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Familie ist Vielfalt. Inklusion leben, Teilhabe sichern.“

Abschlussbericht des Bundesforums FamilieBundesforums Familie fordert auch gemeinsames Adoptionsrecht und Akzeptanz von Regenbogenfamilien

Das Bundesforum Familie umfasst rund 120 bundesweit agierende gesellschaftliche Mitgliedsorganisationen, zu denen Familien- und Wohlfahrtsverbände, Stiftungen, Forschungseinrichtungen, Parteien, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sowie Gewerkschaften und Fachverbände gehören. Der LSVD ist ebenfalls Mitglied. 

In den letzten zwei Jahren hat sich das Bundesforum Familie mit dem Thema „Familie und Inklusion“ auseinandergesetzt. Für den LSVD hat Constanze Körner vom LSVD-Regenbogenfamilienzentrum Berlin in der Arbeitsgruppe „Inklusion für die Vielfalt von Familien“ mitgearbeitet. Das Bundesforum Familie geht dabei von einem weit gefassten Inklusionsbegriff aus und zielt auf die Chancengerechtigkeit für alle Familien, um dann einen Schwerpunkt auf Familien mit Eltern und/oder Kindern mit Behinderungen zu legen.

Am 04. Dezember 2015 wurde nun der Abschlussbericht „Familie ist Vielfalt. Inklusion leben, Teilhabe sichern.“ vorgestellt und dem CSU-Bundestagsabgeordneten Paul Lehrieder als Vorsitzenden des Familienausschusses überreicht. Wir veröffentlichen Passagen aus dem Abschlussbericht, die insbesondere auf Regenbogenfamilien, Mütter- und Väterfamilien in denen mindestens ein Elternteil gleichgeschlechtlich liebt oder transgeschlechtlich lebt fokussieren und den Abbau bestehender Benachteiligungen einfordern.


Inklusion – alle Familien erleben gesellschaftliche und soziale Teilhabe (Kapitel 1)

In einer inklusiven Gesellschaft gibt es keine definierte Normalität, der jedes Mitglied dieser Gesellschaft genügen muss oder die es zu erfüllen hat. Normal ist allein die Tatsache, dass Unterschiede vorhanden sind. Unterschiede hingegen werden in einer inklusiven Gesellschaft als Bereicherung aufgefasst und haben keine Auswirkungen auf das selbstverständliche Recht der Individuen auf Teilhabe.“ (S. 5)

Familie: Das sind Paare, ob mit Trauschein oder ohne, mit Kindern oder mit behinderten oder pflegebedürftigen Angehörigen. Es sind auch Einelternfamilien, Regenbogenfamilien und Stieffamilien.“ (S. 5)

Auch das ist Vielfalt von Familien: Dimensionen sozialer Ungleichheit (Kapitel 2)

In diesem Kapitel werden zwölf Dimensionen sozialer Ungleichheit genannt, die sich auf vielfältigste Weise miteinander verschränken und gegenseitig verstärken. Genannt werden: Arbeitsmarkt, Behinderung / Beeinträchtigung, Bildung, Familienkonstellation, Geschlecht und Gender, Gesundheit, Materielle Ressourcen, Migrationshintergrund, regionaler Kontext, sexuelle Identität, soziale Einbettung sowie die Wohnsituation. All diese Dimensionen beeinflussen natürlich auch Regenbogenfamilien und führen zu einer Vielfalt unter Regenbogenfamilien. Regenbogenfamilien unterscheiden sich folglich ebenfalls stark in ihrem Alltag, ihren Teilhabechancen und Zugängen zu sozialen Gütern und Ressourcen.

Von großer Bedeutung ist ebenso, dass die zweigeschlechtliche Konstruktion von Gender in männlich und weiblich transidente und intersexuelle Menschen ‚übersieht‘, nicht mitdenkt, ignoriert oder gezielt ausschließt. Diese werden zwangsweise der Zweipoligkeit von Männlichkeit und Weiblichkeit zugeordnet und damit in ihren spezifischen Lebenslagen und Bedürfnissen ausgeschlossen.“ (S. 10)

Auch Lesben, Schwule, Bisexuelle, transidente und intersexuelle Menschen gründen Familien und wollen für ihre Partner_innen und ihre Kinder Verantwortung übernehmen. Seit der Einführung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare im Jahr 2001 und rechtliche Veränderungen in Richtung einer Gleichstellung von Regenbogenfamilien in den letzten Jahren, ist diese Familienform ein Teil unserer Gesellschaft geworden.
Doch noch immer werden Familien, die nicht dem traditionellen Bild von Familie entsprechen, gegenüber Familien mit heterosexuellen Eltern durch ungleiche Behandlung benachteiligt. Sichtbar wird diese gerade bei der Familiengründung, zum Beispiel hinsichtlich des Zugangs zur Reproduktionsmedizin, der nicht möglichen gemeinsamen Adoption eines Kindes bis hin zu diskriminierenden Verfahren, wie der durch die fehlenden gemeinsamen Adoptionsrechte erzwungenen Stiefkindadoption oder bereits in der Familie lebenden oder bereits in der Familie lebenden Kindes.
Diese komplizierten und oft auch unklaren Regelungen für Regenbogenfamilien benachteiligen vor allem die Kinder in diesen Familien und schränken sie in ihrem Recht auf Absicherung ein. Zudem geht das Leitbild der ‚Normalfamilie‘ bisher immer davon aus, dass Kinder maximal zwei Eltern haben, die Verantwortung übernehmen wollen und können. In Regenbogenfamilien und auch in Patchworkfamilien können und wollen aber oftmals mehrere Eltern die soziale und rechtliche Elternschaft übernehmen – unabhängig von der biologischen Elternschaft.“ (S. 13)

Leitlinien für Verbände, Politik und Gesellschaft (Kapitel 5)

In insgesamt zwölf Leitlinien gibt das Bundesforum Familie Empfehlungen an Verbände, Politik und Gesellschaft, um die gesellschaftliche Inklusion und Teilhabe von allen Familien zu ermöglichen.

Hin zu einer inklusiven Haltung – Vielfalt als Leitbild etablieren
„Eine wertschätzende und Vielfalt mitdenkende Haltung muss sowohl als Leitbild in der Gesetzgebung wirksam sein, als auch in der gelebten Praxis unter Fachkräften, die mit Familien zusammenarbeiten. Etabliert werden muss sie ebenso im gesellschaftlichen Alltag, wo Menschen sich täglich begegnen und miteinander umgehen.“ (S. 30)

Elternschaft für alle lebbar machen
„Alle Familien haben die gleichen Rechte – unabhängig von ihrer Form des Zusammenlebens und ihrer Konstellation. Wer füreinander Verantwortung übernimmt, muss dafür Anerkennung erhalten. Weder die sexuelle Orientierung und Identität noch der Grad einer Behinderung dürfen eine Rolle spielen, wenn es um die Absicherung von Kindern, Eltern und Verantwortungsgemeinschaften geht. Voraussetzungen dafür sind, dass heterosexuelle und homosexuelle Eltern rechtlich gleichgestellt sind und Mehreltern- und Patchworkfamilien gestärkt und anerkannt werden.“ (S. 30)

Chancengerechtigkeit in der Bildung schaffen
„Gute Bildung beinhaltet konsequente Wertschätzung von Vielfalt. Die kontinuierliche Sensibilisierung für Vielfalt und Diskriminierung muss fest verankert sein – in Lehrplänen, im alltäglichen Umgang und bereits in der Ausbildung der Fach- und Lehrkräfte. (S. 31)

Geschlechtergerechtigkeit schaffen
„Es ist nötig, frühzeitig für stereotype Rollenbilder zu sensibilisieren, Mädchen und Frauen zu stärken und Jungen und Männer in neuen Rollen zu unterstützen. Geschlechtergerechtigkeit bedeutet auch Vielfalt von Geschlecht sichtbar zu machen, anzuerkennen und jede geschlechtsspezifische Diskriminierung zu ahnden. Dazu gehört auch, das Selbstbestimmungsrecht transidenter und intersexueller Menschen sicherzustellen und rechtliche Barrieren abzubauen.“ (S. 31)



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