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Heiliger Sebastian, hilf!

Scheinheiliger Schützenbund

Es hat republikweit Aufsehen erregt: Der Bund der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften (BHDS) hat im März auf seiner Bundesvertreterversammlung in Leverkusen einen Beschluss gefasst, wonach es zukünftig homosexuellen Schützenkönigen untersagt ist, gemeinsam mit dem gleichgeschlechtlichen Lebenspartner als Königspaar öffentlich aufzutreten. Ein solches Verhalten sei unvereinbar mit den katholischen Grundsätzen des Verbandes.

Medial ging dieser Schuss total nach hinten los. Nahezu die gesamte Presselandschaft verurteilte den Schützen- beschluss. BILD.de fragte entgeistert: „Ja, wo leben die denn?!“ Und weiter: „Haben die ‘nen Schuss?!“ (11. März 2012). Der „Münchner Merkur“ bemerkte zur Abstimmung im Rheinland trocken: „Katholisch, konservativ, intolerant. (… ) In Bayern schütteln nicht nur Schützen den Kopf“ (13. März 2012). Die „Neue Osnabrücker Zeitung“, eines der größten Regionalblätter Deutschlands, widmete der Sache am gleichen Tag sogar einen umfangreichen Kommentar und meinte: „Werte überliefern, Bewährtes pflegen – Tradition ist an sich nichts Schlechtes, im Gegenteil. Mit der Entscheidung des Verbandes, homosexuelle Schützenkönigspaare aus seinen Reihen zu verbannen, hat der Verband aber vor allem gezeigt, dass bei ihm auch die Intoleranz in fester Tradition steht.“ Die Zeitung griff auch eine Formulierung aus einer Pressemitteilung des LSVD auf und betonte: „Jeder und jede Homosexuelle muss sich hier vor den Kopf geschlagen fühlen, denn der Ausschluss zeugt von einem eklatanten Mangel an menschlichem Respekt.“

Genau das macht die Bedeutung dieser Angelegenheit aus. Homosexuelle Vereinsangehörige werden zu Mitgliedern zweiter Klasse degradiert. Das ist Diskriminierung pur und eine ernste Sache, die die gesamte Gesellschaft etwas angeht. So etwas darf kein Präzedenzfall werden. Die Betroffenen haben die volle Unterstützung des LSVD, gegen die diskriminierende Beschlussfassung innerverbandlich oder auch rechtlich weiter vorzugehen.

In die zweite Reihe verbannt
Die Affäre trägt freilich auch ungewollt komische Züge. Der BHDS beruft sich auf die Lehre der katholischen Kirche. Der katholische Weltkatechismus wendet sich aber ausdrücklich gegen die Diskriminierung von Homosexuellen. Und zwar heißt es darin wortwörtlich: „Man hüte sich, sie in irgendeiner Weise ungerecht zurückzusetzen.“ Dem Partner eines schwulen Schützenkönigs soll es aber nur erlaubt sein, bei Schützenumzügen in der zweiten Reihe hinter seinem Lebenspartner herzugehen, anders als die Ehefrau oder Partnerin, die neben dem Schützenkönig gehen darf. Sinnbildlicher könnte man „Zurücksetzung“ kaum inszenieren. Der Lebenspartner wird in die zweite Reihe verbannt, muss sozusagen zurück ins Glied. Das ist ein klassischer Fall von Scheinwahrung und damit von Scheinheiligkeit.

Schwule Ikone als Schutzpatron
Aber irgendwie scheint es, dass Schwule und Schützen doch etwas verbindet: Schutzpatron des „Bundes der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften“ ist der heilige Sebastian. Der römische Offizier erlitt der Legende nach unter der Herrschaft von Kaiser Diokletian den Märtyrertod. Sebastian sollte durch Pfeilschüsse hingerichtet werden. Er überlebte die Schussverletzungen, protestierte nach seiner Genesung beim Kaiser gegen die Christenverfolgung, wurde erneut verhaftet und schließlich erschlagen. Die Website des BHDS schwärmt unter der Überschrift „St. Sebastianus. Unser Schutzpatron“ geradezu hingebungsvoll: „Auf Abbildungen und figürlichen Darstellungen ist Sebastian als junger, schöner Mann zu erkennen, der meist fast nackt an einen Baum gebunden und von Pfeilen durchbohrt ist oder ein paar Pfeile in der Hand hält.“

In der Tat wird der heilige Sebastian in der Kunst spätestens seit der Renaissance oft höchst lasziv dargestellt. Als verfolgte sinnliche Schönheit, und vielleicht auch wegen der nicht gerade subtilen Pfeil-Symbolik, gilt der Märtyrer vielen als die erste schwule Ikone – von Caravaggio bis Keith Haring, von den Gedichten Federico García Lorcas über Derek Jarmans Spielfilm „Sebastiane“ bis hin zu den vielen Sebastian-Bildern von Pierre et Gilles. Hoffen wir bloß, dass die Schützenoberen davon keinen Wind bekommen. Sonst stellen sie am Ende auch noch den heiligen Sebastian in die zweite Reihe. Dann wären sie endgültig von allen guten Geistern verlassen.

Günter Dworek, LSVD-Bundesvorstand



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