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Gleichstellung im Finanzamt

Durch Verwaltungsakt zum Steuersplitting?

Der LSVD ist ein Antidiskrimi- nierungsverband und sieht es als seine Aufgabe an, benachteiligte Lesben und Schwule zu unterstützen, wenn sie sich gegen ihre Benachteiligungen wehren und ihre Rechte einklagen wollen. Außerdem hoffen wir, auf diese Weise positive Urteile der Gerichte erstreiten zu können, mit denen wir dann unsere Forderungen an die Politik untermauern können. Das ist uns in vielen Bereichen gelungen, weil viele Lesben und Schwule das Risiko einer Klage auf sich genommen haben und sich dabei auch von negativen Entscheidungen der Gerichte nicht entmutigen ließen. Auf diese Weise haben wir bereits erste Erfolge bei der Einkommensteuer erreicht.

Verpartnerte Lesben und Schwule klagen seit nunmehr zehn Jahren gegen die Benachteiligung im Einkommensteuerrecht. Mehrere dieser Verfahren sind seit 2006 beim Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts anhängig. Der müsste eigentlich genauso positiv entscheiden wie der Erste Senat in zwei Urteilen aus den Jahren 2009 und 2010. Aber der Zweite Senat schiebt die Verfahren von Jahr zu Jahr vor sich her.

Leider haben Urteile des Bundesverfassungsgerichts nur eine beschränkte Rückwirkung. Wenn die Einkommensteuerveranlagung von Lebenspartnern als Ledige rechtskräftig geworden ist, ändert ein späteres positives Urteil des Bundesverfassungsgerichts daran nichts mehr. Das bedeutet für Lebenspartner mit unterschiedlichem Einkommen: Sie müssen jedes Jahr bei der Einkommensteuererklärung immer wieder neu die Zusammenveranlagung beantragen und gegen die Ablehnung Einspruch einlegen.

Eine Zeitlang haben wir die Paare in Lebenspartnerschaften dazu ermuntert, auf eine Ablehnung der Einsprüche zu bestehen und Klage zu erheben. Aber die Klagen sind von den Finanzgerichten nicht dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt, sondern zum Ruhen gebracht worden. Wir haben deshalb einen neuen Anlauf genommen und die Betroffenen aufgefordert, einstweiligen Rechtsschutz zu beantragen. Das heißt: Sie müssen zunächst ihre Zusammenveranlagung oder die Änderung ihrer Lohnsteuerklassen beantragen. Dann können sie zusammen mit ihren Einsprüchen den Antrag stellen, dass die Vollziehung der Ablehnung der Zusammenveranlagung oder der Änderung ihrer Steuerklassen ausgesetzt wird, oder anders ausgedrückt, dass sie bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vorläufig mit Ehepaaren gleichgestellt werden.

Finanzgerichte umgeschwenkt, aber Schäuble bleibt stur
Die Finanzgerichte haben die Aussetzungsanträge zunächst abgelehnt. Aber da die benachteiligten Lebenspartner nicht aufgegeben und mit unserer Unterstützung die Ablehnungsbegründungen der Finanzgerichte immer neu zerpflückt haben, sind nach und nach immer mehr Finanzgerichte auf unsere Linie umgeschwenkt. Diese neue Situation hat schließlich auch die Abteilungsleiter (Steuer) der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder dazu bewogen, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Sie haben auf ihrer Sitzung im Frühjahr 2012 beschlossen, dass Lebenspartnern auf Antrag die Aussetzung der Vollziehung gewährt werden soll. Aber das passte Bundesfinanzminister Schäuble und der CDU/CSU nicht. Das Bundesfinanzministerium hat deshalb gegen die Vereinbarung einen Vorbehalt eingelegt. Davon haben sich aber einige Bundesländer nicht beeindrucken lassen. Daraufhin hat das Bundesfinanzministerium nachgegeben und es den Bundesländern überlassen, ob sie in diesen Fällen die Aussetzung der Vollziehung gewähren wollen.

Hinweise zum komplizierten Verfahren für die steuerrechtliche Gleichstellung
Inzwischen hat auch der Bundesfinanzhof entschieden, dass eingetragene Paare ein Recht auf einstweiligen Rechtsschutz haben, bei Einkommensteuerbescheiden allerdings nur, wenn diese nicht auf eine Erstattung, sondern auf eine Nachforderung lauten. Das alles ist für rechtsunkundige Bürgerinnen und Bürger sehr verwirrend. Deshalb noch folgende allgemeine Hinweise:

Eingetragene Paare mit unterschiedlichem Einkommen müssen zwischen den Steuerklassen und der Einkommensteuerveranlagung unterscheiden. Nach den Steuerklassen berechnet der Arbeitgeber die Lohnsteuer, die er an das Finanzamt abführen muss. Bei der Einkommensteuerveranlagung im folgenden Jahr entscheidet das Finanzamt neu über die Frage, ob Lesben und Schwule in Eingetragenen Lebenspartnerschaften zusammen zu veranlagen sind, ohne Bindung an die Lohnsteuerklassen. Deshalb müssen die Betroffenen bei der Einkommensteuerveranlagung im folgenden Jahr den Antrag auf Zusammenveranlagung neu stellen und ihn jedes Jahr wiederholen. Der Antrag ist unabhängig davon zulässig und notwendig, ob man vorher die entsprechende Änderung der Lohnsteuerklassen beantragt hat.

Verpartnerte Lesben und Schwule mit unterschiedlichen Einkommen können für 2012 rückwirkend ab dem 01. Januar 2012 die Änderung Ihrer Steuerklassen von I / I in III / V beantragen. Das Finanzamt muss die Änderung aufgrund der geltenden Fassung des Einkommensteuergesetzes ablehnen. Dagegen müssen Eingetragene Lebenspartnerschaften Einspruch einlegen und die Aussetzung der Vollziehung der Ablehnung der Änderung ihrer Steuerklassen beantragen. Das Finanzamt wird daraufhin die Lohnsteuerkarten im Wege der Aussetzung der Vollziehung wie beantragt ändern und den Einspruch zum Ruhen bringen.

Der Arbeitgeber wird aufgrund der Änderung der Steuerklassen nur die geringere Lohnsteuer für Verheiratete an das Finanzamt abführen. Dieses muss Lebenspartner im nächsten Jahr aber wieder als Ledige zur Einkommensteuer veranlagen und wegen der geringeren Lohnsteuer eine Nachforderung festsetzen. Dagegen müssen die Betroffenen Einspruch einlegen und die Aussetzung der Vollziehung der Nachforderung beantragen. Die wird das Finanzamt gewähren, mit der Folge, dass die Nachforderung nicht bezahlt werden muss. Auf vielen Umwegen werden Eingetragene Lebenspartnerschaften im Endergebnis wie Ehepaare behandelt werden.

Man ist versucht zu sagen: Hier hat der Wahnsinn Methode! Weil sich Schäuble und die CDU/CSU verbissen dagegen wehren, dass eine der letzten Benachteiligungen der Lebenspartner fällt, muten sie den Bürgerinnen und Bürgern, den Finanzämtern und den Finanzgerichten einen undurchschaubaren und unzumutbaren bürokratischen Aufwand zu.

Manfred Bruns, LSVD-Bundesvorstand




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