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Im Familienstammbaum

respekt heft 21Familie ist, wo Kinder sind – eine kluge Formel, die nicht ausgrenzt. Und Kinder – das sagen uns zumindest unsere Eltern – sind wir gewissermaßen ein Leben lang. Kinder bleiben Kinder, auch dann, wenn sie schon aus dem Haus sind.

Regenbogenfamilien – der Begriff meint in vielen Sprachen die Familien, in denen Schwule und Lesben Verantwortung für Kinder übernehmen, es also mindestens einen sozialen oder biologischen Elternteil gibt,
der homosexuell ist.

Es gibt eine unsäglich lange Tradition der Ausgrenzung von Homo­sexuellen aus der Lebensform Familie. Regenbogenfamilien sind dagegen das Symbol für den neuen Anfang. Deshalb ist das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare ein solches Politikum: Männer und Frauen, denen gleiche Rechte am Herzen liegen, engagieren sich für das volle Adoptionsrecht, egal ob sie homosexuell sind oder sich selber Kinder wünschen. Denn sie wollen nicht, dass die Kerninstitution der Gesellschaft, die Familie, als Instrument der Ausgrenzung dient. 

Unerwartet wie der Regenbogen erscheint in mancher Familie plötzlich das Thema Homosexualität. Eine Lehrerin, die in ländlicher Umgebung lebt, verliebt sich, nachdem die Kinder aus dem Haus sind, in eine Frau. Sie lässt sich von ihrem Mann scheiden und verpartnert sich. Bei Familienfeiern kommt nun eine Regenbogenfamilie zusammen, auch wenn das gar nicht so geplant war. Das Coming-out, das nicht in der Jugend, sondern eher in der Mitte des Lebens geschieht, nennen wir Spätes Coming-out. Es ist für die Angehörigen nicht einfach, weil sich damit Identitäten und das familiäre System verändern.

Historisch spät stellt sich heute die Herausforderung, Homosexualität und Familie systematisch in die Gesellschaft zu integrieren. Dass Schwulsein in der Schule ein Thema ist oder dass Sportlerinnen lesbisch sein können, das ist bei den meisten schon angekommen. Die Familie aber wird nach wie vor als heterosexuelle Keimzelle inszeniert, bei der Schwule und Lesben außen vor sind. Den schwulen Onkel oder Großvater, die lesbische Mutter oder Cousine institutionell, sozial und symbolisch als selbstverständlicher Teil der  Gesellschaft zu verstehen, dieser Schritt liegt noch vor uns.

Auch da ist die Familie gefragt: Man erwartet von Eltern, dass sie begeistert von ihren Kindern erzählen. Das ist ihre Aufgabe und sie mögen das bitte doch auch tun, wenn es um schwule und lesbische Kinder geht. Wenn Eltern schweigen, wo gesellschaftlich das Schwärmen erwartet wird, ist die Botschaft: Mir ist das peinlich. Dabei ist es den meisten Eltern gar nicht unangenehm, sie halten sich eher vornehm zurück. Wir wollen sie deshalb an ihre familiären Pflichten erinnern: Macht Werbung für uns! Zeigt, dass Ihr für Eure Kinder einsteht. Erzählt, dass der Partner wie ein zweiter Sohn ist, wie gut sich die beiden Frauen verstehen, wie lustig es ist, wenn Rollenbilder verwirrt werden und nur die Liebe zählt.

Wenn Schwule und Lesben über Homosexualität sprechen, klingt das vielen nach Eigennutz. Wenn Eltern und Geschwister über ihre homosexuellen Verwandten sprechen, klingt das nach Familie. Die Gesellschaft braucht in Stadt und Land das Coming-out der Verwandten: Liebe Angehörige, bitte sprecht über uns!

Renate Rampf, LSVD-Pressesprecherin



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