Erste Konferenz zur Thematik “Shrinking Spaces” mit Fokus auf LSBTI
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Nach jahrelangen Erfolgen emanzipatorischer Bewegungen weltweit gibt es seit einiger Zeit eine gefährliche Gegenbewegung: Die Einschränkung der Handlungsspielräume von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Gruppen. Im internationalen Kontext spricht man von „shrinking spaces“, auf Deutsch enger werdende Räume. Durch Maßnahmen wie beispielsweise Gesetze zur Wahrung nationaler Werte, das Verbot, der Finanzierung aus dem Ausland und durch Verwaltungsvorschriften, aber auch durch Effekte von internationalen Gesetzen zur Bekämpfung von Geldwäsche wird überall auf der Welt die tägliche Arbeit von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) erschwert. Vorrangig betrifft das die Einschränkung der Vereinigungsfreiheit und die Meinungsfreiheit. Begleitet wird das häufig von Schmutzkampagnen, medialer Hetze und Hass gegen Minderheiten.
Das ist eine Reaktion auf die Entstehung und Stärkung der Demokratiebewegungen in vielen Ländern. Und darauf, dass sich starke Bewegungen für Landrechte, Frauenrechte, Umweltschutz und Menschenrechte, neuerdings auch für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans* und Inter* (LSBTI) entwickelt haben. Betroffen von den Einschränkungen sind alle progressiven Bewegungen. Die Repressionen treffen LSBTI in besonderer Weise und sie sind häufig die ersten, gegen die vorgegangen wird.
Die Konferenz „Time to react – zivilgesellschaftliche Handlungsspielräume stärken“ war die erste Konferenz zur Problematik des Shrinking Space mit einem Fokus auf LSBTI. Die Idee und Initiative zu dieser Konferenz gingen von der Yogyakarta-Allianz aus, die selbst ein zivilgesellschaftliches Bündnis ist.
Organisationen, die für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans* und Inter* (LSBTI) arbeiten, kennen seit langem Probleme mit Registrierungen, besonders in Staaten, die homosexuelle Handlungen unter Strafe stellen. Monica Tabengwa aus Botswana beschreibt es: Keine Registrierung heißt: kein Konto, kein Mietvertrag, keine Adresse, kein Raum, kein Telefon, kein Internet, kurz: keine Arbeitsmöglichkeit.
Neu sind wie in Russland sogenannte Anti-Propagandagesetze, die jede positive Erwähnung von Homosexualität — auch zur gesundheitlichen Aufklärung — unter Strafe stellen und verbieten. Positive Erwähnung meint dabei bereits eine neutrale, nicht herabwürdigende Beschreibung. International weniger bemerkt werden Anti-NRO-Gesetze, die zum Beispiel in Uganda erlassen wurden, angeblich, um die „nationale Würde” zu schützen. Exponierte Personen sind akut bedroht, Menschenrechtsverteidiger*innen müssen geschützt werden.
Mehr Austausch ist nötig
Die Konferenz hat gezeigt: Förderer müssen sich mehr untereinander austauschen und mit der Zivilgesellschaft vor Ort sprechen. Vor allem müssen sich die Zivilgesellschaften und die Politik sehr viel mehr austauschen. Die zivilgesellschaftlichen Handlungsräume werden immer kleiner, und dem muss gemeinsam begegnet werden. Auf rechtlichem Weg, d.h. indem z.B. für Registrierungen Prozesse geführt werden. Das hat LEGABIBO (The Lesbians, Gays and Bisexuals of Botswana) erfolgreich gezeigt. Auch muss man strafrechtlich gegen Hasskampagnen vorgehen, sofern die Gesetze das erlauben. Auch die Geldgeber müssen sich belehren lassen und von denen lernen, die auf die Förderung angewiesen sind.
Ausländische Förderung ist essentiell, weil es in vielen Staaten keinerlei finanzielle Förderung für Minderheiten und Menschenrechtsgruppen gibt. Akut bedroht ist die Existenz von NGOs auch durch die Tendenz von Staaten, immer mehr Schein-NGOs zu gründen. Die sogenannten GONGOS (Government organized non govermental organizations), also regierungsnahe oder direkt von der Regierung eingerichtete Organisationen, die sich als sozial engagiert bezeichnen und aktiv auf internationale Geldgeber zugehen. Sie greifen die Fördergelder ab, wenn die internationalen Geber den Hintergrund nicht kennen. Von außen ist das schwer zu erkennen. Nur die Leute vor Ort können das einschätzen, daher ist es wichtig, immer in Absprache mit ihnen zu handeln.
Deutschland muss mehr tun
Journalist*innen, Menschenrechtsverteidiger*innen und LGBTI-Aktivist*innen bedauern den Rückzug der USA, die sich mit der Trump-Regierung bei der Unterstützung von Menschenrechtsverteidiger*innen zurückhält. Allgemein besteht die Auffassung, dass Deutschland und auch die EU nun eine größere Rolle bei deren Unterstützung spielen müssen.
Innovative Förderstrategien
Die Konferenzgäste aus Russland, Uganda und Botswana waren sich einig: bitte nicht zurückziehen, sondern weiter unterstützen. Die Herausforderungen für Geldgeber wachsen. Antragsmodalitäten und Förderbedingungen müssen flexibilisiert werden. Vor allem muss über längere Zeiträume gefördert werden. Weniger Bürokratie heißt mehr Freiheit: Erleichterung von Anträgen und der Abrechnungen ist nötig. Bislang sind sie zu aufwändig, zu wenig flexibel und gar nicht realisierbar, wenn die Registrierung nicht möglich ist. Dringend nötig sind innovative Förderstrategien.
In Russland ist es beispielsweise kompliziert bis unmöglich, politische Non-Profit-Organisationen zu gründen, jedoch sehr einfach, eine GmbH zu registrieren. Es muss daher auch möglich sein, formal als for profits angemeldete Organisationen finanziell zu unterstützen. Und es müssen Wege gefunden werden, auch nicht registrierte Organisationen zu fördern.
Beachtliche Erfolge, große Resilienz
Die Konferenz hat gezeigt, dass es schon einige gute Ansätze für Gegenstrategien gibt. LSBTI-Organisationen haben eine besondere Rolle. Deren Situation muss reflektiert und mit einbezogen werden. Von LSBTI-Organisationen kann man lernen: Sie zeigen eine beachtliche Resilienz und großen Mut, sie haben viel Erfahrung mit der Nutzung kleinster rechtlicher Möglichkeiten. Sie haben erfolgreich Prozesse führt, die aussichtslos schienen, wie in Botswana. Ganz besonders wichtig ist internationale Solidarität. Die kann schützen und sehr helfen. Immer aber muss vor Ort zuerst nachgefragt werden, ob öffentliches Interesse und laute Solidarität überhaupt erwünscht ist oder eher stille Diplomatie oder andere Aktivitäten, die kaum von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden.
Die Zivilgesellschaft muss immer beteiligt werden, gerade auch in Deutschland und den EU-Staaten.
Der politische Kampf gegen die repressiven Tendenzen und die Stärkung der Zivilgesellschaft ist ein Projekt für die kommende Generation.
Sarah Kohrt
LGBTI-Plattform Menschenrechte
Fotos: Caro Kadatz