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Erfolge und Rückschläge im Kampf um gleiche Rechte, Vielfalt und Respekt

ILGAEuropäischer Rückblick bei der ILGA-Konferenz in Riga (Konferenzbericht Teil 2)

Ein Hauptthema der gegenwärtig stattfindenden ILGA-Konferenz ist der nachhaltige soziale Wandel, für den sich die LGBTI-Bewegung in Europa einsetzt. Zunächst gab es einige Erfolge der letzten Monate zu feiern, an denen die Mitgliedsorganisationen beteiligt waren, etwa die wichtige Mobilisierungskampagne im Vorfeld der Europawahlen, die erste CSD-Demonstration in Nikosia, den Accept-LGBT Cyprus im Mai 2014 organisierte und an der, für die Organisatoren völlig überraschend, Tausende von Menschen teilnahmen. Ebenso der CSD in Belgrad, der kürzlich ohne Verbote und Angriffe über die Bühne ging. Doch auch Rückschläge wurden benannt: die Verfassungsänderung in Kroatien, die nunmehr die Ehe als eine Verbindung zwischen Mann und Frau definiert, die Ereignisse in Russland u.a. das sog. Propagandaverbot oder die verbohrte Gender-Ideologie-Debatte, die mittlerweile überall in Europa um sich greift und den Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft immer weiter einzuschränken scheint.

Der Katalane Jordi Vaquer, Direktor der Open Society Initiative für Europa verglich in einer überzeugenden und eloquenten Grundsatzrede die Erfolge der LGBTI-Bewegung mit denen anderer sozialer Bewegungen. Große Misserfolge erlebe Europa etwa in der Antirassismusarbeit, bis in die Mitte der Gesellschaft und Politik hinein machten sich minderheitenfeindliche und illiberale Einstellungen breit, marginalisierte Minderheiten nenne man privilegiert, allein weil ihnen mehr Schutz vor Diskriminierung zugebilligt werde. Homo- und transphobe Einstellungen und Taten seien längst keine Angelegenheit mehr von Hooligans, der Kampf werde vielmehr verbal geführt, in den (sozialen) Medien tobe eine linguistische Schlacht um Begriffe wie Gender-Ideologie oder Genderismus und obskure Stiftungen unterstützten diesen Kampf mit enormen finanziellen Mitteln, die sie europäischen Organisationen für deren fundamentalistische Umtriebe zukommen ließen. Dieser schwer zu fassende Gegner dürfe von den sozialen Bewegungen nicht unterschätzt werden, sein Agieren erfordere neue Strategien, neue Diskurse und neue Allianzen auch der LGBTI-Bewegung.

Helena Dalli, maltesische Ministerin für sozialen Dialog, erläuterte, wie es in ihrem „kleinen katholischen Land“ gelungen ist, mehr Schutz und Rechte für LGBTI durchzusetzen. Man habe den Dialog mit der Gesellschaft geführt, sich die unschätzbaren Erfahrungen und Kenntnisse der zivilgesellschaftlichen Organisationen zunutze gemacht, Wert gelegt auf politische Debatten zu den Themen gleiche Rechte und Nichtdiskriminierung, die Bedeutung von Bildung und Erziehung erhöht, im Parlament eine LGBTI-Gruppe ins Lebens gerufen und so allmählich das Terrain für den Wandel bereitet. Auch eine Parlamentsdebatte zum Thema Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität leistete ihren Beitrag zur Meinungsbildung und wichtige Sensibilisierungs- und Bildungsarbeit in Gesellschaft und Politik.

In einem Workshop diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über den Umgang mit der „Anti-Gender-Theorie-Bewegung“, hinter der meist fundamentalistisch-katholische Organisationen und Familienverbände und deren Medien stehen. Als Beispiele wurden neokonservative Bewegungen in Spanien und Frankreich genannt, die auch Massendemonstrationen gegen die gleichgeschlechtliche Ehe initiierten. In Russland pflege diese homo- und transphobe Gegenbewegung einen antiwestlichen und nationalistisch geprägten Diskurs, mit dem Politik und Machterhalt betrieben werde. Ein gemeinsames Feindbild stärke die Einheit und sichere den Machtzuwachs. Die Strategen bedienten sich weit verbreiteter Vorurteile, zementierten diese, ihr Handeln falle gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten auf einen fruchtbaren Boden. Umso wichtiger für die LGBTI-Bewegung sind neue Bündnisse mit freundlich gesinnten Religionsvertretern, mit Frauenorganisationen, Antirassismusverbänden, Medien, Wissenschaft und anderen Multiplikatoren. Den Abwehrkampf und die Rückeroberung der öffentlichen Meinung können LGBTI nicht alleine führen und gewinnen. Optimistische Worte fand Evelyne Paradis, Geschäftsführerin von ILGA Europe. Sie hob hervor, dass gerade in Lettland ein großer Sprung nach vorn gemacht wurde: „Demonstrierten 2006 beim Baltic Pride in Riga noch Hunderte von Menschen gegen unsere Anwesenheit, so war es gestern nur ein verschwindend geringes Häuflein von gerade mal zehn Leuten, die sich vor dem Konferenzhotel versammelt haben. Wir sind auf einem guten Weg.“

Alle Berichte zur ILGA-Konferenz in Riga

Klaus Jetz
LSVD-Geschäftsführung



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