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Einstieg in die dekoloniale Projektpraxis: das Masakhane-Projekt – Projektsupporterinnen von LSVD und filia im Gespräch

Sonja Schelper, filia.die Frauenstiftung, Cornelia Sperling, LSVD, FLIP Frauenliebe im Pott e.V., Moderation: Birgit F. Unger
© Hirschfeld-Eddy-Stiftung

Das Projekt „Masakhane“ für lesbische Frauen und Trans* im südlichen Afrika ist das größte jemals vom BMZ geförderte LSBTI-Projekt. Es wurde vom LSVD initiiert und von filia.die Frauenstiftung auf den Weg gebracht. Die Projektverantwortlichen aus Deutschland zeigen hier, wie kleine NGOs dieses LBTQ-Projekt in mehreren Ländern durchführen konnten und welche Hürden es gibt.

Im Forum 1 der Konferenz „Do no harm – but do something: Internationale Projektarbeit für LSBTI stärken!“ der Hirschfeld-Eddy-Stiftung präsentierten am 4. November 2022 zwei der Projektverantwortlichen aus Deutschland ihre Erfahrungen mit dem Masakhane-Projekt.

Sonja Schelper, filia.die Frauenstiftung und Cornelia Sperling, LSVD, FLIP Frauenliebe im Pott e.V., Moderation: Birgit F. Unger.

Wir dokumentieren das Gespräch aus dem Forum der Konferenz.

Konferenzprogramm
Konferenzdokumentation hier

Das Projekt „Masakhane“ als Best Practice

Birgit Unger (BU): Unter dem Titel „Menschenrechte im südlichen Afrika durch Stärkung von NGO-Aktivist*innen voranbringen mit dem Fokus Frauen- und LGBTI-Rechte“ wurde von 2014–2022 das größte jemals vom BMZ geförderte LSBTI-Projekt durchgeführt. Was ist das Masakhane-Projekt genau? Was wurde dort in den acht Jahren erarbeitet?

Sonja Schelper, filia.die Frauenstiftung, 
© Hirschfeld-Eddy-Stiftung

Sonja Schelper (SoS): Ich erkläre erst, wie das Projekt entstanden ist. 2014–2017: Erster Aufschlag des LSVD und von filia.die Frauenstiftung, die mit Finanzen des BMZ und gemeinsam mit der Coalition of African Lesbians (CAL) das Projekt starteten. Ziel: In Botswana, Simbabwe und Sambia die Stärkung von LBTI-Menschenrechten voranbringen. 500.000 Euro kamen vom BMZ, 50.000 Euro waren filia-Eigenbeteiligung. Die erste Phase war sehr erfolgreich und wurde überall als Best Practice ausgewiesen. Nach einer Unterbrechung startete die zweite Phase 2018, bei der die drei Länder Eswatini, Lesotho und Mosambik hinzukamen. Idee: Was in den ersten Jahren an struktureller Arbeit aufgebaut wurde sollte via Mentorinnen weitergegeben werden. Es war eine abenteuerliche Fantasie, dass das einfach so funktionieren kann. 250.000 Euro kamen vom BMZ, 83.000 Euro waren filia-Eigenbeteiligung, aber die Rahmenbedingungen hatten sich geändert: 25% Eigenbeteiligung  der Träger (hier LSVD und filia). Bevor ich auf die Herausforderungen eingehe, erzählt Cornelia, was besonders gut gelungen ist.

Die Arbeit des Masakhane-Projekts geht in jedem Land weiter

Cornelia Sperling, LSVD, FLIP Frauenliebe im Pott e.V.
© Hirschfeld-Eddy-Stiftung

Cornelia Sperling (CS): Masakhane ist nicht nur ein Good-Practice‑, sondern vielleicht auch ein Best-Practice-Projekt. Was mit den Ressourcen geleistet wurde, war hauptsächlich Basisarbeit, also Social-Movement-Unterstützung. Die Coalition of African Lesbians hat auf internationaler Ebene, in der African Commission on Human and Peoples´s Rights gewirkt. Mit dem Konzept für Masakhane wurden erst in drei, dann in sechs Ländern Fördergelder weitergegeben, die flexibel von Gruppen genutzt werden konnten. Kollektive wurden in jedem Land gebildet, indem sich Vertreterinnen verschiedener Initiativen mit dem Fokus auf LBQ-Women zusammengetan und beraten haben, was konkret im landesspezifischen Kontext notwendig ist. Diese Flexibilität hat dazu geführt, dass in den acht Jahren die Bewegungen an der Basis sehr, sehr stark unterstützt wurden. Die Bedingungen sind dort sehr schwierig, auch wirtschaftlich und politisch, es besteht eine starke Homophobie. Es ist beeindruckend, was geleistet wird, und wir sehen, dass wir auch viel lernen können. In der letzten Woche waren drei Aktivistinnen aus Simbabwe im Rahmen eines Partnerschaftsprojekts in Deutschland. Sie haben noch mal diese Freedom of Choice unterstrichen, die im Masakhane-Projekt für die Gruppen möglich war – sie selbst konnten entscheiden: Was brauchen wir eigentlich? Sie konnten auch andere Formen der Arbeit entwickeln, als dies in den LGBTI-Organisationen der Fall ist. Die Freedom of Choice war entscheidend. Die Arbeit des Masakhane-Projekts ist auf keinen Fall zu Ende, sondern geht in jedem Land weiter. Und gerade die einzelnen LBQ-Women-Kollektive, die zum Teil erst ihre Stimme entwickelt und erhoben haben, stehen an vorderster Front im Kampf für Demokratie und Entkriminalisierung, was in Botswana schon gelungen ist. Daher ist es toll, dass das Masakhane-Projekt durchgeführt werden konnte.

Was da in Gang gekommen ist, kann nicht wieder verschwinden

SoS: Das, was da in Gang gekommen ist, kann nicht wieder verschwinden. Es ist unabhängig davon, wann das nächste Projekt startet. Die Beteiligten haben tatsächlich ihre Ownership für das, was sie da machen. Wir haben versucht hierfür einen Rahmen zu schaffen und die Rahmenbedingungen des BMZ so ausgestaltet, dass es am besten gelingen kann. Und es ist gelungen.

CSIch gehe über zu den Herausforderungen. Wir haben das Forum bewusst mit dem Reizwort dekolonial bestückt. Ich habe viele Jahre Erfahrung der Projektbegleitung mit dem BMZIch muss den Schluss ziehen, eine dekoloniale Arbeit ist mit diesem BMZ, mit den Strukturen, die auch unter der neuen Regierung weiter existieren, nicht möglich. Das heißt, wir waren mit so vielen Hürden konfrontiert, die nur durch kreative Lösungen genommen werden konnten. Wir haben uns als lesbische Verbündete gesehen, nicht so sehr als Verwalterinnen eines Projekts. Wir haben hauptsächlich versucht, den Kontext zu verstehen, zu lernen und die oft kontraproduktiven Regelungen und Vorschriften des BMZ frei auszulegen, um den Projektpartnerinnen, die die Arbeit gemacht haben, praktisch den Rücken freizuhalten und sie somit möglichst viel Flexibilität für ihre Arbeit haben.

SoS: Ich bin sehr dafür, dass man weiterhin Projekte mit dem BMZ macht, weil so größere Mittel ausgeschüttet werden können. Die erste Hürde fängt beim Antrag an – manchmal gibt es wirklich absurde Wünsche, wie ein Projektantrag aussehen soll. Bei der Antragstellung wird erwartet, dass man im Vorfeld darlegt: Wie viele Zusammenkünfte wird es geben? Wer kommt da zusammen? Welche Reisekosten entstehen? Was benötigen sie? Mit welchen Personen soll gesprochen werden? So stellt man sich an deutschen Ministerialschreibtischen Advocacy-Arbeit vor. Das ist eine große Hürde. Für uns als Vermittlerin gilt: Nicht nur mit den Aktivist*innen im globalen Süden zusammenzuarbeiten, sondern auch in einem erheblichen Ausmaß unsere Energie darauf zu verwenden, ins BMZ hineinzuwirken und zu zeigen, dass etwas anderes benötigt wird und so eine Festlegung nicht sinnvoll ist. Die enge Auslegung der Bundeshaushaltsordnung ist sicher der gegensätzliche Pol zu einem dekolonialen Verständnis und einer wirklich flexiblen Förderung im Vertrauen darauf, dass die Partner*innen am besten wissen, was sie umsetzen können.

CS: Mir fällt ein konkretes Beispiel ein. Wir haben den zweiten Antrag x‑mal zurückbekommen. Hauptsächlich mit Anmerkungen zu den Finanzen, z.B. in Bezug auf 2000 Euro für Medien (Videoclips etc.), Druckkosten für Kampagnen – dazu kam dann die Nachfrage: Wie viele Filme werden gemacht? Wie viele Aufkleber werden gedruckt? Nach fünf Überarbeitungen innerhalb von zwei Monaten haben wir gesagt, wir fangen an, eine Arbeit zu machen, die den Partnerinnen im Süden schadet. Wir lassen uns darauf ein, Sachen festzulegen, die vielleicht völlig Quatsch sind, weil sich die Situation in drei Jahren komplett ändern kann. Nach dem fünften Mal haben wir gesagt, dass wir uns weigern, weitere Änderungen zu machen, da wir das kontraproduktiv finden. Das hat dann auch geklappt und war ein wichtiger Lernschritt. Eine große Hürde war: Wir sind spät informiert worden, dass der Geldbetrag der ersten Phase nicht bewilligt wird, es maximal 250.000 Euro sein werden und die Selbstbeteiligung auf 25% erhöht wird. Auf den Papieren steht immer, LGBTI sind vulnerable und mehrfach diskriminierte Gruppen, aber dennoch sollen sie die gleichen Bedingungen erfüllen wie alle anderen. Das hat einen totalen Druck ausgeübt: Es gibt nur noch die Hälfte – sollen wir auf das Geld verzichten? Zusammen mit der Partnerorganisation haben wir uns entschieden, das zu akzeptieren.

Es braucht auch in Zukunft intermediäre1

SoS: Die Anträge werden ja nicht in Deutschland ausformuliert, sondern gemeinsam mit den Graswurzelaktivistinnen vor Ort. Angesichts der vielen Schleifen ist es irreal, das ohne Finanzierung zu machen. Mit diesem Vorgehen wird dargelegt: Das und das könnte umgesetzt werden – Ist das für euch noch in Ordnung? Das Global Philanthropy Project hat eine Befragung unter den Teilnehmerinnen gemacht und gefragt: Würdet ihr lieber direkte Grant-Nehmer*innen sein oder hättet ihr gerne eine intermediäre Organisation? Ihre Antwort war: Wenn es Partner*innen sind, die als Verbündete unsere Arbeit systematisch unterstützen, dann bevorzugen wir Intermediäre, weil wir für diese Art der Arbeit, die ein deutsches Ministerium vorgibt, gar nicht aufgestellt sind. Daher braucht es Intermediäre nach wie vor, auch in der Zukunft. Mit der hohen Eigenbeteiligung (25%) können nur wenige kleine Organisationen eine direkte Kooperation mit dem BMZ anstreben.

BU: Was würdet ihr sagen ist der Gewinn für die Community im globalen Süden durch dieses Projekt? Was ist in Gang gesetzt worden durch Vernetzung?

SoS: Ich beginne mit meinem Lieblingsbeispiel. Ich bin eine große Freundin von Simbabwe geworden. Wir sitzen weit weg in Deutschland und müssen uns darauf verlassen, was uns berichtet wird. Wir waren immer wieder in Situationen, in denen wir uns gefragt haben, was die Partnerorganisationen genau machen. Als wir selbst hingefahren sind, hat das alles geändert. Vor Ort haben wir gesehen: Die Arbeit, die sie machen, ist toll. Die Art zu berichten, ist manchmal schwierig. Das ist halt nicht ihr primäres Ding. Sie erzählen, wie sie mal eine große Demonstration organisiert haben und wir sind total beeindruckt. Solche Infos fallen manchmal weg. Im direkten Gespräch vor Ort erfährt man ganz andere Sachen, als wenn man sich auf Papier verlassen muss. In Simbabwe bin ich mir der Buntheit dieser Kollektive bewusst geworden; was für eine enorme Diskussionskultur sie entwickelt haben. Sie haben es geschafft, sich nicht nur um die Hauptstadt Harare zu tummeln, sondern in allen Landesteilen Gruppen aufzubauen. Und während Covid, als man sich nicht treffen konnte, mussten sie teilweise zu ihren Eltern zurück – trotzdem noch einen Bezugspunkt zu haben, oft simpel über WhatsApp, das hat eine Grundverbundenheit geschaffen.

Es braucht noch viel Lobbyarbeit, um die Förderregeln zu ändern

CS: Ich kenne mehrere beeindruckende Beispiele. In Sambia und Botswana sind eigene LBQ-Women-Organisationen gegründet worden. Sie sind aus dem Masakhane-Projekt entstanden, weil sich zum ersten Mal die weiblichen LGBTI-Menschen zusammengetan und ihre Vorstellung von Arbeit weiterentwickelt haben. Die Organisationen finden viele andere Funder. Da sind die Niederlande oder Schweden oft flexiblere Geberländer. Beim BMZ sind nur Projektanträge möglich, es gibt kein Core Funding. In Schweden werden einfach für fünf Jahre Personalkosten getragen, ohne dass man ein neues Projekt präsentieren muss. Wir können dadurch lernen. Es heißt noch immer Entwicklungszusammenarbeit. Wir im globalen Norden gucken auf den Süden herab, z.B. in Bezug LGBTI: ‚Wie rückständig sind denn die?‘ Das ist weiterhin weit verbreitet. Aber wir können sehr viel mehr lernen. Um Regeln in Ministerien zu beeinflussen, muss noch viel Lobbyarbeit gemacht werden. Das Entscheidende ist, dass wir als Zivilgesellschaft mehr in den Dialog mit den LGBTI-Gruppen kommen, damit wir in Deutschland erkennen: Was müssen wir beeinflussen? Wo ist unsere Verantwortung, um die Sicherheit von LGBTI im globalen Süden zu verbessern? Was müssen wir verbessern? Jessica Stern hat in ihrer Keynote zur Konferenz gesagt, dass 0,04 % der weltweiten Entwicklungsgelder für LGBTI ausgegeben werden. Ein Teil geht auch an Regierungen, auch in Subsahara-Afrika, die die homophoben Gesetze aufrechterhalten. Wenn man fragt: Was ist unsere Verantwortung? – dann muss man antworten: Knüpft Beziehungen! Baut längerfristige Partnerschaften auf, denn nur dadurch kann man in den Dialog kommen.

BUWas ist in den Projektländern erreicht worden?

CS: Drei Aktivistinnen aus Simbabwe sagten letzte Woche: Die Geldgeber*innen denken immer, durch Geld werden unsere Probleme gelöst. Das ist aber nicht so. Die Entwicklung der Arbeit in den Ländern ist das Entscheidende. Alle Gruppen sind in ihren Ländern in unterschiedliche Aktivitäten einbezogen (Entkriminalisierung, erste Pride-Veranstaltungen, etc.). Die durch Masakhane entstandenen Gruppen sind überall an vorderster Front.

Knüpft Beziehungen! Baut längerfristige Partnerschaften auf!

SoS: Ich kann das nur unterstreichen. Ich bin aber nicht ganz d’accord, wenn es heißt Geld löst nicht Probleme. Zwischen der ersten und der zweiten Phase des Projekts war für fast ein Jahr kein Geld da. Es wurde angenommen, dass die Organisationen der Förderländer aus der ersten Phase direkt ins Mentoring der weiteren Länder einsteigen könnten. Das war illusorisch, denn die Aktivistinnen haben oft kein regelmäßiges Einkommen. Sie wechseln Orte, die Gruppen sind flexibel und ändern sich personell. Man fängt zum Teil von vorne an. Wir sehen, dass Finanzen sehr wichtig sind und mehr als kleine Summen gebraucht werden, um langfristig etwas aufzubauen.

CS: Ich sage auch nichts gegen das Plädoyer für Finanzierung; es ist ja auch eine Umverteilung von Nord nach Süd. Es sollte aber so sein, dass nicht nur registrierte Organisationen unterstützt werden können. In manchen Ländern können oder wollen sie sich nicht registrieren. Neben der Empfehlung, dass das BMZ Core Funding einführen soll, fordern wir, dass bei LGBTI-Projekten nicht an 25% Eigenbeteiligung festgehalten wird. Als dritte Empfehlung: Für nicht registrierte Organisationen sollte nicht das BMZ aufgefordert werden, Gelder zu geben; besser ist es, größere Beträge an Organisationen, wie Stiftungen, als Pool zu geben, die die Fördergelder an kleinere Gruppen verteilen. So könnten kleine Gruppen aus dem Süden besser Anträge stellen. Das BMZ ist der größte Geldgeber. Um Konkurrenzen zwischen einzelnen Gruppen in den Ländern zu vermeiden, ist es eher angebracht, Vernetzung zu fördern. Wenn sich die LBQ-Women im südlichen Afrika vernetzen, müssen sie sich treffen. Hierfür reichen nicht 50.000 Euro von kleinen Geber*innen, sondern man ist auf das BMZ angewiesen und sollte auch solche Gelder beantragen.

SoS: In Bezug auf die Nicht-Registrierung von Organisationen ist zu bemerken: Wir sind es gewohnt, mit registrierten Organisationen zusammenzuarbeiten. Es zeigt sich aber mehr und mehr – und das ist vielleicht auch eine Generationenfrage , dass die Aktivistinnen viel jünger sind als wir sie sind die Enkel*innen-Generation. Viele von denen lehnen diese Strukturen ab. Auf diese Art von flexibler Bewegung reagiert so ein Förderinstrument überhaupt nicht. Über diesen Aspekt muss man nachdenken, wie sich das in Zukunft entwickelt. Was man auch ansprechen muss, ist die wirtschaftliche Situation: economic empowerment, Zugang zu Bildung. Viele Gruppen wünschen sich nachhaltiger sein zu können, z.B. auch Land zu erwerben, um unabhängiger von internationalen Geber*innen zu werden.

BU: Im Chat sieht man: Das, was ihr berichtet wird sehr wertschätzend aufgenommen. Das Thema Core Funding findet viel Zustimmung. Was würdet ihr euch wünschen von Initiativen, vielleicht auch von der Graswurzelbewegung im globalen Norden?

SoS: Zunächst braucht es Interesse, aus dem eigenen kleinen Rahmen rauszugucken und zu verstehen, was Lebensbedingungen woanders bedeuten. Welche Verbindung hat man mit anderen? Ich bin eine große Freundin von der Zusammenarbeit mit dem globalen Süden, da dort viel radikaler und komplex strategisch gedacht wird. Davon können wir viel lernen und das kann einen Anstoß geben, uns zu erinnern, dass wir anti-kapitalistisch und feministischer unterwegs waren. Vielleicht ist uns inzwischen viel davon verloren gegangen.

CS: In Bezug auf LGBTI-Basisgruppen wünsche ich mir: Bitte geht weg vom Gedanken, wir müssten LGBTI-Aktivistinnen im globalen Süden helfen. Das ist der erste Reflex. Die können ein Stückchen vom Reichtum von uns brauchen, sprich Geld. Aber sie machen ihre Arbeit selber. Sie brauchen keine Hilfe in Form einer großzügigen Spende. Sonja hat schon ausgeführt, dass wir von ihnen lernen können. Wir haben aktuell politisch mit der neuen Regierung neue Chancen. Ein LSBTI-Inklusionskonzept und eine feministische Außenpolitik hat es so damals nicht gegeben. Wenn ernst genommen wird, die Zivilgesellschaft zu unterstützen, muss ein Paradigmenwechsel herbeigeführt werden. Das kann nicht nur durch ein BMZ-Konzept entstehen. Hier ist die Zivilgesellschaft, die Kontakte im globalen Süden hat, nötig. Wir sind bereit, Vorschläge zu machen, wie man die Stärkung der Zivilgesellschaft voranbringen kann. Die Bundesregierung müsste nicht hauptsächlich Regierungen, auch autokratische Regierungen, unterstützen, sondern vielmehr die Zivilgesellschaft. Dafür ist viel Veränderung notwendig.

BU: Vielen Dank. Bewegende Stunde auch für mich. Ich denke, es ist viel mitgenommen worden.

Protokoll: Isabella Pfusterer

[1] Die Rolle von LSVD und filia beim Masakhane-Projekt wird in der Regel als Intermediäre, Englisch „intermediary” bezeichnet, RFSL in Schweden, FRI in Norwegen, COC in den Niederlanden und andere (Panel 4 der Do no Harm-Konferenz) übernehmen diese Rolle für LSBTIQ*-Projekte in anderen Geberländern und werden für diese Arbeit vom Staat bezahlt – ein Modell, das auch in Deutschland diskutiert werden könnte. Direkte Anträge aus den Partnerländern sind beim BMZ nicht möglich.

Links:

Ein Beitrag im Rahmen des ProjektsDo no harm – Risiken für LSBTI in der internationalen Projektarbeit minimieren“ der Hirschfeld-Eddy-Stiftung. Alle Beiträge im Rahmen des Projekts sind im Blog unter dem Tag „DNH-2022“ zu finden.

Konferenzdokumentation hier

BMJ
HES


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