Rede von Axel Hochrein, Vorstand der Hirschfeld-Eddy-Stiftung auf der Konferenz “Time for Change – Making Promises Reality The Position of LGBTI in the Western Balkans and Turkey” 21.11.2017, Berlin, Auswärtiges Amt
Sehr geehrter Herr Staatsminister Roth,
Sehr geehrte Frau Koffler,
Liebe Dragana Todorovic,
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sehr geehrte Menschen zwischen den Geschlechtern,
Liebe Freundinnen und Freunde,
es ist mir eine große Freude, Sie hier, im Lesehof des Auswärtigen Amtes, als Vorstand der Hirschfeld-Eddy-Stiftung — die Mitveranstalter dieser Konferenz ist — begrüßen zu dürfen.
Ich freue mich besonders, dass ich viele Vertreterinnen und Vertreter von LSBTI-Organisationen des West-Balkans und der Türkei, nun auch in Deutschland herzlich willkommen heißen darf, nachdem wir uns im September zur ERA-Konferenz in Podgorica und letzte Woche anlässlich der Konferenz in Slowenien gesehen haben. Die Intensität und Nachhaltigkeit unserer gemeinsamen Arbeit, und des gemeinsamen Austausches sind eine Grundlage für das Erreichen unserer gemeinsamen Ziele, die sich auch im Motto dieser Konferenz wiederfinden.
„Time for Change – Making Promises Reality “. Ja, die Zeit des Wandels hin zu einer besseren Situation für Menschen, die nicht zur heteronormativen Mehrheit in den Ländern des West-Balkans und der Türkei gehören, hat begonnen. Mit unterschiedlichem Tempo und unterschiedlichen Zwischenstand in den einzelnen Ländern. Und noch ist es ein Versprechen für die Zukunft, dass Lesben, Schwule, Bisexuelle, transgeschlechtliche Menschen und Intersexuelle ein freies, selbstbestimmtes und rechtlich wie gesellschaftlich gleichberechtigtes Leben führen können. Aber indem wir alle, Politik und Zivilgesellschaft, Community und Straight Allies zusammenstehen und zusammenarbeiten, können und werden wir dieses Versprechen einlösen und Wirklichkeit werden lassen.
Ein Versprechen, das wir nicht einer bestimmten Minderheit als großzügiges Geschenk geben, sondern vielmehr die Einlösung einer Garantie, die eigentlich für alle Menschen gelten muss. Nämlich der Garantie aus der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, dass alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren sind.
Die Tatsache, dass diese fundamentale Garantie fast 69 Jahre nach ihrer Verabschiedung, am 10. Dezember 1948, vielen Menschen aus unterschiedlichen Gründen immer noch vorenthalten wird, zeigt die Notwendigkeit, dass es allerhöchste Zeit für einen Wandel ist. Zu diesen unterschiedlichen Gründen gehört auch die Verweigerung der Gleichbehandlung und Gleichberechtigung auf Grund der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität. Oder um es ohne juristische Begrifflichkeiten zu sagen, die Ungleichbehandlung, Diskriminierung und Verfolgung von Menschen auf Grund ihrer Liebe und ihres Selbstempfindens und Selbstverwirklichung.
Für uns, als in Deutschland ansässige LSBTI-Menschenrechtsstiftung des Lesben und Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD), gibt gerade das zu Ende gehende Jahr viel Schwung und Motivation, an diesem Wandel intensiv mit zu helfen und unsere Freundinnen und Freunde in diesen Ländern ‑und auf der ganzen Welt – zu unterstützen.
Die positiven Ereignisse und Entscheidungen zeigen und bestätigen uns: der Einsatz über Jahrzehnte lohnt sich, und die langen Wege die wir dafür zurücklegen mussten — mit allen Enttäuschungen und Rückschlägen die wir auf diesem Weg erlebt haben — dürfen uns nicht verzweifeln lassen, wenn wir unsere Ziele erreichen wollen. Und deshalb sagen wir den Aktivisten und Aktivistinnen, unseren Freundinnen und Freunden aus den Ländern des West-Balkans und der Türkei, dass Ihr Einsatz, ihre Arbeit und Ihr Mut genauso zum Ziel führen werden, wie er uns zum Ziel geführt hat.
Die Rehabilitierung der nach Paragraph 175 Verurteilten schwulen Männer, die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare, das alles waren Ziele für die wir auch in Deutschland Jahrzehnte gekämpft haben, und die dieses Jahr endlich zum Erfolg geführt haben. Damit sind auch wir hier in Deutschland immer noch ein Stück weit von der vollständigen Umsetzung der Garantie der gleichen Würde und gleicher Rechte entfernt. Aber die Aufarbeitung des Unrechts der Verfolgung und lange überfälligen Rehabilitierung der durch den § 175 StGB Verurteilten und die Möglichkeit, dass gleichgeschlechtliche Paare endlich ihre Liebe mit dem gleichen Rechtsinstitut — und keiner Ersatz-Regelung — wie Heterosexuelle besiegeln können sind wichtige und entscheidende Schritte auf dem Weg.
Diese Umsetzungen motivieren uns, hier in Deutschland weiter zu kämpfen. Und auch deshalb ist dieses Jahr 2017 so wichtig für uns, weil wir für unseren weiteren Einsatz, für unsere transgeschlechtlichen und intergeschlechtlichen Freunde und Freundinnen, mit dem vor kurzem ergangenen, wegweisenden Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum dritten Geschlecht die deutliche ‑höchstrichterliche — Bestätigung haben: ja, eure Anliegen sind wichtig und berechtigt. Und auch bei diesem Thema ist es nun endlich „Time for Change“ in Deutschland.
Aber natürlich sind wir nicht nur für die Arbeit in Deutschland motiviert. Es betrifft ebenso unsere Motivation und Solidarität für die Zusammenarbeit mit LSBTI-Organisationen des West-Balkans und der Türkei. Seit dem Beginn dieser Zusammenarbeit im Jahr 2013 mit LABRIS und den Konferenzen in Belgrad 2014 und 15 hat sie sich intensiviert und verfestigt. Zusammen mit ERA wird sie erfolgreich weitergeführt, z. B. mit den Treffen in Pristina 2016 und Podgorica 2017 und nun der Besuchs-Woche hier in Berlin, und dieser Konferenz, die Teil des Programms ist. Zusammen mit dem Auswärtigen Amt wissen wir: der Wandel in den Ländern bedarf der intensiven Arbeit, des dauernden Austausches und der Nachhaltigkeit.
Die unterschiedlichen Fortschritte in den einzelnen Ländern des West-Balkans und der Türkei sind noch groß. Auch deshalb ist der stete Austausch über die einzelnen Wege die zum Erfolg geführt haben wichtig, die stetige Nachjustierung in der Arbeit unerlässlich. Nur wer am Ball bleibt, gewinnt am Ende das Spiel.
Deswegen gehören für mich zu den bewegenden Momenten dieses Jahres, eben nicht nur die ermutigenden Fortschritte in Deutschland. Der erste Pride in Podgorica, den ich im September bei der Jahreskonferenz von ERA in Montenegro miterleben durfte ist so ein besonderes und ermutigendes Erlebnis gewesen. Auch wir in Deutschland haben mit kleinen CSD-Paraden angefangen. Uns getraut hinaus zu gehen in die Gesellschaft, sichtbar zu sein, für unsere Rechte zu demonstrieren und ja: auch zu feiern. Stolz dazu zu stehen, in der Öffentlichkeit: wir sind schwul, lesbisch und trans. Dieser Pride war ein Teil dessen, das Versprechen wahr werden zu lassen. Genauso wie der CSD in Prag, wo die homo- und transphoben die versprengte und kleine Gruppe waren, und erkennen mussten: die Zeit wandelt sich! Wo tausende Menschen gezeigt haben: eine offene, demokratische Gesellschaft ist die Zukunft. Homophobie, Transphobie, Diskriminierung und Unterdrückung sind das Gestern.
Und deshalb ist auch unsere Konferenz heute so wichtig, damit wir diese Zukunft weiter gestalten können:
Zusammen mit unseren Freundinnen und Freunden aus der Türkei darüber zu beraten, wie wir auch in der Türkei der Zukunft den Weg ebnen können. Ein Land in dem nicht nur die LSBTI-Community in einer besonders schwierigen Situation ist und außergewöhnlichen Herausforderungen gegenüber steht, durch die politische Situation in ihrem Land. Wo der notwendige gesellschaftliche Wandel durch die Einschränkungen der demokratischen Grundrechte und Freiheiten ungleich erschwert werden.
Zusammen mit unseren Freunden und Freundinnen aus den Ländern des West-Balkans, um im Rahmen der europäischen Integration und EU Beitritte nicht nur wirtschaftliche Fortschritte zu erreichen, sondern die Grundwerte der europäischen Menschenrechtskonvention für diese Länder erreichen, zu denen eine gleichberechtigte Teilhabe von LSBTI am politischen und gesellschaftlichen Leben ebenso wichtig zählen.
Indem wir zusammenstehen, werden wir diese Versprechen in der Zukunft Realität werden lassen. Durch unsere Arbeit, und mit der Unterstützung unserer Verbündeten. Diese Unterstützung ist von enormer Bedeutung für den Erfolg. Und deshalb möchte ich an dieser Stelle auch und erneut dem Auswärtigen Amt besonders dafür danken, dass wir in unserer Arbeit nicht nur auf die Unterstützung verlassen können, sondern dass dies vielmehr gemeinsame Ziele sind, an deren Erreichen wir zusammenarbeiten.
Nutzen wir also auch diese Konferenz um den Wandel voran zu treiben und die Versprechen Realität werden lassen.
(Es gilt das gesprochene Wort)
Fotos: Caro Kadatz, Hirschfeld-Eddy-Stiftung