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Erst wenn Kirchen sichere Orte sind, ist auch das Menschenrecht auf Religionsfreiheit gewährleistet

Amadeo Udampoh, Indonesien  Copyright: privat

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Eingangsstatement von Sarah Kohrt, Hirschfeld-Eddy-Stiftung beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Nürnberg am 8. Juni 2023, bei der Podiumsdiskussion im Rahmen der Geschlechterwelten/Zentrum Regenbogen „Sind Kirchen sichere Orte?“ Diskussion zwischen religiösen People of Color und queeren Personen im Gemeinschaftshaus Langwasser, Glogauer Str. 50, 90473 Nürnberg.

Teilnehmende:

Moderation: Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin Ev. Studierendengemeinde (ESG), Mainz
Gäste:
Amadeo Udampoh, Indonesien (Videostatement)
Quinton Ceasar, Pastor, Wiesmoor
Sarah Kohrt, LGBTIQ*-Plattform Menschenrechte Hirschfeld-Eddy-Stiftung, Berlin
Priscilla Schwendimann, Pfarrerin, Mosaic Church, Ev.-ref. Kirchengemeinde, Zürich/Schweiz
Tobias Trapp, Vorsitzender Rainbow-Refugees Mainz
Sarah Vecera, Koordinatorin Global Education, Schwerpunkt Rassismus und Kirche Vereinte Ev. Mission, Essen

Eingangsstatement von Sarah Kohrt, Hirschfeld-Eddy-Stiftung

We believe in change

Panel, Copyright: privat

So heißt das Projekt der HES, das ich leite. Wir arbeiten dabei mit internationalen queeren Aktivist*innen.

Ich möchte unsere Arbeit mit den Aktivist*innen aus dem globalen Süden in acht Thesen vorstellen:

1. Es gibt nur eine Welt und nicht zwei Welten

Die Gegner*innen behaupten Religion und LSBTIQ seien zwei Welten. Bitte tragen Sie dazu bei, dass das nicht funktioniert. Queere Gläubige sind überall. Queer sein und religiös sein ist im Alltag unserer Projektpartner*innen eins. Aber sie werden oft aus ihren Gemeinden verstoßen. Das führt zu Verlassenheit und Trostlosigkeit.

Erst wenn Kirchen sichere Orte sind, ist auch das Menschenrecht auf Religionsfreiheit gewährleistet.

2)  Kirchen müssen Teil der Lösung werden. Im Moment sind sie Teil des Problems

In Uganda wurde gerade das weltweit schärfste Gesetz gegen Homosexuelle und Trans* verabschiedet. Schon am Entwurf 2009 haben US-amerikanische fundamentalistische Evangelikale mitgeschrieben. Bevor das Gesetz im Mai ins Parlament eingebracht wurde, haben sich die Kirchen in Uganda dafür ausgesprochen.

Religion wird als Argument zur Verfolgung genutzt. Auch in anderen Ländern Ostafrikas ist es so: Religion wird als Waffe gegen queere Menschen eingesetzt.

Die Kirchen müssen hier Teil der Lösung werden.

Eine Lösung kann sein, sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu verständigen: der heißt: Keine Gewalt! Gewalt steht im Widerspruch zur christlichen Botschaft.

3)  Kulturen der Offenheit

In allen Religionen gibt es auch eine Tradition der Wertschätzung und der Offenheit gegenüber der Vielzahl an menschlichen Lebensformen. Auch bei den Evangelikalen.

Und es gibt eine Reihe von queeren Gemeinden. Die bilden sich als Reaktion auf den Ausschluss. Inklusive Gemeinden und queere Gemeinden sind sichere Orte.

4)  Keine Beteiligung an Verfolgung

In Deutschland wird humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit zu einem großen Teil* durch kirchliche Organisationen durchgeführt. Dort gibt es Vorbehalte gegenüber LSBTIQ. Es braucht eine Strategie des Umgangs damit.

Wir fordern für die Entwicklungszusammenarbeit und die politischen Stiftungen eine Selbstverpflichtung:

a) keine Beteiligung an Verfolgung
b) mit denen arbeiten, die offen sind.

5)  Kirchliche (Christliche) Arbeit sollte dekolonial sein und antirassistisch

Ein Element muss eine kritische Auseinandersetzung mit der Kolonialgeschichte und der Missionsgeschichte sein. Das muss leitend für die gesamte kirchliche Entwicklungszusammenarbeit sein.

Wie das geht ist auch Thema in unserem Projekt „We believe in change“.

6)  Theologische Antworten auf theologische Fragen

Auf echte religiöse Vorbehalte muss man mit religiösen Argumenten reagieren. Zum Beispiel mit der Bibel gegen Homophobie. Das sind Trainings, die in Deutschland, aber auch z.B. in Ruanda angeboten werden. Wir haben gerade einen Webtalk mit einer NGO in Ruanda gemacht, die solche Trainings anbietet.

7)  Prediger des Hasses sind aktiv, wir brauchen mehr Prediger der Liebe

Der wichtige gesellschaftliche Wandel wird nur mit religiösen Autoritäten erreicht. Ich möchte Desmond Tutu nennen, der das in wunderbarer Weise gezeigt hat. Er sagte einmal, er würde lieber in die Hölle gehen als in einen homophoben Himmel. “Religious leaders as agents of change.” Dafür ist Tutu ein wichtiges Beispiel.

8)  Begegnungen initiieren

Die Köpfe und Herzen der Menschen kann man im persönlichen Kontakt gewinnen. Gegen die Dämonisierung von LSBTIQ helfen persönliche Begegnungen. So finanziert Norwegen im südlichen Afrika ein Projekt, bei dem religiöse Autoritäten mit queeren Glaubensgenossen zusammengebracht werden.

Ein anderes Beispiel ist PEMA in Kenia. Diese NGO bietet Workshops an, in denen sie aufgeschlossene religious leaders und LSBTI einlädt. Meist begegnen sich diese beiden Perspektiven dort das erste Mal. Eine religiöse Autorität wurde nach einem Workshop so zitiert: „Erst jetzt ist mir klar geworden, dass es sich um Menschen handelt.“

Solche Begegnungen sind bewegend für beide Seiten. Das sollte man viel öfter machen.

Sarah Kohrt, Projektleitung Hirschfeld-Eddy-Stiftung

Ein Beitrag im Rahmen des Projekts „We believe in change“: Menschenrechte im Spannungsfeld von Religionsfreiheit und Nicht-Diskriminierung der Hirschfeld-Eddy-Stiftung 2023. Alle Publikationen zum Projekt finden sie unter dem Tag WBIC-2023.

BMJ
HES


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