Rechte einfordern, die Zukunft mitgestalten, mit Behörden zusammenarbeiten und Regierungsvertreter*innen für ihr Handeln oder ihre Inaktivität zur Rechenschaft ziehen. Darum geht es dem regionalen Netzwerk LGBTI Equal Rights Association ERA im Westbalkan und der Türkei. Die in der ersten Oktober-Woche durchgeführte ERA-Jahreskonferenz in Skopje war die erste ihrer Art in Mazedonien. Sie fand mit Unterstützung der Hirschfeld-Eddy-Stiftung und des LSVD mit Mitteln des Auswärtigen Amtes statt und bot für ERA und die Mitgliedsorganisationen aus Mazedonien eine gute Gelegenheit, LSBTI-Themen mit politischen Entscheidungsträger*innen und Vertreter*innen anderer zivilgesellschaftlicher Organisationen zu diskutieren und voranzubringen.
Mit ERA-Geschäftsführer Amarildo Fecanji sprach ich über die Ergebnisse der Konferenz. Das wichtigste Ergebnis war sicherlich die Stärkung der zwischenstaatlichen LSBTI-Plattform durch die Entscheidung der Regierung Mazedoniens für die nächsten beiden Jahre deren Vorsitz zu übernehmen. Dass die Regierungsvertreter*innen sich darauf einigten, ERA als technisches Sekretariat und zivilgesellschaftliche Ansprecherpartnerin zu installieren, bedeutet für unsere Partnerorganisation, dass sie großen Einfluss gewinnt auf die Steuerung der regionalen Plattform. „Wir werden dafür sorgen, dass es bald ein weiteres Regierungstreffen gibt. Die Plattform bietet ideale Möglichkeiten der Überzeugungsarbeit für uns als Interessenvertretung“, so Amarildo.
Des Weiteren sind der vertiefte Dialog und die Zusammenarbeit zwischen ERA und der interfraktionellen LSBTI-Arbeitsgruppe im mazedonischen Parlament zu nennen. Die Arbeitsgruppe zeigte sich sehr engagiert und nahm an allen Panel-Veranstaltungen der Konferenz teil. Zudem schlug ERA vor, ein regionales Seminar für LSBTI-freundliche Parlamentarier*innen des Westbalkans durchzuführen. Und die Zusammenarbeit mit den sozialdemokratischen Parteien der Region soll vertieft werden. Diese Übereinkunft konnte erzielt werden dank der Teilnahme von Vertreter*innen von Rainbow Rose an der Konferenz in Skopje. Auch für die ERA-Mitgliedsorganisationen aus der Türkei gab es Erfolge in Skopje: Es wurde eine regionale Initiative beschlossen, die darauf abzielt, engere Kooperationen zwischen Stadtverwaltungen aus der Türkei und den Ländern des Westbalkans herzustellen.
Ob denn die Konferenz auch in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde, wollte ich von Amarido wissen. „Die Medien haben ausführlich berichtet“, so Amarildo. „Wir haben unsere Inhalte über die sozialen Medien, Pressemitteilungen, TV-Interviews und Hintergrundberichte in die Öffentlichkeit getragen. Auch die Teilnahme des deutschen und niederländischen Botschafters war wichtig. So kann das Bewusstsein für LSBTI-Rechte in Mazedonien gestärkt werden.“ Weitere Kooperationen wurden verabredet mit dem schwedischen LSBTI-Verband RFSL in den Bereichen Strategieplanung, Fundraising und Programmentwicklung für die ERA-Mitgliedsorganisationen vor allem in der Türkei sowie dem Regional Youth Cooperation Office (RYCO) in Albanien und dem Deutsch-Französischen Jugendwerk (DFJW), um den Austausch zwischen Jugendlichen aus den verschiedenen Ländern zu befördern. RYCO ist letztes Jahr als Initiative des DFJW gegründet worden, um die guten Erfahrungen mit dem Jugendaustausch auch auf dem Westbalkan umzusetzen. Überhaupt bot die Konferenz in Skopje eine gute Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch über Best practice-Beispiele, Kampagnentools, politische Teilhabe oder die Inklusion von LSBTI in Kultur und Sport oder Fragen der schulischen Bildung.
Warum war es so wichtig für Mazedonien, dass die diesjährige ERA-Konferenz im Land stattfand? Amarildo verweist auf den Regierungswechsel vor einem Jahr, der auch mehr Offenheit für LSBTI-Themen und zivilgesellschaftliche Anliegen allgemein brachte. „Unsere Mitgliedsorganisationen in Mazedonien leisten wichtige Überzeugungsarbeit gegenüber Politiker*innen, bieten ihr Know how und ihre Zusammenarbeit bei Gesetzesvorhaben an. Als nächstes wichtiges Vorhaben steht die Erweiterung des Antidiskriminierungsgesetzes um die Gründe sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität auf der Tagesordnung. Außerdem geht es aktuell auch um Gesetze für die Anerkennung der geschlechtlichen Identität oder um LSBTI-Inklusion durch eine Reform der Bildungspläne. Da ist es natürlich gut, wenn eine internationale Konferenz stattfindet, die genau diese Themen diskutiert und so für mehr Öffentlichkeit sorgt.“
Von der Arbeit der zwischenstaatlichen LSBTI-Plattform erwartet ERA mehr Dynamik für schnellere rechtliche Reformen und politische Veränderungen in der Region. „Wir können unsere Regierungen zur Rechenschaft ziehen bei versprochenen Reformen, können unsere Expertise einbringen, können unsere internationalen Partner zu mehr Engagement in den Reformprozessen ermutigen, und wir können auch unsere Politiker*innen und Entscheidungsträger*innen für mehr Reformen und Rechte für LSBTI gewinnen. Wir brauchen dieses Netzwerk auch, um die großen Probleme, die unsere Mitgliedsorganisationen haben, die Anfeindungen, die wir in unseren Ländern erfahren, offen ansprechen zu können“, so Amarildo. Dass ERA daran beteiligt ist, ist ein großer Erfolg für unsere Partnerorganisation, die sich erst vor vier Jahren auf einer unserer LSBTI-Konferenzen in Belgrad gegründet hat. Unsere Zusammenarbeit wollen wir auch im nächsten Jahr fortsetzen.
Klaus Jetz, LSVD-Geschäftsführer