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Homophobe Arbeitgeber

Forschungsprojekt zum kirchlichen Arbeitsrecht

 

Jene, die […] Toleranz gebrauchen, um bestimmte Rechte für zusammenlebende homosexuelle Personen einzufordern, müssen daran erinnert werden, dass die Toleranz des Bösen etwas ganz anderes ist als die Billigung oder Legalisierung des Bösen.“  Kardinal J. A. Ratzinger

 

Was sich anhört wie eine Aussage aus dem finstersten Mittelalter, stammt aus einem Schreiben der „Kongre- gation für die Glaubens- lehre“ aus dem Jahre 2003, das von dem damaligen Leiter der Kongregation, Kardinal Joseph Aloisius Ratzinger (inzwischen Papst Benedikt XVI), unterzeichnet ist. Dabei handelt es sich jedoch nicht um die homophobe Einzelmeinung des von Millionen Gläubigen als „Stellvertreter eines göttlichen Wesens auf Erden“ Verehrten, sondern ist neben anderen anti-emanzipatorischen Ideologien wie Sexismus und Antisemitismus tief in den Grundsätzen der Katholischen Kirche verankert.

Diese Grundsätze werden von der Römisch-katholischen Kirche nicht nur hinter verschlossenen Kirchentüren zelebriert, sondern beispielsweise auch bei der Ausübung ihrer Rolle als Arbeitgeberin. Insgesamt sind in der Bundesrepublik Deutschland 1,3 Mio. Menschen im evangelischen und katholischen kirchlichen Dienst beschäftigt. Damit ist die Kirche nach dem Staat die zweitgrößte Arbeitgeberin. Insbesondere die Angestellten in der Katholischen Kirche haben jedoch weit weniger Rechte als Menschen in anderen Arbeitsverhältnissen. Rechtlich legitimiert ist dies durch das kirchliche Arbeitsrecht und das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen, das im Grundgesetz in Art. 140 ausdrücklich erwähnt wird.

Das Selbstbestimmungsrecht macht die Katholische Kirche faktisch unabhängig von der Verfassung und den allgemein geltenden Gesetzen. Dabei wird ihre Arbeit massiv staatlich finanziert: Kirchliche Einrichtungen, wie z.B. Caritas oder Diakonie, erhalten jährlich bis zu 50 Mrd. Euro und werden somit zu 90 % durch den Staat subventioniert. Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft sind in vielen Bereichen nicht an allgemein geltende Rechtsvorschriften gebunden. So können sich die Kirchen beispielsweise in Kündigungsschutzverfahren auf kirchenrechtliche Besonderheiten, wie die „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“ berufen, in welchen jeweils die den Beschäftigten obliegenden Loyalitätspflichten normiert sind. Homosexualität kann dann leicht zum Kündigungsgrund werden.

Dabei kann die Katholische Kirche auf ein bemerkenswertes Drohpotential zurückgreifen. Schon wenn ein Profil auf gayromeo bekannt wird, ist das ein Grund zur fristlosen Kündigung. Das Gleiche gilt für das Eingehen einer Lebenspartnerschaft. Manchmal ist die Katholische Kirche jedoch „großzügig“ und bietet Betroffenen die Möglichkeit, an einer katholisch-psychologischen Therapie durch einen beauftragten Kirchenvertreter teilzunehmen, um den „vorhandenen homosexuellen Neigungen“ entgegenzuwirken und „nach Heilung“ eine Kündigung abzuwenden. Die Liste der unglaublichen Vorkommnisse ist lang. Was in anderen Beschäftigungsverhältnissen spätestens seit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz 2006 zumindest offiziell nicht mehr möglich ist, wird von der Katholischen Kirche offen praktiziert: Eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität.

Die Angst der Betroffenen vor Kündigung in Verbindung mit der Einschüchterungstaktik der katholischen Arbeitgeber lassen eine hohe Dunkelziffer an Fällen vermuten. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass die Betroffenen vor Prozessen zurückschrecken. Die meisten homosexuellen Beschäftigten in kirchlichen Einrichtungen werden daher nie offen zu ihrer Homosexualität stehen oder gar eine Lebenspartnerschaft eingehen können.

Das Team der Law Clinic erarbeitet im Rahmen eines zweisemestrigen Forschungsprojekts an der Humboldt Universität zu Berlin in Kooperation mit dem LSVD eine Möglichkeit, dieser Situation zu begegnen. Unser Ziel ist es, ein Rechtsgutachten zu entwerfen, das den Betroffenen hilft und Argumente für die rechtspolitische Debatte zusammenstellt. Dafür werden wir  die verschiedenen Widersprüche zwischen der Privilegierung der Katholischen Kirche einerseits und der geltenden arbeits‑, verfassungs- und europarechtlichen Errungenschaften für den einzelnen Betroffenen andererseits offen legen.

Humboldt Law Clinic

Kathrin Böhler, Stephanie Kamen und Henning Jungclaus

Law Clinic

Der vorstehende Text gibt die persönliche Meinung des Autor_innen wieder und spiegelt nicht notwendigerweise die Position der Humboldt Law Clinic.”



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