Personalpolitik der katholischen Kirche
Die römisch-katholische Kirche ist einer der größten Arbeitgeber in Deutschland. Tausende Lesben und Schwule sind bei ihr als Erzieher, Krankenpflegerin, Arzt, Lehrerin, Studienrat oder Professorin angestellt. Aber Homosexualität ist für die katholische Kirche nach wie vor eine schwere Sünde. Sie entlässt zwar Beschäftigte nicht allein deshalb, weil sie lesbisch oder schwul sind. Sie duldet in der Regel auch, dass Mitarbeiter mit einem gleichgeschlechtlichen Partner oder Partnerin zusammenwohnen. Problematisch wird es aber, wenn Beschäftigte eine Lebenspartnerschaft eingehen.
Zwar kündigen die Leitungen vieler katholischer Einrichtungen ihren Beschäftigten trotz Eingehung einer Lebenspartnerschaft nicht. Aber wenn das ein „frommes“ Gemeindemitglied oder eine gekränkte Kollegin mitbekommt und der Bistumsleitung meldet, ist die Kündigung in der Regel nicht mehr zu vermeiden. Weil die katholischen Bischöfe das Lebenspartnerschaftsgesetz nicht verhindern konnten, hat der „Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz“ 2002 beschlossen, dass eine Verpartnerung immer einen schwerwiegenden Loyalitätsverstoß darstellt, der die Kündigung nach sich zieht. Die Angestellten sind folglich gezwungen, ihr Privatleben und ihre Beziehungen zu verheimlichen. Andernfalls riskieren sie eine Kündigung. Monat für Monat wenden sich Betroffene daher an den LSVD, entweder weil sie heiraten wollen und befürchten, dass ihr Arbeitgeber davon erfährt, oder weil ihnen eine Kündigung angedroht worden ist.
Vor einer Verpartnerung müssen wir den Betroffenen leider raten, ihre Hochzeit nur im engsten Familienkreis zu feiern und niemandem davon zu erzählen. Bei den Melde- und Standesämtern sollten Sperrvermerke eingetragen werden, den Finanzämtern sollte mitgeteilt werden, dass für beide weiterhin die Steuerklasse I
gültig ist. Im Klartext heißt das: Die Paare müssen sich verstecken wie in Zeiten staatlicher Verfolgung. Das ist für die allermeisten so unerträglich wie unmöglich.
So begleiten wir als Beistand seit vielen Jahren solche Kündigungsfälle:
- Mehrere Erzieherinnen sind aus katholischen Kindergärten entlassen worden. Sie hatten ein Kind geboren und ihre Frau geheiratet, weil diese das Kind sonst nicht als „zweiter Elternteil“ hätte adoptieren können. Absurderweise wollte die katholische Kirche die Erzieherinnen weiter beschäftigen, wenn sie sich bereit erklärt hätten, sich scheiden zu lassen und ihre Kinder als alleinerziehende Mütter großzuziehen. Dazu waren die Frauen natürlich nicht bereit.
- In drei Verfahren hat sich die Kölner Katholische Zusatzversorgungskasse geweigert, dem Lebenspartner die betriebliche Hinterbliebenenrente auszuzahlen, weil die verstorbenen Arbeitnehmer durch die heimliche Eingehung einer Lebenspartnerschaft schwer gesündigt hätten.
- Ein 60jähriger Studienrat sollte nach 30 Jahren an einem katholischen Privat-Gymnasium entlassen werden. Er hatte seinen langjährigen Lebensgefährten geheiratet, um ihm die Hinterbliebenenpension zu sichern und die hohe Erbschaftsteuer zu ersparen.
Mit Unterstützung des LSVD konnte in allen Kündigungsfällen nachgewiesen werden, dass die Kündigungen diskriminierend waren. Denn andere heterosexuelle Angestellte hatten auch gegen geltende katholische Moralvorschriften verstoßen: Sie lebten ohne Trauschein mit jemandem zusammen, hatten erneut geheiratet oder ließen ihr Kind nicht taufen. Ihnen war jedoch nichts passiert. Außerdem machten wir darauf aufmerksam, dass über solche Prozesse bundesweit kritisch berichtet wird. Daraufhin lenkten die Leitungen der Einrichtungen ein. In den Vergleichen haben sie sich verpflichtet, den gekündigten Beschäftigten die Regelabfindung zu zahlen.
Für den LSVD ist es eindeutig: Es kann nicht sein, dass Lesben und Schwule in Einrichtungen, die aus Steuergeldern finanziert werden, nur arbeiten dürfen, wenn sie sich verleugnen. Die katholische Kirche darf sich als Arbeitgeber nicht außerhalb des Diskriminierungsverbots in der Verfassung und dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz stellen. Kurzum: Sie muss Lesben und Schwule sowie die Lebenspartnerschaft endlich anerkennen.
Manfred Bruns, LSVD-Bundesvorstand