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Eine offene Gesellschaft verteidigen

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Zum Umgang mit Rechtspopulismus in Deutschland und in Europa

Auf dem LSVD-Verbandstag “Mehr Rechtstaat statt Rechtsruck” diskutierten die österreichischen Journalistin und Buchautorin Ingrid Brodnig und Judith Rahner von der Amadeu Antonio Stiftung mit Axel Hochrein aus dem LSVD-Bundesvorstand über den Rechtspopulismus, Medien und zivilgesellschaftliche Bündnisse.

Ingrid Brodnig, die selbst in Wien lebt, berichtet von ihren Eindrücken zur Bundespräsidentenwahl in Österreich. Die hohe Zustimmung für den Rechtspopulisten Hofer und der hart geführte Wahlkampf habe sie nicht überrascht. Sie befürchtet für den Bundestagswahlkampf in Deutschland ebenfalls einen härteren Ton. Die österreichischen Rechtspopulisten und Konservativen haben seit Jahrzehnten einen starken öffentlichen Einfluss, es sei eine ungute Art der Gewöhnung an den sprachlichen Ausnahmezustand eingetreten. Es würde ein politisches Endkampfszenario beschworen: Gut gegen Böse, und jede Seite glaube, die Gute zu sein. Die Folge sei Verhinderungspolitik: Keine Politik um die Sache, sondern nur darum, das politische Gegenüber zu verhindern – mit allen Mitteln. Das drohe auch Deutschland. Auch vermutet sie, dass die Medienkritik stärker wird, wenn die AfD in den Bundestag einzieht. Die finanziellen Möglichkeiten der AfD würden sich dann erheblich vergrößern. Sie werden diese Mittel vermutlich in großen Teilen dafür nutzen, die virtuellen Gegenöffentlichkeiten weiter auszubauen.

Judith Rahner (Amadeu - Antonio - Stiftung) - Foto: Caro Kadatz Judith Rahner (Amadeu — Antonio — Stiftung) — Foto: Caro Kadatz

Dort gibt es, stimmt Judith Rahner zu, mit den passenden Formaten leicht erreichbare Gruppen. Das rechte und sehr stabile Wähler*innenpotenzial sei sehr heterogen, die Angebote für sie müssen stark ausdifferenziert sein. Diese lebensweltliche Interessenbefriedigung funktioniert virtuell jedoch mit verhältnismäßig einfachen Mitteln, von der veganen Kochshow für „Nipster“ bis zum Forum für Verschwörungstheoretiker*innen.

Die Rechte kommuniziere außerdem untereinander sehr geschickt. Amerikanische Trump-Anhänger*innen geben ihr Wissen nach Europa weiter. Der Austausch funktioniere extrem gut. Sputnik Deutschland nähme etwa Inhalte der französischen Rechtspopulisten auf. Einen vergleichbaren Austausch in unserer Zivilgesellschaft gäbe es noch nicht, das sei ein Manko, ergänzt Brodnig. Rahner stimmt ihr zu: Die Akteur*innen seien stark damit beschäftigt, Angriffe abzuwehren. Verständlich – nur kostet eben das die Kraft, die dafür gebraucht würde, eigene Positionen zu erarbeitet und zu publizieren.

Die Parteien seien auf den Rechtspopulismus ebenfalls nicht gut vorbereitet gewesen, so Rahner weiter. Es gibt zwar einen demokratischen Grundkonsens –einen probaten Umgang mit einer Partei zu finden, die die Grenze des Sagbaren immer weiter verschiebt, hat zu lange gedauert.

Ingrid Brodnig (österreichische Journalistin) - Foto: Caro Kadatz Ingrid Brodnig (österreichische Journalistin) — Foto: Caro Kadatz

Was aber hilft, diesen Trend aufzuhalten? Analysieren und Recherchieren, so Brodnig, helfe um die Positionen zu entlarven. Der österreichische Wahlkampf sei für Hofer schwieriger geworden, nachdem Journalist*innen angefangen haben, seine Rhetorik zu analysieren und die Inhalte des Gesagten dem Faktencheck zu unterziehen. Es wurde den Wähler*innen aufgezeigt, dass das was er sagt, absolut nicht harmlos ist – auch wenn es in Hofers Rhetorik harmlos daher kommt. LSBTI kommen etwa oft bei Rechtspopulist*innen programmatisch gar nicht vor – auch bei Hofer nicht. Es sei aber fatal zu denken, dass sie bei der menschenverachteten Politik nicht mitgemeint seien. Sie passen nicht in das propagierte traditionelle Familienbild, sie sind den reaktionären Kreisen ein Dorn im Auge. Jede Minderheit ist dieser Partei ein Dorn im Auge – auch wenn sie nicht direkt adressiert ist. Sie wird mitgemeint. Dagegen helfe nur, sind sich beide einig, ein starker zivilgesellschaftlicher Verbund. Minderheiten dürfen sich nicht gegeneinander ausspielen lassen. Das gemeinsame Interesse sei eine Gesellschaft, in der jeder Mensch frei leben kann. Diese Freiheit muss von allen verteidigt werden.

 

Stefanie Schmidt
LSVD-Bundesvorstand

Fotos: Caro Kadatz

 



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