gemeinschaften des Zusammenlebens zu regeln, deren einziges gemeinsames Identifizierungsmerkmal die Solidarität sein sollte, denn in der Republik Argentinien ist die Familie rechtlich anerkannt, unabhängig davon, ob es in ihr eine familiäre Bindung, Verwandtschaftsverhältnisse, Zusammenleben gibt oder nicht. Was es aber in ihnen allen gibt, ist für einander da zu sein, weil es das Recht so einfordert.
Die gesetzgebende Körperschaft hielt es für politisch opportun, den existierenden ehelichen Güterstand, der bis dahin Fällen vorbehalten war, bei denen die Ehepartner unterschiedliche Geschlechter hatten, auch für gleichgeschlechtliche Partner zuzulassen.
Eine solche Entscheidung der politischen Legislative gründete sich – wie aus den parlamentarischen Archiven hervorgeht – auf die Übereinkunft, die Verletzung des Prinzips der Nichtdiskriminierung, eines Prinzips, dem höchster Wert beigemessen wurde, abzuschaffen.
Es wurde ausgeführt, dass die Ehe als soziale Institution anderen, in dieser Gesellschaft bestehenden Beziehungen Stabilität verleihe, was sich auch sozial und rechtlich günstig auswirken würde. Dieser Glaube ergibt sich aus der Überzeugung, Teilen der Gesellschaft nicht aus Gründen von Orientierungen, die keiner rechtlichen Bewertung unterliegen dürfen, Schutz und Leistungen zu versagen.
Es wurde auch gesagt, dass die moralische Frage von Überzeugungen abhängig sei, die in der Gesellschaft nicht einheitlich sind und dass die gesetzgebende Gewalt verpflichtet sei, die Freiheit zu unterstützen.
Ich muss hervorheben, dass die Gesetzesänderung lediglich darin bestand, die Bedingung der Geschlechtsdiversität abzuschaffen, wodurch es zu einer vollkommenen Gleichstellung kommt. Sie umfasst auch die rechtliche Möglichkeit der Adoption, das heißt, Eltern zu werden nicht durch Blutsbande, sondern durch Rechtserklärung. Das war einer der Hauptwiderstände gegen das neue Rechtssystem. Der argentinische Gesetzgeber hat hierbei aber Übereinstimmung mit der Auffassung der Amerikanischen Akademie für Pädiatrie, die die Adoption durch Homosexuelle unterstützt, indem sie ausführt, dass sie vielen Kindern Garantien und Sicherheit bietet, da diese Paare Liebe, Stabilität und emotionale Gesundheit geben können, die jedes Kind im Familienleben braucht.
Daher hindert die Ablehnung der rechtlichen Elternschaft durch Adoption viele Kinder daran, in den Genuss von Rechtssicherheit und psychologischer Ausgeglichenheit zu kommen und die Liebe zu erhalten, die ihnen diese Paare geben können. Die erwähnte Einrichtung hat bestätigt, dass es sich nicht um ein politisches Thema, sondern um ein Thema des Wohlergehens der Kinder handelt und dass es keine Grundlage für die Annahme gibt, die homosexuelle Orientierung des Paares erhöhe die Tendenz oder verführe die Kinder zu einer Orientierung.
Die Ausführungen decken sich mit den Grundlagen des Projekts zur Schaffung eines argentinischen Gesetzes, denn dort wird ausgeführt, dass „es schließlich darum geht, das Spektrum möglicher Lösungen für schutzlose Kinder zu erweitern“.
Ich muss hervorheben, dass vor dem Inkrafttreten der sogenannten „gleichgeschlechtlichen“ Ehe die Adoptionsgesetze die Adoption von Kindern durch Homosexuelle zuließen, indirekt aber an Bedingungen geknüpft war. Immer aber, wenn ein minderjähriges Kind von zwei Menschen adoptiert werden sollte, mussten diese in einer Ehegemeinschaft verbunden sein, und da die Ehegesetze die Heirat von Homosexuellen nicht zuließen, konnte diese nicht gemeinsam eine Adoption vornehmen.
Das Gesetz über die gleichgeschlechtliche Ehe markierte einen Meilenstein der Veränderung und versetzte die argentinische Gesetzgebung in die Lage, die erste des lateinamerikanischen Rechts zu sein, die dieses Recht anerkennt, dass Menschen gleichen Geschlechts eine Ehe eingehen.
Dieser Geist der Erneuerung führte dazu, dass Argentinien, das als eines der letzten Länder in der Welt die Scheidung anerkannt hatte, zu einem der ersten zehn Länder in der Welt wurde, in denen die zur Ehe berechtigten Subjekte ausgeweitet wurden.
Die Veränderung erfolgte nicht nur auf dem Gesetzespapier, sondern in der Tat. Es ist bekannt, dass Argentinien wegen der Einwanderung einen großen Einfluss durch die spanische Kultur besitzt. In diesem Land, in dem die Ehe zwischen Menschen gleichen Geschlechts seit 2005 zugelassen ist, werden nur 1,8% der Ehen durch Homosexuelle geschlossen, während in Argentinien, nur zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes, der Prozentsatz viel höher ist, denn dort entfallen 4,5% aller Eheschließungen darauf. In diesem Zusammenhang ist interessant darauf hinzuweisen, dass in den Großstädten der Prozentsatz noch höher ist.
Der Grund dafür ist darin zu suchen, dass die argentinische Gesellschaft sich immer mehr an die neue Rechtsmöglichkeit anpasst und dort, wo die Bevölkerung gering ist und sich alle untereinander kennen, sind die Widerstände auf Grund moralischer oder religiöser Auffassungen, die das Wertvolle der neuen sozialen Situation verkennen, am stärksten.
Recht auf Anerkennung der Geschlechtsidentität
Die gesetzgeberische Entwicklung führte auch zum Einsehen, dass die Verletzung der Rechte von intersexuellen und transsexuellen Menschen, Transvestiten und Transgendern auf das Fehlen einer rechtlichen, urkundlichen Anerkennung zurückzuführen war und dass die Geschlechterpolitik allein eine soziale Konstitution auf der Grundlage des Binärmodells Mann-Frau anerkannte.
Es wurde dargelegt, dass als Geschlecht nicht mehr das angesehen werden darf, was sich aus den äußeren Merkmalen, Kennzeichen und Signalen des Individuums ergibt, sondern etwas Tieferes, wie ein Gefühl, eine innere und individuelle Frage, die mit dem biologischen Geschlecht übereinstimmen kann oder nicht.
Es wurde hervorgehoben, dass das Geschlecht nicht einer kollektiven gesellschaftlichen Auffassung darüber, was ein Mann und eine Frau sein soll, entsprechen muss. Es wurde unterstrichen, dass Transgenderismus nicht die Art ist, in der die Natur Körper und Identitäten der Menschen schafft.
Es wurde gesagt, dass die gesamte Interpretation der Natur ein soziokultureller Vorgang ist und daher nicht nur die Körperlichkeiten als Merkmale für männlich und weiblich angesehen werden dürften. Die weniger häufigen Zwischenräume müssen als ebenfalls normal begriffen werden, selbst wenn sie ungewöhnlich sein sollten.
Das heißt, die Intersexualität ist keine Krankheit oder Abnormität.
Man entschied sich, der intersexuellen Subjektivität auf der Grundlage möglicher variabler Körperlichkeiten, die über das bereits erwähnte Binärmodell Mann-Frau hinausgehen, Vorrang zu geben. So wurde das Gesetz erzielt, das festlegt, dass jeder Mensch auf dem Territorium der Republik Argentinien das Recht auf Anerkennung seiner Geschlechtsidentität hat, nicht nur im Umgang, sondern auch bei der Registrierung seiner Identität.
Darunter wird verstanden, dass die Geschlechtsidentität sich aus dem inneren und individuellen Erleben, so wie sie jeder Mensch fühlt, ergibt, unabhängig davon, ob sie mit dem bei Geburt zugeordneten Geschlecht übereinstimmt oder nicht. Das kann die Veränderung des Aussehens oder der Körperfunktion durch pharmakologische, chirurgische oder andere Mittel, wie die Wahl der Bekleidung, die Art zu sprechen und andere Verhaltensweisen beinhalten.
Daher kann jeder Mensch die Änderung des eingetragenen Geschlechts, des Namens und des Bildes beim Personenregister für sich oder durch seine Vertreter, wenn er jünger als 18 Jahre alt ist, beantragen. Die gesamte Bearbeitung ist kostenlos und erfordert nicht die Einschaltung eines Vermittlers oder Rechtsanwalts. Die Änderung der Eintragung beeinträchtigt nicht vor der Änderung erworbene Rechtsansprüche oder eingegangene Rechtspflichten, weshalb die Personalausweisnummer beibehalten wird. Die einmal vorgenommene Eintragsänderung kann nur mit richterlicher Zustimmung erneut geändert werden. Die Information ist vertraulich und nur mit Erlaubnis des/der Betreffenden oder mit einem schriftlichen und fundierten Gerichtsurteil zugänglich.
Was ärztliche Behandlungen zur Anpassung der durch das Rechtssubjekt wahrgenommenen Geschlechtsform anbetrifft, sieht das Gesetz als Voraussetzung dessen Einwilligung nach erfolgter Aufklärung über vorhersehbare Folgen vor.
Die Systeme des öffentlichen Gesundheitswesens müssen die Rechte garantieren, die das Gesetz über Pflichtkrankenversicherungen anerkennt.
All das erlangte im Mai 2012 Gesetzeskraft. Bis Dezember letzten Jahres wurden insgesamt 199 Geschlechtsidentitätsänderungen in der Stadt Buenos Aires und weitere 78 in den Provinzen verzeichnet. Das steht im Verhältnis zu einer Gesamtbevölkerung von 40 Millionen Einwohnern, die sich so aufteilen, dass etwa 30 Millionen die Volljährigkeit von 18 Jahren erreicht haben.
Zusammenfassend erscheint bemerkenswert, dass in der Gegenwart das argentinische Recht, und insbesondere das in Bezug auf die Familie und das menschliche Individuum, die Rechtsausübung so ausgeweitet hat, dass Tendenzen anerkannt werden, selbst wenn diese nicht mehrheitlich oder standardbildend wirken. Ziel ist es, den höchsten Wert – die Antidiskriminierung – zu garantieren, selbst in dem Bewusstsein, dass dies zu Unsicherheiten bei den Folgen einiger Rechtsbeziehungen führen kann.
Künftige Rechtsnormen müssen dies verhindern. Und zwar nach Erreichung des größten Erfolgs – aus Sicht derer, die diese Rechte betreffen -, nämlich der Abschaffung von Normen, die die Ausübung von eigenen Verhaltensweisen des Subjekts in Übereinstimmung mit dessen eigener Wahrnehmung verhinderten.