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Große Hoffnungen wurden geweckt”

Hossein Alizadeh zu LGBTI im Nahen Osten und in Nordafrika

Hossein Alizadeh stammt aus dem Iran. Seit über zehn Jahren lebt und arbeitet er in den USA. Eigentlich wollte er Diplomat werden, doch seit dem Start ins Berufsleben steht er im Dienst von Nicht- regierungsorganisationen. Seit 2006 arbeitet er für die International Gay and Lesbian Human Rights Commission IGLHRC in New York. Er ist dort zuständig für den Nahen Osten und Nordafrika und arbeitet mit Menschenrechtsverteidigerinnen und Aktivisten aus der Region zusammen. 

Die bleiben in vielen Ländern der Region lieber unauffällig, um nicht die Aufmerksamkeit der Regierungen oder homophober Gruppierungen zu erregen.“ Manche wollen nicht mit Gruppen aus dem Westen zusammenarbeiten, so Hossein, was zur Festnahme oder Verfolgung führen könnte. „Das respektieren wir natürlich, wir bringen die Kollegen nicht in eine Situation, die für sie oder die lokale Bewegung schädlich sein könnte.“

Die gesamte Region ist LGBTI gegenüber sehr feindlich eingestellt. Das Ausmaß der Verfolgung und Diskriminierung ist aber von Land zu Land sehr unterschiedlich. Im Iran oder in Saudi-Arabien steht auf schwulen Sex die Todesstrafe, andere Länder, etwa Marokko oder Syrien, sehen Haftstrafen vor. In Ländern ohne homophobe Strafgesetze, Ägypten, Jordanien, Türkei, greifen die Behörden auf vage Moralbestimmungen oder Betrugsvorwürfe zurück, um LGBTI zu verfolgen. Egal wie das Strafrecht aussieht, so Hossein, „in fast allen Ländern der Region sind die gesellschaftliche Diskriminierung und kulturelle Ächtung von Homosexuellen ein schmerzlicher Teil des Lebens.“

Seit einigen Jahren spielen LGBTI-Organisationen eine Rolle im nationalen oder regionalen Dialog. Das Internet ermöglichte das Bündeln von Kräften. „Aktivisten aus der Region kamen zusammen und stießen einen fruchtbaren Prozess des Erfahrungs- und Informationsaustausches an. Im Libanon, Palästina, Iran und der Türkei schufen Gruppen eine neue Sprache über Homosexualität, die eine jahrhundertealte abwertende Terminologie ersetzte. In einigen progressiven religiösen Zirkeln begannen Gelehrte damit, jahrhundertealte Vorstellungen von Homosexualität als Sünde zu hinterfragen.“ Natürlich hat die LGBTI Community noch einen weiten Weg vor sich, so Hossein, aber ihre Sichtbarkeit und die bedeutende kulturelle Arbeit, die geleistet wurde, haben bei vielen LGBTI große Hoffnungen geweckt.

LGBTI-Menschenrechtsverteidiger und Aktivistinnen in der Region müssen breite zivilgesellschaftliche Allianzen bilden, denen auch Feministinnen und Frauenrechtsgruppen angehören. Sie müssen das Thema Homosexualität in einer Weise artikulieren, dass die Bevölkerung folgen kann. Westliche Definitionen und Symbole, so Hossein, seien oftmals problematisch für die lokale Bevölkerung und entfremdeten sie noch mehr der LGBTI-Bewegung. Besonders wichtig seien Bündnisse mit progressiven religiösen Gruppen. Die Unterstützung von Religionsgelehrten mache es homophoben Gruppen schwer, LGBTI Aktivisten als unislamisch abzulehnen.

Die Gefahr, dass islamistische Gruppierungen in einem Machtvakuum ihr soziales und finanzielles Netzwerk nutzen, um die Macht an sich zu reißen, besteht durchaus. „Was im Irak passierte, kann sich in anderen Ländern wiederholen: ein brutaler weltlich orientierter Diktator tritt ab und islamistische Gruppen übernehmen. Sie zeichnen sich nicht durch Toleranz gegenüber Frauen, LGBTI oder christliche Minderheiten aus. Wenn sie andere gesellschaftliche Kräfte unterdrücken, dann wird der demokratische Prozess nur ein kurzlebiger sein und einer Theokratie wie im Iran weichen.“

Internationale Solidarität ist jetzt sehr wichtig. Aber solidarisches Handeln bedeutet immer auch Rücksprache mit lokalen Aktivisten. Die Hilfe westlicher Gruppen wird solange geschätzt, wie sie ihre politischen Vorstellungen und ihren Willen den lokalen Organisationen nicht aufzuzwingen. Gefragt sind ein partnerschaftliches Miteinander, ideelle und materielle Unterstützung in der Aufklärungs‑, Überzeugungs- und Akzeptanzarbeit.

Klaus Jetz, LSVD-Geschäftsführer



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