Besuchsreise homosexueller Aktivisten aus Afrika in Berlin (II)
Nachdem am Montag die Verfolgung von Homosexuellen im Nationalsozialismus und Lehren aus der Geschichte im Mittelpunkt des Programms standen, ging es gestern vor allem um die religiöse begründete Homophobie, insbesondere im Christentum und im Islam.
Zunächst lieferte der ehemals für den Vatikan tätige katholische Theologe und Philosoph David Berger wichtige Einblicke in die römisch-katholische Ideologie in Bezug auf Homosexualität und den Umgang mit Homosexuellen. Er erläuterte die „scheinheilige und unlogische Konstruktion“ in der päpstlichen Lehre von der homosexuellen Veranlagung einerseits, der mit Mitleid begegnet werden müsse, und der praktizierten Homosexualität anderseits, die eine Todsünde sei.
Die Radikalisierung durch Papst Benedikt ist laut Berger das aktuelle Grundproblem der römisch-katholischen Kirche im Umgang mit der Homosexualität. Der Papst stützt sich in seiner Lehre auf die Evolutionstheorie, eine zutiefst unmoralische Einstellung, die keinen Unterschied mache zwischen tierischer und menschlicher Sexualität. Zugleich habe er der Ex-Gay-Bewegung in der Kirche Tür und Tor geöffnet. Unzählige Geistliche seien homosexuell. Sie führten mit Kenntnis des Hohen Klerus ein Doppelleben. Dies führe in der Kirche zur Unsichtbarkeit von Homosexualität und leiste der Homophobie Vorschub. Viele der homosexuellen Geistlichen projizierten ihre internalisierte Homophobie nach außen.
Die Gäste aus Afrika bombardierten Berger förmlich mit Fragen. Sie wollten vor allem wissen, ob er Ähnlichkeiten zwischen den Religionen sehe und ob es eine gemeinsame Strategie zur Überwindung der homosexuellenfeindlichen Einstellungen in den großen Offenbarungsreligionen gebe. Laut Berger ist die Entwicklung der jeweiligen Religionen so unterschiedlich verlaufen, dass auch die Argumentationen jeweils andere sein müssen.
Rabeya Müller vom Liberal Islamischen Bund ging in ihrem Vortrag auf die Auseinandersetzungen ihrer jungen Organisation mit konservativen islamischen Strömungen zum Thema Homosexualität und Frauenrechte ein. Sie hob die Menschenrechte, das Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit sowie die Selbstbestimmung in der Lebensgestaltung eines Menschen hervor.
Das vorherrschende Religionsverständnis in den Herkunftsländern vieler Gläubiger könne nicht Maßstab sein für Muslime in Westeuropa. Auch wenn Muslime Homosexualität ablehnen, so müssten sie dennoch der Vernunft folgen und Lesben und Schwulen mit Respekt begegnen. Auf besonderes Interesse stießen ihre Ausführungen bei der Repräsentantin von Abu Nawas aus Algerien und beim offen schwul lebenden Imam Muhsin Hendricks aus Südafrika, die verschiedene Koranauslegungen und die Reformierbarkeit des Islam ansprachen.
So-Rim Jung vom LSVD Berlin-Brandenburg stellte schließlich die Arbeit des Zentrums für Migranten, Lesben und Schwule vor. Sie stellte ihre Beratungsarbeit und die Kooperationen mit den verschiedenen Migration-Communities in Berlin vor. Die anschließende Diskussion kreiste vor allem um Fragen des Asylrechts und die Beratungsarbeit mit homosexuellen Flüchtlingen.
Klaus Jetz
Hirschfeld-Eddy-Stiftung