Editorial für die neue Ausgabe der LSVD-Zeitschrift respekt!
Alice Weidel ist die erste lesbische Spitzenkandidatin bei einer Bundestagswahl. Sie tritt für die AfD an. Wer nun denkt, die AfD kann also gar nicht homophob sein, der wird getäuscht. Denn gleiche Rechte, Vielfalt und Respekt gehören nicht zur Leitkultur der AfD. Ob mit oder ohne Weidel – die AfD ist eine unberechenbare, radikale und zutiefst homophobe Partei.
Weidel beteuert freilich das Gegenteil: Die AfD sei zwar gegen die Eheöffnung, aber wolle bei der Eingetragenen Lebenspartnerschaft den Status quo erhalten. Davon steht im Wahl- oder Grundsatzprogramm der AfD freilich nichts.
Im AfD-Wahlprogramm kommt Homosexualität genau einmal vor — im Bildungskapitel. Da zeigt man sich besorgt über die „einseitige Hervorhebung von Homo- und Transsexualität im Unterricht“. Dadurch würden Kinder „zum Spielball der sexuellen Neigungen einer lauten Minderheit.“! Lesben und Schwule als Gefahr! Das soll nicht homophob sein?
In ihrer „Magdeburger Erklärung“ wird die AfD noch deutlicher. Lesbische und schwule Partnerschaften oder Regenbogenfamilien seien keinesfalls als gleichwertig anzusehen. Eine gute Erziehung könnten gleichgeschlechtliche Paare auch nicht gewährleisten. Nur die „traditionelle Familie“ gehöre zum „Kern der deutschen Leitkultur“. Die klare Hierarchie und Unterordnung muss auch staatlich durchgesetzt werden. Dass sich Weidel davon distanziert, auf ihre eigene Familie verweist, sich gar für einen parteiinternen Wandel einsetzen will – Fehlanzeige. Ist für sie vermutlich auch nicht homophob.
Ihre Parteikollegin Beatrix von Storch ist sicher auch eine ganz Nette. Dass diese den baden-württembergischen Bildungsplan als „Gift“ und „Gewalt“ bezeichnete und die einzigen großen Demonstrationen gegen LSBTI in Deutschland mitorganisiert (hat), ignorieren wir einfach. Macht Weidel ja auch. Dann können wir die regelmäßigen homophoben Ausfälle von AfD-Abgeordneten gleich mit vernachlässigen. Haben wir uns mal nicht so. Politische Korrektheit wird eh überbewertet. Findet Weidel übrigens auch.
Darum sollen Antidiskriminierungsgesetze laut AfD auch abgeschafft werden – „Vertragsabschlussfreiheit“. Dass einem schwulen Paar die Wohnung nicht vermietet wird, einer Lesbe die Bedienung im Café verweigert, das gehört halt zum „zentralen Grundwert einer freiheitlichen Zivilrechtsordnung“.
Seit ihrer Gründung radikalisiert sich die AfD unaufhaltsam. Im Wahlkampf setzt man auf Eskalation und Tabubruch. Diese Strategie wurde auch von Weidel abgesegnet. In einem Interview betonte sie, es sei nicht nötig, sich und die AfD von völkischen, rassistischen und antisemitischen Ideologien abzugrenzen. Daher hat sie Markus Frohnmeier von der noch radikaleren „Jungen Alternative“ zu ihrem Pressesprecher gemacht. Der pflegt Kontakte zu Burschenschaften und zur vom Verfassungsschutz beobachteten Identitären Bewegung. Offensichtlich will Weidel auch eine Alternative für Rechtsextreme bleiben.
Die AfD ist und bleibt ein unberechenbares wie unheimliches Sammelbecken aus völkisch-nationalistischer und religiös-fundamentalistischer Ideologie. Eine Weidel macht da keinen Sommer. Ihre Kandidatur zeigt viel mehr: Wer seine eigene Minderwertigkeit und den zugewiesenen Platz in der Hackordnung anerkennt, kann auch in einer homophoben Partei Karriere machen.
Wir sollten uns von ihr nicht blenden lassen. Genauso wenig wie die AfD wird Alice Weidel unsere Rechte verteidigen.
Markus Ulrich
LSVD-Pressesprecher