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Eure Kinder sind Teil der Gesellschaft von morgen und Botschafter für eine weltoffene Gesellschaft”

Abschlusszeremonie — Dritte Europäische Regenbogenfamilien-Konferenz

Dokumentation der Rede von LSVD-Bundesvorstand Axel Hochrein

Liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Familien,

natürlich sind wir alle etwas traurig, dass die 3. Europäische Regenbogenfamilienkonferenz sich nun ihrem Ende zuneigt. Jene, die sich im Vorfeld mit Planung und Organisation viel Arbeit gemacht und in den vergangenen Tagen hier im Hintergrund gearbeitet haben, sind wahrscheinlich auch etwas erleichtert, dass alles so reibungslos geklappt hat und die Konferenz für alle Beteiligten ein Erlebnis und ein Erfolg war. Wir alle aber sollten gerade heute, am International Family Equality Day, fröhlich und auch ein wenig stolz sein, dass wir zusammen etwas für die Familien-Vielfalt getan haben. Wir haben Impulse gegeben, die wir mit dieser Konferenz aussenden und somit zur Stärkung der Regenbogenfamilien beitragen.

Ich hatte es bereits am Donnerstag während der Eröffnung der Konferenz gesagt: bis wir eine europaweite, vollständige rechtliche Gleichstellung und gesellschaftliche Akzeptanz von Regenbogenfamilien haben, müssen wir noch viel Überzeugungsarbeit leisten. Manuela Schwesig, die Familienministerin und Schirmfrau dieser Konferenz hat es in ihrer Grußbotschaft klar identifiziert: „Oftmals bin ich einfach fassungslos, mit welchen Vorurteilen Homosexuelle heute immer noch zu kämpfen haben.“ Und das Wort fassungslos trifft es genau, wenn man liest, das am Freitag der Salzburger Weihbischof Laun öffentlich folgendes erklärt: „Die Gefahr des Missbrauchs ist bei homosexuellen Menschen höher als bei Heterosexuellen.” Daher dürften gleichgeschlechtliche Paare nicht das Recht erhalten, Kinder zu adoptieren.

Da spricht also wieder einmal  ein römisch-katholischer Amtsträger als „Koryphäe“ zum Thema  Kindesmissbrauch. Ein Mitglied einer Religionsgemeinschaft, die seit Jahren am Pranger steht für Missbrauchsfälle in den eigenen Reihen, für die Vertuschung und Verharmlosung, für das, was Kindern durch Funktionsträger dieser Kirche angetan wurde. Ein Mann, der, wenn er das Zölibat ernst nimmt, von Familiengründung und Familienleben und Kindererziehung soviel Ahnung hat, wie ein Holzkreuz von Raumfahrttechnik. Der jede seriöse Statistik zu diesem Thema ignoriert. Und der, wie Dr. Brinkschröder gestern ausführte, auch im Gegensatz zu dem stehen dürfte, was 98% der Gläubigen sich im Umgang mit Homosexuellen wünschen. Also ein Paradebeispiel für die Widerlegung der Aussage: “Wem Gott gibt ein Amt, dem gibt er auch Verstand!“

Diese perfiden Vorurteile stehen natürlich im absoluten Widerspruch zur Realität in Regenbogenfamilien, entbehren jeglicher Grundlage und trotzdem tragen sie genau zu der von Frau Schwesig gemachten Feststellung bei: „Kinder von Regenbogenfamilien haben es in der Schule oft schwerer, weil ihre Eltern anders leben als die ihrer Klassenkameraden. Sie begegnen Vorurteilen, Ausgrenzung und überforderten Lehrerinnen und Lehrern.“ Und genau deshalb war und ist diese Konferenz, und sind die Ergebnisse der Konferenz, so wichtig für den weiteren,  nachhaltigen Kampf gegen diese Vorurteile.

Ich bin bei solchen Aussagen, wie denen von Bischof Laun, auch deshalb so entrüstet, weil ich eigentlich jedes Mal einen Aufschrei und Widerspruch durch die Öffentlichkeit erwarte. Dass wir das als LSVD tun und mit uns viele Community-Organisationen ist selbstverständlich. Aber wo ist die Zurechtweisung durch den neuen Papst? Wo ist der klare Widerspruch aus der Politik? Das hier geschwiegen wird, bestätigt Robert Biedron, der hier auch auf unserer Konferenz sagte: „… viele Politiker haben überhaupt keine Ahnung von Regenbogenfamilien, sie kennen keine.“ Und genau das macht es auch so mühsam, im politischen Kampf um rechtliche Gleichbehandlung von Regenbogenfamilien, und im Kampf für das gemeinsame Adoptionsrecht in Deutschland.

Eigentlich müssten wir deshalb diese Regenbogenfamilienkonferenz als „ständig tagende Konferenz“ weiter führen, um täglich ideologisch verblendeten Politikern und fanatischen Religionsführern die Möglichkeit zu geben, tolle Regenbogenfamilien — wie Ihr es seid — zu treffen, und ihre Vorurteile über Bord schmeißen zu können.
Aber keine Bange, ein mehrfaches Zusammentreffen mit solchen Leuten fällt unter den Begriff der „Folter“ und verstößt gegen die Menschenrechte, und auf jeden Fall sind sie für das Kindeswohl abträglich. Kinder sollten behütet und geliebt aufwachsen und nach Möglichkeit von Erwachsenen mit negativem Einfluss fern gehalten werden. Also verwerfen wir diese Idee lieber.

Es gab während dieser vier Tage soviel beeindruckende Momente, soviel qualifizierten Input und so hilfreiche Anregungen von Euch, dass wir, zuständig für den Bereich „politische Attacke“ noch besser gegen Vorurteile und politische Ignoranz vorgehen können und auch für die Umsetzung des Ziels der Konferenz „den Regenbogen in die Schulen zu bringen“ kämpfen können.

Die vielschichtigen und in ihrer Thematik breit gefächerten Fachforen und Workshops dieser Konferenz haben sich im Ganzen mit der leider oft noch vorhanden „Besonderheit“, die den Regenbogenfamilien in der Außenwahrnehmung zugemessen wird, beschäftigt.

Die Diskussion und der Austausch über die Situation in den einzelnen Ländern Europas, die Schlussfolgerungen und Empfehlungen aus dieser gemeinsamen Arbeit, sind enorm wichtig auf dem Weg, den die Schirmfrau Manuela Schwesig als gemeinsames Ziel definiert hat. „Gemeinsam müssen wir dafür kämpfen, dass Regenbogenfamilien in ganz Europa als Normalität und Realität anerkannt werden.“

Dazu muss der Regenbogen viel stärker in die Schulen gebracht werden. Und nicht nur, damit Kinder aus Regenbogenfamilien die Schule als sicheren Ort und einen Ort ohne Ausgrenzung erleben. Indem wir dafür sorgen, dass familiäre Realität statt traditionelle und restriktive Familienbilder in die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer und in die Lehrpläne an den Schulen einfließen, und alle Kinder somit eine weltoffene und moderne Wertevermittlung erhalten, leisten wir einen wichtigen Beitrag zu einer ausgrenzungsfreien Gesellschaft von morgen, die dann von diesen Kindern gestaltet wird.

Dazu hat diese Konferenz, wie wir gerade in dem Abschlussplenum gesehen haben, gute Wege und Instrumente erarbeitet. Wir müssen und wir werden dafür sorgen, dass sie auch umgesetzt werden. Ich kann Euch zusichern, dass mein Verband ‑und ich persönlich- dieses Ziel intensiv weiter verfolgen. Dabei gehen wir auch gestärkt und motiviert in die Zukunft. Auch Dank der Unterstützung und Expertise, die wir hier von Euch, den Regenbogenfamilien, erhalten haben.

Es haben ja mehrere Referenten und Referentinnen gesagt, welch‘ ein Unterschied es ist, theoretisch zu diskutieren oder auf die geballte Kompetenz und Praxis-Erfahrung zu treffen, die ihr mitbringt und darstellt. Und zu Recht hat Angelo Berbotto darauf hingewiesen, dass Eure Kinder Teil der Gesellschaft von morgen sein werden, und als  Botschafter für Regenbogenfamilien und Multiplikatoren einer weltoffenen Gesellschaft agieren werden.
Und das macht uns zuversichtlich, dass wir unser Ziel erreichen. Ohne Zweifel war gleich einer der ersten Programm-Punkte am Donnerstag ein absolutes Highlight, als hier am Podium Kinder und junge Erwachsene aus Regenbogenfamilien aus ihrem Leben in und mit ihrer Regenbogenfamilie berichtet haben. Das war die geballte und energievolle Widerlegung aller dummen Vorurteile, die immer wieder im Zusammenhang mit Regenbogenfamilie fallen. Das war einfach großartig!

Und ich gestehe auch, dass ich in meiner Begeisterung einen speziellen Satz von Malte in meinem Facebook Account gepostet habe, weil er die prägnante Antwort auf diesen ebenso berühmten wie berüchtigten Satz: „Kinder brauchen Vater und Mutter“ ist: „Ich habe auch ohne Vater gelernt, im Stehen zu pinkeln!“ Die Quintessenz seiner ebenso beeindruckend vorgetragenen Feststellung zum Wandel von Rollenbildern in unserer Gesellschaft. So schnell hatte ich noch nie so viele „Likes“. Und ich hoffe, ich habe die Erlaubnis von Malte, diesen wundervollen Satz weiter zitieren zu dürfen und einigen reaktionären Politikern demnächst als Lebenserfahrung eines Regenbogenfamilien-Kindes an den Kopf werfen zu können.

Auf die dummen Gesichter freue ich mich jetzt schon.

Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt, dass wir grundsätzlich auf dem richtigen Weg sind, auch wenn noch ein gutes Stück Weg vor uns liegt. Dieses Zusammentreffen ist ein wichtiger Meilenstein auf diesem Weg. Und ich denke, Köln reiht sich gut in die sich entwickelnde Geschichte dieser europäischen Regenbogenfamilientage ein. Wir als LSVD sind auf jeden Fall stolz und dankbar, dass wir zusammen mit der Friedrich-Ebert-Stiftung und NELFA diesen Meilenstein organisieren konnten. Allen die daran mitgewirkt haben möchte ich noch einmal im Namen meines Verbandes herzlich danken, eine gute Heimreise wünschen und der Hoffnung Ausdruck geben, mit den Worten: Auf Wiedersehen!

 



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