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Gemeinsame Strategien gegen eine Ideologie der Abwertung

LSVD-Bundesvorstand Günter Dworek (c) LSVD / KadatzDokumentation der Begrüßung von Günter Dworek, Bundesvorstand des LSVD

Akif Pirincci, einer der besonders schrillen Marktschreier in Sachen Menschenfeindlichkeit, sagte kürzlich in einem Interview: „Ich habe in letzter Zeit davon nichts gehört, dass Homosexuelle bedrängt würden“.  Na so was. Der hört sich offenbar selbst nicht zu. Also, mir würden schon ein paar Dinge einfallen: Berichte von jungen Lesben, Schwulen oder Transgender, in welch widerlicher Weise sie an ihrer Schule gemobbt und misshandelt wurden. Oder dass es auch in Deutschland ein Risiko sein kann, als Drag Queen oder gleichgeschlechtliches Paar einfach Hand in Hand auf der Straße zu flanieren.

Und „Homosexuelle“ werden bedrängt, wenn sich Talkshow-Hassplauderer anmaßen, über unser Leben zu Gericht zu sitzen und Zensuren zu verteilen. So darf heute Abend bei Anne Will zu der Fragestellung „Streitfall Homo-Ehe — Bekommen wir bald irische Verhältnisse?“ der CSU-Politiker Thomas Goppel auftreten, offenbar als Belohnung dafür, dass er gestern per Pressemitteilung gleichgeschlechtliche Beziehungen als “willkürliche Modelle“ und „Sonderformen“, beschimpft hat, die keinen „Qualitätsstempel“ verdienten. Ich finde ja, so etwas sprengt deutlich die Grenzen bürgerlichen Anstands.

Nach dem Referendum in Irland hatte es den üblichen Verdächtigen in Sachen homophober Hassparolen für einige Tage die Sprache verschlagen. Sie waren in Schockstarre, behaupten sie doch gerne, das Sprachrohr einer unterdrückten schweigenden Mehrheit zu sein, die durch irgendwelche mysteriösen Verschwörungen einer angeblich allmächtigen Homolobby geknechtet würde. Und dann votierten in einem grandiosen, fröhlichen, demokratischen Bürgerfest fast Zwei-Drittel für das gleiche Recht auf Ehe für alle. Dumm gelaufen, Frau Kelle, dumm gelaufen, Frau von Storch.

Für Deutschland deuten Meinungsumfragen auf eine ähnliche Stimmung hin. Homophobe sind heute bei uns eine Minderheit. Das ist ein bedeutender zivilisatorischer Fortschritt. Aber homo- und transphobe Stimmen werden wieder lautstärker. Sie haben angefangen, neu zu mobilisieren und sie sind nicht ohne Wirkung. Ihre Parolen verletzen. Sie treffen junge Menschen im Coming-out. Sie schlagen Wunden bei deren Eltern, Geschwistern und Freunden. Sie bieten Gewalttätern ideologische Rechtfertigung. Sie verlangsamen den Prozess von Gleichstellung und Akzeptanz.

Zu ihren politischen Schlachtfeldern gehört die Bildungspolitik. Christliche Fundamentalisten und Rechtspopulisten kämpfen mit Desinformation Seit an Seit gegen eine Pädagogik der Vielfalt. Sie bilden dabei Netzwerke auch über Deutschland hinaus. Mit schmachtendem Blick auf den starken Mann in Moskau formiert sich offenbar eine Internationale der Rassisten, Homophoben und Demokratieverächter. Sie findet auch Anschlüsse in die Mitte der Gesellschaft.

In Niedersachsen verkündete die schulpolitische Sprecherin einer Landtagsfraktion, „auf keinen Fall”, dürfe man „Schwule und Lesben in den Klassen allein gegenüber den Kindern auftreten” lassen. Dieser Wunsch nach gesellschaftlicher Quarantäne, nach Exklusion, nach Kontaktsperre — das ist nicht das Menschenbild des Grundgesetzes. Eine demokratische Gesellschaft muss vielmehr gleiche Rechte, gleiche Teilhabe garantieren und ebenso die Freiheit, jederzeit und an jedem Ort verschieden sein zu können.

Mit dem Kongress richten wir heute den Fokus auf Homophobie und Transphobie, aber wir wollen das nicht isoliert betrachten. Wir wollen Verbindungen zu weiteren der Formen von Menschenfeindlichkeit diskutieren, wir wollen nach gemeinsamen Strategien suchen. Der gegen Flüchtlinge genauso wie einen angeblichen „Gender-Wahn“ angrölende Pegida-Marschierer, die religiösen Fundis, die uns „heilen“ wollen, AfD-Rechtspopulisten, die nach Putins Vorbild so genannte „Werbung für Homosexualität“ verbieten möchten, sie alle haben etwas gemeinsam: Sie können die Vorstellung nicht ertragen, dass wir Menschen gleicher Würde wie sie selbst sind, ausgestattet mit gleichen Rechten. Und das sind die gleichen Mechanismen wie bei Rassismus, Klassismus oder Islamfeindlichkeit. Das ist auch der Kern von Transphobie, der Kern von Homophobie. Sie betrachten uns als minderwertig. Sie fühlen sich beleidigt, weil sie uns heute nicht mehr ohne weiteres beleidigen können. Ich finde, das ist wirklich krank.

Es ist vergebens, Leute überzeugen zu wollen, die es für ihre Identität brauchen, andere wegen dem abwerten, was sie sind. Es hat auch keinen Sinn, ernsthaft mit Agitatoren zu argumentieren, die die Verkaufe Ressentiments als kommerzielles oder politisches Geschäftsmodell haben. Aber es ist entscheidend, dass wir uns gemeinsam zugewandt und argumentativ um die Menschen kümmern, die vielleicht zu unserer vielfältigen Gesellschaft ein Unbehagen empfinden, die Ängste und Entfremdungsgefühle haben, aber für eine Kultur des Respekts gewonnen werden können.

Im Koalitionsvertrag zur jetzigen Bundesregierung heißt es: Der „Nationale Aktionsplan der Bundesrepublik Deutschland zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und darauf bezogener Intoleranz“ soll um das Thema Homo- und Transphobie erweitert werden.“ Es ist ein wichtiger Baustein dazu, dass das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend unseren Kongress möglich gemacht hat. Herzlichen Dank an Ministerin Schwesig und die Mitarbeiter*innen ihres Hauses. Ich hoffe, unsere heutigen Beratungen können der Bundesregierung viele gute Ideen mit auf den Weg geben.

Einen Grundsatz hätte ich schon mal für den Aktionsplan: Wer Homophobie bekämpfen will, aber Nein sagt zum gleichen Recht auf Ehe für alle, der dementiert sich selbst.

Als Antwort bekommt man gesagt, jeder habe eben seine eigene Meinung. Ist hier wirklich alles so beliebig? Es macht doch einen gewaltigen Unterschied, ob der Staat diejenigen in ihrer Haltung stützt, die Lesben und Schwulen für etwas Minderwertiges halten, nicht würdig der gleichen Rechte. Oder ob die jetzt heranwachsende Generation von Lesben und Schwulen, die erste in der Geschichte sein wird, die sich darauf verlassen kann, dass unser Staat ihnen die gleichen Möglichkeiten auf Entfaltung, auf Respekt und Menschenwürde gewährt wie allen anderen auch.
Um es mit einem Kanzlerinnen-Wort auszudrücken: Diesen Unterschied zu benennen, das ist keine Diskriminierung.

(Es gilt das gesprochene Wort)

Kongress: “Respekt statt Ressentiment. Strategien gegen die neue Welle von Homo– und Transphobie”

Weitere Berichte übewr den Kongress im LSVD-bLOG



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