24.10.24 Berlin, Refugio, Grußwort von Axel Hochrein, Vorstand der Hirschfeld-Eddy-Stiftung
Herzlich willkommen zur Konferenz „Kulturen und Kolonialismus – Dekolonisierung und die Menschenrechte von LSBTIQ*“. Danke, dass Sie alle gekommen sind, wir freuen uns sehr über das große Interesse. Es ist mir eine Ehre, diese Veranstaltung zu eröffnen, die Teil unseres diesjährigen Projekts „Kulturen und Kolonialismus“ ist. Es wird ermöglicht durch eine einjährige Projektförderung durch das Bundesministerium der Justiz auf Beschluss des Deutschen Bundestages, für die wir herzlich danken.
Heute geht es um die kritische Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte, um queere Kolonialerfahrung und um neue Formen der internationalen Solidarität beim Einsatz für die Menschenrechte von LSBTIQ*-Personen. Unser Ziel ist es, postkoloniale und dekoloniale Strategien in der Menschenrechtsarbeit zu entwickeln.
Die europäischen Kolonialmächte haben in den Kolonien rigide Geschlechterrollen aufgezwungen und gleichgeschlechtliche Beziehungen kriminalisiert. Insbesondere indigene Kulturen, die gegenüber gleichgeschlechtlichen Lebensformen offen waren, wurden durch koloniale Rechtssysteme systematisch verdrängt. Bis heute bestehen in vielen Ländern strafrechtliche Verfolgungen von LSBTIQ*-Personen, die auf koloniale Gesetze zurückgehen. Diese Hinterlassenschaften behindern nicht nur gesellschaftlichen Fortschritt, sondern stellen auch eine ernsthafte Bedrohung für die Menschenrechte dar.
Find conference inputs, photos and the video here:
Konferenzbericht
Einladung und Programm / Invite and program
Fotos der Konferenz
Keynote Decolonize foreign policy, Stella Nyanzi
Keynote Dekolonialisierung und die Menschenrechte, Max Lucks
Video message The Pacific Islands and the Fight for Decolonization, Ymania Brown
Der Titel des Projekts stammt aus dem 13-Punkte-Forderungspapier der Yogyakarta-Allianz an die Bundesregierung von 2017, genauer gesagt aus Punkt 10. In diesem haben wir gefordert, dass das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ein Sonderprogramm „Kulturen und Kolonialismus“ startet. Ziel ist es, Organisationen, Personen und Gruppen in den Partnerländern zu unterstützen, die sich mit Geschichte, Lebensberichten, Geschlechtlichkeiten und Traditionen präkolonialer und aktueller Homosexualitäten auseinandersetzen; wir wollen sie darin unterstützen, Gendergeschichten zu sammeln und zu dokumentieren, um den weitverbreiteten antiqueeren Hasspredigten Fakten entgegenzusetzen, um einen menschenrechtsbasierten Diskurs zu befördern.
Die Hirschfeld-Eddy-Stiftung, als Menschenrechtsstiftung des LSVD+ – Verband Quere Vielfalt, versteht sich als Teil der internationalen queeren Bürger- und Menschenrechtsbewegung. Wir arbeiten in nationalen und internationalen Netzwerken mit. Zusammen mit der Yogyakarta-Allianz – viele ihrer Mitglieder sind heute hier – haben wir uns erfolgreich für ein LSBTIQ*-Inklusionskonzept eingesetzt. Postkoloniale und dekoloniale Ansätze sind dabei sehr wichtig. Aber warum?
- Glaubwürdigkeit: Der Einsatz für die Menschenrechte von LSBTIQ*-Personen weltweit kann nur glaubwürdig sein, wenn gleichzeitig eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Kolonialgeschichte stattfindet.
- Vergangenheit: Deutschland hat eine gewaltvolle Kolonialgeschichte, die zu lange ausgeblendet und verharmlost wurde.
- Dekolonialität: Für die Organisationen und Menschen, mit denen wir täglich arbeiten, werden dekoloniale Ansätze immer wichtiger.
Gleichzeitig werden gerade die Menschenrechtsarbeit für LSBTIQ*-Personen und feministische Ansätze oft als „neokolonial“ diffamiert. Aber die queerfeindliche und antifeministische politische Einflussnahme z.B. von evangelikalen Gruppen aus Nordamerika oder Europa auf dem afrikanischen Kontinent wird nicht erwähnt.
Wie können wir uns also für die Rechte von LSBTIQ*-Menschen einsetzen, ohne dabei koloniale Mechanismen zu reproduzieren? Diese Frage wird uns heute begleiten.
Die Vielfalt der heute Anwesenden — NGOs, Menschenrechtsaktivistinnen, Expert*innen aus der Entwicklungszusammenarbeit und MdBs bis hin zu Vertreterinnen der queeren und der dekolonialen Community, von Ministerien, aus der Wissenschaft und diasporischen Gruppen — bietet genau den richtigen Rahmen und beste Voraussetzungen, um diese Diskussion differenziert führen zu können.
Wir freuen uns, dass wir heute diesen Raum für Diskussion und Austausch schaffen können.
Ich lade euch alle ein, eure Perspektiven und euer Wissen offen einzubringen. Lasst uns gemeinsam über Grenzen hinweg lernen, globale Solidarität neu definieren und zusammen an einem gerechteren Umgang mit den Rechten von LSBTIQ*-Menschen arbeiten. Denn die Menschenrechte sind universell, und unteilbar und die Wege dorthin müssen kontextbezogen und respektvoll gestaltet werden.
Wir haben dazu heute zwei spannenden Keynotes und zwei sehr interessante Panels im Programm. Nach dem ersten Panel machen wir eine Kaffeepause, und um 18 Uhr werden wir mit einer Zusammenfassung und anschließendem Get Together mit Essen schließen.
Ich wünsche uns allen eine inspirierende, respektvolle und produktive Konferenz und freue mich auf spannende Diskussionen.
Vielen Dank!
Axel Hochrein, Vorstand Hirschfeld-Eddy-Stiftung
Links:
- https://blog.lsvd.de/endlich-ist-es-da-lsbti-inklusionskonzept-der-bundesregierung-fuer-die-auswaertige-politik-und-entwicklungszusammenarbeit-veroeffentlicht/
- https://www.hirschfeld-eddy-stiftung.de/schriften/flyer-kulturen-und-kolonialismus
- https://www.hirschfeld-eddy-stiftung.de/kulturen-und-kolonialismus
- https://blog.lsvd.de/forderungen-an-einen-lsbti-aktionsplan-des-bmz-aus-zivilgesellschaftlicher-sicht/
Konferenz der Hirschfeld-Eddy-Stiftung im Rahmen des Projekts „Kulturen und Kolonialismus — Der Kampf um die Menschenrechte von LSBTIQ* im Licht der Debatte um Dekolonisierung“.