Erinnerung an die erste Homosexuellenbewegung
Berlin, 1897. In seiner Wohnung organisiert der Sexualwissenschaftler Dr. Magnus Hirschfeld ein Treffen mit dem Verleger Max Spohr, dem Juristen Eduard Oberg und dem Schriftsteller Franz Joseph von Bülow. Ihr Anliegen: Die Abschaffung des be- rüchtigten § 175, der „beischlafähnliche Hand- lungen“ zwischen Männern unter Strafe stellt. Sie gründen die weltweit erste Organisation, die sich gegen antihomosexuelle Strafgesetze wendet und für die Bürgerrechte von Lesben, Schwulen, Bi‑, Trans- und Intersexuellen streitet. Ein Denkmal soll nun an die erste internationale Emanzipationsbewegung erinnern.
Magnus Hirschfeld und seine Mitstreiter kämpfen unermüdlich in Politik und Öffentlichkeit. 1929, nach mehreren Petitionen an den Reichstag, der vermeintliche Erfolg. Der Strafrechtsausschuss des Reichstags will homosexuelle Handlungen entkriminalisieren. Doch zur Abschaffung von § 175 kommt es nicht mehr. Nach Hitlers Machtübernahme im Januar 1933 plündern die Nationalsozialisten Hirschfelds Institut für Sexualwissenschaft. Bücher und Schriften sowie eine Büste von Magnus Hirschfeld werden vernichtet. Hirschfeld muss fliehen, wird später ausgebürgert und stirbt 1935 im französischen Exil. Kurz nach seinem Tod wird § 175 drastisch verschärft und erst 1994 endgültig abgeschafft.
Doch Hirschfelds Erbe lebt weiter und bleibt bis heute aktuell. 1991 entscheidet sich der Bezirk Berlin-Tiergarten für Hirschfeld als Namensgeber eines im Regierungsviertel geplanten Stegs über die Spree. Da dieser Beschluss 1997, 100 Jahre nach dem legendären Gründungstreffens in Hirschfelds Wohnung, immer noch nicht umgesetzt ist, benennt der LSVD Berlin-Brandenburg (damals noch SVD) den Platz vor dem Haus der Kulturen der Welt symbolisch um. Denn dort, nur 20 Meter entfernt, stand Hirschfelds 1919 gegründetes Institut für Sexualwissenschaft.
Denkmal gleich beim Kanzleramt
Nach Jahren intensiven Engagements des LSVD wird 2008 der Uferabschnitt zwischen Schloss Bellevue und Berliner Hauptbahnhof – direkt gegenüber dem Bundeskanzleramt – in Magnus-Hirschfeld-Ufer umbenannt. Seit 2011 informieren zwei Gedenktafeln über die erste homosexuelle Emanzipationsbewegung. Magnus Hirschfeld und seine Mitstreiter schwammen gegen den reißenden Strom der Ignoranz und Intoleranz ihrer Zeit.
Wir wollen, dass dort, am Magnus-Hirschfeld-Ufer, ein Denkmal für die erste homosexuelle Emanzipationsbewegung errichtet wird. Es soll Politik und Gesellschaft beständig daran erinnern, für Freiheit und Vielfalt einzustehen. Als Lernort erzählt es nicht nur Schülerinnen und Schüler die Geschichte vom Kampf um Anerkennung und Respekt. Touristinnen und Touristen aus Regionen und Ländern, in denen weniger offen mit Homosexualität umgegangen wird, werden sich mit dem Denkmal auseinandersetzen. Es wäre ein wichtiges Zeichen!
Viel Unterstützung
Gemeinsam mit dem LSVD Berlin-Brandenburg rufen der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Lala Süsskind, sowie zahlreiche Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Wirtschaft dazu auf, den Bau des Denkmals mit einer Spende zu unterstützen. Im Rahmen der Hirschfeld-Tage im Mai und Juni 2012 fanden in Berlin mehrere Benefizveranstaltungen statt. Mit der Unterstützung des Wintergarten Varieté und Star-Gästen wie Gitte Haennig, des BKA-Theaters und der Company von Ades Zabel, dem Chor concentus alius und dem CHAMÄLEON Theater konnten mehrere tausend Euro an Spenden gesammelt werden. Auch der Bruno Gmünder Verlag will das Vorhaben zukünftig aktivunterstützen. Weitere Spenderinnen und Spender sind herzlich willkommen.
Jörg Steinert, LSVD Berlin-Brandenburg