LSBTIQ*-Menschenrechte werden machtpolitisch instrumentalisiert. Repressive Regierungen und einzelne Politiker verweigern, kritisieren oder beschränken sie, um von ineffizientem Regierungshandeln und eigenem Fehlverhalten abzulenken. In wirtschaftlichen Krisen oder Phasen des ökonomischen Niedergangs steigen Anfeindungen und Bedrohungen von queeren Menschen durch Regierende – oft mit Hilfe von homophoben religiösen Autoritäten, beispielsweise fundamentalistischen Kirchenvertretern, flankiert von aggressiver Hetze durch Medien (digitale und konservative Medienkanäle/-formate).
Dieser Blog-Beitrag dokumentiert exemplarisch, wie namhafte Regierende und einflussreiche Politiker – zumeist Männer — mit oftmals menschenverachtender Hetze über Jahre hinweg die Öffentlichkeit in ihren Ländern auf dem afrikanischen Kontinent gegen queere Menschen aufbrachten und gleichzeitig klar stellten, dass sie ihnen grundlegenden Menschenrechtsschutz als Staatsbürger*innen verweigerten. Zudem diffamierten sie Homosexuelle ausdrücklich als Bedrohung der nationalen Integrität. Vielfach gaben sie staatlichen Sicherheitskräften einen Freibrief zu willkürlichen Verhaftungen oder Gewaltübergriffen, die dann straflos blieben. Die parlamentarisch beschlossene Verschärfung der fortbestehenden kolonialen Strafgesetze gegen Homosexuelle/Homosexualität in etlichen Ländern ist in diesem Kontext zu sehen. Dieser Blog-Beitrag listet aus Platzgründen nicht die zahlreichen homo-/transphoben Gewaltübergriffe auf und erläutert ebenfalls nicht den Widerstand queerer Menschen dagegen sowie ihren couragierten Einsatz für LSBTIQ*-Menschenrechte, der von der Hirschfeld-Eddy-Stiftung andernorts ausführlich dokumentiert wird.
Angriffe auf Menschenrechte von queeren Minderheiten als Testfälle
Grundsätzlich ist vielerorts festzustellen: Homophobe verbale Attacken gegen queere Menschen durch Regierende und oft auch durch Oppositionspolitiker sind vielfach Testfälle, wie Herrschende gegen die an Menschenrechten orientierte Zivilgesellschaft vorgehen können. Wenn ein öffentlicher Aufschrei ausbleibt, agitieren repressive Regime gegen weitere zivilgesellschaftliche Vereinigungen, beispielsweise gegen Frauenrechtsorganisationen, Umweltverbände, Gewerkschaften und Jugendbewegungen. Ziel ist die umfassende Beschränkung zivilgesellschaftlicher Räume, Organisations- und Ausdrucksformen sowie das Beschneiden der demokratischen Mitbestimmung und Regierungskritik. Exkludierender Kulturnationalismus wird in Hassreden propagiert, um die Zivilgesellschaft und ihre inkludierenden Vernetzungen zu spalten und begründete Regimekritik zu schwächen, obwohl diese zumeist auf nationalen Rechtsgrundlagen, jeweiligen Verfassungen und regionalen sowie internationalen Menschenrechtsabkommen basiert.
Zudem legen homophobe Agitatorinnen und Agitatoren – oftmals im Regierungsauftrag — es darauf an, die Staatsbürgerschaft sowie die Zugehörigkeit queerer Menschen zu einem Staat anzuzweifeln, sie als Feinde staatlicher Souveränität anzuprangern und als Handlanger ausländischer (neo-)kolonialer bzw. imperialer Mächte zu attackieren. Damit werden sie für straffreie Übergriffe schutzlos preisgegeben. Vielfach betreiben queerfeindliche Agitator/-innen zusätzliche Panikmache vor neuen bevölkerungspolitischen (Kontroll-)Maßnahmen. Und sie beschwören religiöse Moral und idealisierten Traditionalismus herauf, oft unter Bezug auf den Erhalt konservativ-patriarchaler, vielfach christlicher Familienmodelle, die aber den komplexen familiären Realitäten und flexiblen Familien‑, Wohn- bzw. Haushaltsformen nicht entsprechen. So werden beispielsweise die hohen Raten an de jure und de facto von Frauen geleiteten Haushalte – seit der Kolonialzeit eine Folge der Wanderarbeit von Männern –, die zahlreichen AIDS-Waisenhaushalte unter der Leitung von Mädchen und queere Familien komplett ignoriert. Homophobe Rhetorik aus Hassreden, Lügen und Unterstellungen nutzen Politikerinnen und Politiker vor allen im Wahlkampf, damit lenken sie von eigenen Fehlern ab, z.B. von Korruption, mangelhaften politischen Programmen und Tatenlosigkeit zur Überwindung von Strukturproblemen wie Armut, Arbeitslosigkeit, marode Infrastruktur und staatliche Gesundheitsversorgung etc. Indem politische und religiöse Führungsfiguren willentlich homophobe Kulturkämpfe anzetteln, Bevölkerungsgruppen gegeneinander aufbringen und marginalisierten Menschen Schuld für wirtschaftliche Probleme zuschreiben, lenken sie von der Verantwortung und Rechenschaftspflicht der Regierenden ab. Auch imperiale Interessen, etwa US-amerikanischer Konzerne, an mineralischen Rohstoffen in Afrika und somit an der Ausbeutung der Länder und ihrer Ressourcen geraten aus dem Blick.
Gegen demokratische und offene Gesellschaften
Doch es geht seit einigen Jahren – spätestens seit der internationalen Finanzkrise 2008 — keineswegs nur um nationale Interna. Denn unter dem Deckmantel medial inszenierter, familiärer Rührseligkeit bzw. der Bestätigung patriarchaler männlicher Dominanz verbreiten vor allem US-amerikanische christliche Fundamentalist/-innen und deren Interessenvertretungen in Form von evangelikalen (Pfingst-)Kirchen bzw. Sekten, Instituten und Stiftungen gezielt ihre Propaganda in instabilen repressiven Regimen und afrikanischen Post-Konflikt-/Nachkriegsländern (oft mit christlicher und islamischer Bevölkerung). Indem US-amerikanische rechte Netzwerke umfangreiche Gelder für die christlich-fundamentalistische politische Agitation in diese Länder pumpen (zwischen 2019 und 2022 mindestens 16,5 Mio. US-Dollar), beeinträchtigen sie auch das mancherorts labile gesellschaftspolitische Kräfteverhältnis zwischen Moslems und Christen zum Vorteil letztgenannter. Dabei geht es teilweise um einen Kreuzzug gegen polygame Ehen in muslimischen Gesellschaften und Familien, im Vordergrund steht die Förderung christlich-fundamentalistischer Interessen. Auch klassische Missionierung rückt in den Hintergrund. Vielmehr sind die systematischen homophoben und anti-feministischen Infiltrationen Kernelemente einer langfristig angelegten, politisch-agitatorischen Strategie zur Stärkung repressiver Regime und autoritärer Herrschaftssysteme.
Es ist ein Vorgehen gegen offene, tolerante, demokratische Gesellschaften mit starken Zivilgesellschaften, die gegen Fehlverhalten, Ausbeutung und andere kriminelle Machenschaften von Regierenden, Geschäftsleuten und (inter)nationalen Konzernen auf nationalen und internationalen Rechtswegen vorgehen. Dem soll Einhalt geboten werden, indem Gesellschaften über eine tolerante oder ablehnende Haltung zu queeren Menschen gespalten und Hassbefürworter/-innen als Sieger/-innen öffentlich geehrt werden. Auf organisatorisch/institutioneller Ebene werden dafür zum Beispiel breitenwirksame digitale Plattformen installiert und nationale Familieninstitute mit lokalem Personal — zumeist Männern — gegründet, die gegen Schwangerschaftsabbrüche eifern oder queer-inklusive, an reproduktiven Rechten orientierte Aufklärung im Sexualkundeschulunterricht politisch zu verhindern versuchen und sich als Anwälte für Kinderschutz inszenieren, wobei deren finanzstarke christlich-fundamentalistische US-amerikanische Geber und ideologischen Drahtzieher im Hintergrund bleiben.
Unterwanderung internationaler Organisationen
Darüber hinaus haben fundamentalistische Gegner/-innen reproduktiver Rechte und der Menschenrechte sexueller Minderheiten es darauf angelegt, internationale Gremien und internationale Organisationen personell zu vereinnahmen und institutionell umzugestalten, damit sie ihre homophobe und bevölkerungspolitische Agenda durchsetzen können.
Dazu zählt: Menschenrechte von queeren Menschen werden negiert, reproduktive Rechte verteufelt und Frauenrechte selektiv im Sinne einer patriarchalen Familienideologie dogmatisch interpretiert. Resolutionen bzw. Deklarationen werden verzerrt und umgedeutet. Taktisch wird versucht, das Recht auf Religionsfreiheit gegenüber anderen Rechten auszuspielen oder über diese zu stellen, obwohl religiöser Fanatismus und Bigotterie Gewalt gegen Frauen und sexuelle Minderheiten fördern. Rechtsradikale und Neokonservative, die der Trump-Regierung nahe stehen, schrecken nicht davor zurück, sich unter täuschender Bezugnahme auf Menschenrechte in den Namen ihrer Interessenvertretungen als Nichtregierungsorganisationen in die UN-Arbeit zu intervenieren, etwa über einen Beraterstatus im UN-Wirtschafts- und Sozialrat (UN-ECOSOC). Dies betrifft beispielsweise das in den USA ansässige Center for Family and Human Rights (C‑Fam). Dessen homophober Präsident Austin Ruse verbreitet in Gewaltaufrufen und Hassreden Lügen und er unterstützt Forderungen, Homosexualität zu kriminalisieren. Schon 2014 behauptete C‑Fam, westliche Regierungen würden Afrika mit sexuellen Rechten (Abtreibungen und Homosexualität) bei UN-Verhandlungen in einen Hinterhalt locken. Um dem Einhalt zu gebieten, werden afrikanische Diplomaten von Family Watch International gezielt in neokonservativen Agenden und Lobbystrategien fortgebildet.
Politisierte Homophobie im südlichen Afrika — Simbabwe
Der frühere simbabwische Präsident Robert Mugabe nutzte Homophobie als politische Waffe und gab anderen afrikanischen Staatchefs damit Impulse, seinem Vorbild zu folgen. Während seiner Eröffnungsrede anlässlich der internationalen Buchmesse am 1. August 1995 in der simbabwischen Hauptstadt Harare zum Thema „Menschenrechte und Meinungsfreiheit“ attackierte er die Homosexuellenorganisation Gays and Lesbians of Zimbabwe (GALZ). Dadurch wurde die internationale Öffentlichkeit erstmals auf politisch motivierte Homophobie in Afrika aufmerksam. Kurz danach verschärfte Mugabe seine Vorwürfe, denn er sprach Homosexuellen jegliche Menschenrechte ab und behauptete während einer Rede zum nationalen „Heldengedenktag“ Mitte August 1995, Homosexualität würde die Menschenwürde degradieren, sie sei unnatürlich und animalisch. Wenn jemand Lesben oder Schwule sehe, sollte er diese festnehmen und der Polizei überstellen. Gegenüber Parteigenossen propagierte er, Homosexualität sei eine Bestialität der Weißen, sie sollten Simbabwe damit verschonen. Der als Ehebrecher bekannte Katholik Mugabe behauptete, Homosexualität sei gegen die gesellschaftliche Moral; Lesben und Schwule wollten die simbabwische Nation pervertieren.
In der Zeit wurde die Mugabe-Regierung kritisiert, weil sie seit der politischen Unabhängigkeit 1980 – also über 15 Jahre — die vielfach angekündigte Landumverteilung von Großfarmen (bis dato im Besitz von weißen Simbabwern) verschleppt und die diversifizierte Ökonomie durch eine umstrittene Wirtschaftspolitik geschwächt hatte. Schwarze Führungsfiguren aus Politik und Medien, denen man nachsagte, homosexuell zu sein, wurden inhaftiert oder entlassen. Einzelne Politiker und traditionelle Autoritäten, die qua Amt im Parlament saßen, drohten ihnen Kastrationen und Auspeitschungen an, obwohl letztgenannte typische Strafpraktiken der Kolonialherren waren. 1996 propagierte die damalige Informationsministerin Joice Mujuru, öffentlich auftretende Homosexuelle würden gegen die Rechte der simbabwischen Mehrheit verstoßen und die simbabwische Regierung hätte das Recht, die grundlegenden nationalen kulturellen Werte zu schützen. 2004 bis 2014 war Mujuru Vizepräsidentin Simbabwes.
2015 behauptete Robert Mugabe, westliche Nationen würden Druck ausüben, die Menschenrechte von Homosexuellen zu akzeptieren, obwohl diese Werten, Normen, Traditionen und Glaubensvorstellungen in seinem Land widersprechen würden. Mugabes Nachfolger Emmerson Mnangagwa, seit 2017 im Amt und 2023 wiedergewählt – während der 1980er Jahre als Sicherheitsminister für die Anordnung von Massakern an der simbabwischen Zivilbevölkerung gefürchtet — , und dessen Regierung verfolgen in vielen Bereichen weiterhin eine homophobe Agenda, schüren Homophobie und greifen Interessenvertretungen von LSBTIQ*-Menschenrechtsaktivist*innen in Simbabwe verbal an.
Politisierte Homophobie im südlichen Afrika — Namibia
In Simbabwe und anderen Staaten mobilisierten Regierende fortan mit öffentlichen Hassreden die Homophobie, und zwar insbesondere während politischer oder wirtschaftlicher Krisen und in Reaktion auf Kritik an fortschreitender Korruption und Repression. Dann wurde das Thema Homosexualität zum Startpunkt für repressive Maßnahmen gegen Kritiker*innen aus der Zivilgesellschaft. Damit erlitt auch die Demokratie Rückschläge, denn oftmals griffen Regierende auf diesem Wege politische Gegner oder früheren Allianzpartner an, mit denen sie sich überworfen hatten. In solchen Situationen griff der namibische Präsident Sam Nujoma zu homophober Rhetorik. Er geriet wegen seiner Verfassungsänderung für seine dritte Amtszeit in die Kritik.
Der frühere Finanzminister Helmut Angula behauptete bereits 1995, Homosexualität sei eine unnatürliche Verhaltensstörung aufgrund von Langeweile und ungezügeltem Materialismus, ein Produkt der Industriegesellschaft und fremd in der afrikanischen Kultur. Die Infiltration von Homosexualität in Namibia würde zur sozialen Unordnung führen. Hadino Hishongwa, der im Lauf der Jahre mehrere stellvertretende Ministerposten bekleidete, verglich 1995 Homosexualität mit Krebs, jede/r müsse dessen Ausbreitung in Namibia stoppen. Schließlich habe man im anti-kolonialen Unabhängigkeitskrieg nicht für eine unmoralische Gesellschaft zu den Waffen gegriffen.
Lesben, Homosexualität und Globalisierung als Tricks der Feinde
Der frühere namibische Präsident Sam Nujoma erklärte im Dezember 1996, Homosexuelle sollten von der Gesellschaft abgelehnt und gegen ihre negativen Einflüsse auf Kinder in Namibia müssten alle notwendigen Schritte ergriffen werden. Ihm pflichteten viele Mitglieder der Regierungspartei SWAPO sowie der parteinahen Frauen- und Jugendorganisation bei. Nach Aufforderung des Präsidenten, der auch zur Wiederbelebung der eigenen Kultur und Moral aufforderte, drohten sie, Homosexualität auszumerzen, die gleichzeitig mit politischen Gegnern und Europäern verbunden wurde. Der autokratische Nujoma forderte 1997 die SWAPO Jugendliga auf, nicht zuzulassen, dass Homosexuelle ihre Menschenrechte anderen aufzuzwingen. Traditionelle Autoritäten forderte er auf, diejenigen auszulöschen, die kulturelle Normen nicht befolgten. Im März 2001 sagte er gegenüber Studierenden, die Republik Namibia würde keine Lesben dulden, sie würden von der Polizei verhaftet und des Landes verwiesen. Mit einem Rückgriff auf den politischen Unabhängigkeitskampf und imperiale Kräfte behauptete er, der Feind würde versuchen, mit Tricks und Manövern zurückzukommen – nun mit Lesben, Homosexualität und Globalisierung. Schon die Worte Lesben und Schwule seien unnamibisch. Die früheren Kolonialherren würden Menschenrechte propagieren, die Namibia ablehne.
Im Oktober 2000 drängte der damalige namibische Innenminister Jerry Ekandjo angehende Polizisten dazu, Lesben und Schwule aus Namibia zu „eliminieren“; später behauptete er, damit sei nicht „umbringen“, sondern gesellschaftlich „an die Seite drängen“ gemeint. Er wollte die Strafverfolgung gesetzlich verschärfen, denn es gebe keine Menschenrechte für Homosexuelle. Sie würden sündigen — gegen die Gesellschaft und gegen Gott, gegen die wahre Natur der Namibier und gegen die afrikanische Kultur und Religion.
Unter Nujomas Nachfolger Hifikepunye Pohamba (Präsidentschaft 2005 — 2015) und seiner Regierung behauptete die stellvertretende Innenministerin Theopolina Mushelenga in einer homophoben Hassrede anlässlich des nationalen „Heldengedenktages“ Anfang September 2005, Lesben und Schwule würden HIV verbreiten, die Jugend fehlleiten und den Freiheitskampf verraten. Sie seien ein Schlag ins Gesicht afrikanischer Kulturen.
Hage Gaingob (Präsidentschaft 2015 — 2024) unterzeichnete einen Gesetzesentwurf gegen homosexuelle Ehen nicht. Gaingobs Nachfolgerin Netumbo Nandi-Ndaitwah setzt LSBTIQ*-Menschenrechte nicht auf die Agenda, auch Frauenrechte haben bei ihr kaum ein Gewicht. Die Arbeit von LSBTIQ*-Menschenrechtsaktivist*innen für ihre marginalisierten Communities, der Aufbau und Erhalt zivilgesellschaftlicher Vernetzung bleibt deshalb weiterhin wichtig. Gerade angesichts von schwindenden Handlungsräumen, Falsch- und Desinformation und Anti-Gender-Agitationen.
Politisierte Homophobie im südlichen Afrika - Sambia
Der damalige Präsident Frederick Chiluba nannte in seiner Rede anlässlich des 34. Unabhängigkeitstags Sambias im Oktober 1998, Homosexualität sei die tiefste Ebene des menschlichen Niedergangs – unbiblisch und unnormal. Seine Verwaltung würde verhindern, dass die von ausländischem Geld geförderte Homosexualität in Sambia Fuß fasse. Chilubas Partei, die Movement for Multi-Party Democracy (MMD), kam 1991 an die Macht, vor allem in Kritik an den in den 1980er Jahren von internationalen Kreditgebern oktroyierten und ökonomisch desaströnen wirtschaftlichen Strukturanpassungsprogrammen. Doch Chiluba setzte im Lauf der Zeit auf weitere rigorose Sparprogramme, verlor viele Unterstützer und wandte sich einflussreichen Kirchen zu. Er war ein evangelikaler Christ und erklärte Sambia zur christlichen Nation. Homophobie wurde für sambische Politiker zum probaten Mittel, ihre Allianz mit Kirchen zu zementieren und eine Identität stiftende, religiöse Ausrichtung des Staates zu verteidigen. Beispielhaft für Homophobie waren die Church of God in Zentralafrika und die Zambia United Christian Action. Sie propagierten, Homosexualität sei gegen die Lehre der Bibel, daher könne sie kein Menschenrecht sein. Sambia geriet immer stärker unter den Einfluss evangelikaler Christen aus den USA, die Homophobie propagierten. Während des Kalten Krieges war der Kommunismus bzw. Marxismus ihr größtes Feindbild gewesen, zudem wollten sie die Ausbreitung der Befreiungstheologie stoppen. Ihr Agitieren in Sambia war also nicht grundsätzlich neu.
Zudem eiferten Traditionalisten gegen Homosexuelle. Sie lehnten Homosexuellenorganisationen und deren Menschenrechtskampagnen als gesetzlos, illegal und vom Westen finanziert ab. Vorwürfe einer ausländischen Agenda erhoben auch die damaligen Justiz- und Innenminister, während Vize-Präsident Christon Tembo 1998 erklärte, wer für Menschenrechte von Homosexuellen demonstriert, würde verhaftet. Es ginge um den Schutz der öffentlichen Moral, niemals würde eine Homosexuellenorganisation in Sambia offiziell registriert.
Der Druck auf LSBTIQ*-Aktivist*innen stieg auch unter Chilubas Nachfolgern, insbesondere unter dem ab 2015 amtierenden Edgar Lungu, der mit der Verbindung von homophober Hetze und christlicher Moral seine mangelhafte Wirtschaftspolitik zu kaschieren versuchte und bereits marginalisierte Minderheiten anfeindete und ausgrenzte. Er war Baptist und lehnte aus religiöser Überzeugung Menschenrechte von Homosexuellen ab, diese seien nicht Teil der sambischen Kultur. Zudem negierte er die Existenz von Homosexualität in Afrika, denn sie sei ein Import aus dem Westen. Auch wenn er im Unterschied zu seinen Vorgängern keine religiös motivierte homophobe Hetze verbreitet, lehnt der seit August 2021 amtierende Präsident Hakainde Hichilema Menschenrechte von LSBTIQ* ab.
Politisierte Homophobie in Westafrika – Gambia

Der frühere gambische Präsident Yahya Jammeh durchlief eine militärische Karriere, bevor er sich am 22. Juli 1994 an die Macht putschte und nach einer Präsidentschaftswahl 1996 das Land legitim beherrschte. In umstrittenen Wahlen ließ er sich in den Folgejahren vier Mal im Amt bestätigen. In Gambia gilt das islamische Recht (Schari’a), Jammeh rief Mitte Dezember 2015 die islamische Republik Gambia aus. Er baute einen Polizeistaat auf, führte 1995 die Todesstrafe wieder ein und ließ durch seine äußerst brutalen Polizeieinheiten systematisch foltern. Verschwindenlassen und Morde waren verbreitet. Um gegen angebliche Hexen vorzugehen und diese zu töten, richtete er eine Spezialeinheit ein. Im Dezember 2016 verlor Jammeh die Präsidentschaftswahlen, aber erst als das senegalesische Militär einzuschreiten drohte, lenkte der Verlierer ein und verließ Gambia Anfang 2017 Richtung Äquatorialguinea. Jammeh plünderte jedoch noch die Staatskasse mit über 11 Millionen US-Dollar; im Lauf der Jahre hatte er den gambischen Staat bereits um 260 Millionen US-Dollar betrogen und sich über 280 Immobilien privat angeeignet. Eine im Juli 2019 eingesetzte Wahrheits‑, Versöhnungs- und Reparationskommission in Gambia befand ihn im Dezember 2021 für Vergewaltigungen, Folter, Mord und Massenmord für schuldig.
Mit homophober Hetze versuchte Jammeh, von seiner brutalen Herrschaft, der strukturellen Wirtschaftsmisere und grassierenden Armut im Land abzulenken. Bereits 2008 drohte er Homosexuellen mit Haft. In einer Rede vor dem Parlament 2009 meinte er, Gott würde homosexuelles Verhalten nicht tolerieren. Im gleichen Jahr gab der gambische Präsident bekannt, dass er eine professionelle Armee ohne Schwule und Saboteure wollte und alle Verdächtigen entlassen würde. 2012 postulierte er, unter seiner Präsidentschaft würde es nicht erlaubt sein, internationale Hilfsgelder für gleichgeschlechtliche Eheschließungen ins Land zu bringen, er würde niemals Homosexualität tolerieren, um internationale Gelder zu erhalten. Sein Land würde sich nicht internationalem Druck beugen, um gottlose Praktiken im Namen der Menschenrechte zuzulassen. Es würde nie wieder kolonisiert werden. Für den Erhalt der kulturellen Integrität und der Souveränität würde er keine Kompromisse schließen. In einer Fernsehansprache 2013 drohte Jammeh Homosexuellen Gewalt an und behauptete, Homosexualität sei gegen Gott und die Zivilisation; wenn man sie erlauben würde, erlaube man die Rechte des Teufels. Während seiner Rede vor der 68. UN-Generalversammlung im September 2013 in New York behauptete der gambische Präsident, Förderer der Homosexualität wollten die menschliche Existenz beenden. Moslems und Afrikaner würden dagegen kämpfen, sie würden keine Agenda zur Auslöschung der Menschheit tolerieren.
In seiner Fernsehansprache anlässlich Gambias 49. Unabhängigkeitstags 2014 kündigte Jammeh an, alles „Ungeziefer“, das sich Homosexuelle nennt, würde in der gleichen Weise oder noch aggressiver bekämpft wie Moskitos, die Malaria verursachen. Diese faschistische Drohung wiederholte er 2014; 2015 drohte er, Homosexuelle eigenhändig zu ermorden. Der damalige Präsident des höchsten islamischen Rates, Alhagie Momodou Lamin Touray, pflichtete ihm bei: Homosexualität sei im islamischen Recht verboten und gleichgeschlechtliche Beziehungen würden mit der Todesstrafe sanktioniert. Während der verheerenden langjährigen Herrschaft Jammehs, seiner wiederholten homopoben Hassreden und der von seiner Regierung systematisch geförderten Homophobie eskalierten Bedrohungen und Diskriminierungen von LSBTIQ*-Menschen und ihrer Community in Gambia. Die umfassenden Anfeindungen und Verfolgungen hinderten sie, öffentlich für ihre Menschenrechte einzutreten. Diese Probleme endeten nicht mit Jammehs Abwahl im Jahr 2016.
Politisierte Homophobie in Westafrika – Ghana

Die Politisierung von Homophobie in Ghana wird seit Jahren von unterschiedlichen Parteien und christlichen, politisch einflussreichen Lobbygruppen vorangetrieben. In Ghana, dem ersten afrikanische Land, das 1957 politisch unabhängig wurde, richtete der von US-amerikanischen evangelikal-fundamentalistischen Kirchenvertreter/innen getragene queer-feindliche World Congress of Families (WCF) Ende Oktober/Anfang November 2019 eine internationale Konferenz mit über 400 Teilnehmenden aus. Einige Redner mahnten dazu, mit spirituellen Gegenschlägen der angeblichen LSBTIQ*-Propaganda auf dem Kontinent und innerhalb der Afrikanischen Union (AU) Einhalt zu gebieten. In dem Rahmen forderte Samuel Okudzeto Ablakwa von der Oppositionspartei National Democratic Party alle Politiker auf, Ghana als no-go Gebiet für die Anliegen von LSBTIQ* zu erklären. Mehrere Parteigenossen wie der konservative Samuel (Sam) Nartey George pflichteten ihm bei, die traditionelle, patriarchale Familien- und Gesellschaftsstruktur zu bewahren. George bezeichnete Homosexualität wiederholt als einen gewählten Lifestyle, es sei deshalb kein Menschenrechtsthema.
Zu den Hassrednern während der Konferenz zählte der World Congress of Families-Vorsitzende in den USA, Brian Brown. Er kritisierte Papst Franziskus als Unterstützer von Homosexuellen und unterstellte, möglicherweise sei dieser selbst schwul; Brown hatte ActRight gegründet, eine Fundraising Plattform für Rechtsradikale. Er behauptete, der globale Süden sei zur Akzeptanz sexueller und reproduktiver Rechte gedrängt worden. Weitere Redner pflichteten ihm bei, Homosexualität würde Familien zerstören und das Bevölkerungswachstum in schwarzen Nationen unterdrücken. Solche Behauptungen einer angeblichen westlichen Übernahme afrikanischer Länder nutzten afrikanische Politiker taktisch effektiv, um von eigener Korruption, uneffektiver Regierungsführung und grassierender Armut abzulenken.
Homophobe ghanaische Politiker und die Gruppierung Advocats for Christ Ghana, die an der WCF-Konferenz 2019 teilgenommen hatten, erfuhren Ende 2019 von der Planung der PAN Africa ILGA, dem Afrika Zweig der International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (ILGA), im Juni 2020 eine regionale Konferenz in Accra zum Austausch über LSBTIQ*-Menschenrechte auszurichten. Sie forderten den damaligen Präsidenten Ghanas auf, eine solche Veranstaltung zu verbieten. Wegen der Covid-19 Pandemie wurde diese Konferenz schließlich verschoben. Doch schon davor und auch in den Folgejahren hatten Schlägertrupps und queerfeindliche Lobbyorganisationen wie die 2013 vom Juristen Moses Foh Amoaning gegründete National Coalition for Proper Human Sexual Rights and Family Values ghanaischen LSBTIQ*-Menschenrechtsaktivist*innen mit Drohungen, gewaltsamen Übergriffen und homophober Propaganda für ein verschärftes Anti-Homosexuellen-Gesetz zugesetzt. Diese nationale Familienwerte-Koalition wurde von erzkonservativen und christlich-fundamentalistischen Interessengruppen aus den USA unterstützt. Amoaning, der nationales und internationales Recht selektiv deutete, prahlte im Januar 2025, mit einem neuen Anti-Homosexuellen-Gesetz stehe Ghana an der richtigen Seite der USA (unter der zweiten Trump-Regierung). Für seine Verbreitung von Hassreden war er bereits öffentlich kritisiert worden; die Interessengemeinschaft afrikanischer Albinos, der Amoaning angehört hatte, schloss ihn 2021 aus. Der frühere ghanaische Präsident John Atta Mills bekräftigte, er werde nie Homosexualität legalisieren, wenn die einstige Kolonialmacht Großbritannien dies verlangte. Ähnliches postulierte auch sein Nachfolger, Präsident Nana Akufo-Addo.
Am 29. Juni 2021 legten Samuel Nartey George und sieben weitere (Oppositions-)Politiker dem Parlament den Entwurf des Promotion of Proper Human Sexual Rights and Ghanaian Family Values Bill, 2021 vor. Damit stellten sie dem damals amtierenden Präsidenten Nana Akufo-Addo eine Falle, der eigentlich internationale Investoren nach Ghana holen wollte und dafür ein gutes Image brauchte.
Parlamentspräsidenten (Speaker) unterliefen das wiederholt, denn Aaron Michael Oquaye verglich Homosexualität mit kriminellen Aktivitäten; zudem hätten Schwule psychische Defekte, das sei kein Menschenrechtsthema. Alban Bagbin postulierte, LGBTIQ-Aktivitäten seien schlimmer als COVID-19, zudem beschwor er ein Gottesurteil gegen das Böse.
Opportunistische Politiker versuchten, homophobe Vorurteile in der Gesellschaft unter Bezug auf traditionelle Werte zu schüren, um ihre Popularität und Wählergunst zu steigern. Religiöse Autoritäten pflichteten ihnen bei und drängten auf eine Verabschiedung des Gesetzes(entwurfs). Sie drohten Politikern auch damit, ihre Gemeindemitglieder bzw. Anhänger aufzufordern, Kandidaten abzuwählen, die nicht für die Verschärfung des Anti-Homosexellen-Gesetzes stimmen würden. Nicht nur fundamentalistische Evangelikale aus den USA, auch in Ghana etablierte Kirchen, die ursprünglich zur Missionierung aus Europa kamen, beteiligten sich an der Verstärkung von Homophobie; dennoch erhielten sie Fördergelder westeuropäischer kirchlicher Geber – auch aus Deutschland.
Homophober Konferenzmarathon
Mit der Verabschiedung des drakonisch verschärften Anti-Homosexuellen-Gesetzes in Ghana erhielt die politisch motivierte Homophobie und Transphobie in Afrika neuen Aufwind. Strategisch geschickt richtete das African Christian Professionals Forum nach dem WCF-Groß-Event in Accra 2019 seine panafrikanische Konferenz zu Familienwerten im Mai 2025 in der kenianischen Hauptstadt Nairobi aus, finanziert wurde sie u.a. von Family Watch International, unter der Leitung der Anti-Gender und Anti-LSBT-Fanatikerin Sharon Slater, einer Mormonin, die mit viel Geld aus neo-konservativen US-amerikanischen Stiftungen afrikanische Regierende beeinflusst. Zahlreiche rechtsradikale fundamentalistische Vereinigungen aus den USA wirkten trotz offiziellem pan-afrikanischen Anspruch an der Konferenz in Nairobi als Sponsoren und ideologische Richtungsweisende mit. Das mit Angriffen auf regional verankerte Frauenrechte und mit Homophobie durchsetzte Event endete am IDAHOT-Tag 2025. In Kenia werden LSBTIQ*-Menschenrechtsaktivist*innen wegen der politisierten Homophobie, die Regierende zum Machterhalt einsetzen, immer wieder mit Gewalt bedroht und diskriminiert. In dem von Christen und Moslems bewohnten, von vielen Krisen und Konflikten in den Nachbarländern erschütterten ostafrikanischen Staat, wo Jugendproteste, z.B. gegen Misswirtschaft, Machtmissbrauch und Korruption, von der brutalen Polizei gewaltsam niedergeschlagen werden, beschworen die homophoben und Autoritarismus fördernden Christen eine konservative Familienidylle, die sie floskel- und formelhaft als Fundament starker Nationen anpreisen.
Ausgehend von solchen Konferenzen, die als panafrikanische Events angepriesen werden, nutzen teilnehmende afrikanische Politikerinnen und Politiker eine starke anti-koloniale Rhetorik, um religiös-politische Ziele zu verbreiten, die koloniale Ursachen haben; dazu zählen insbesondere verschärfte Gesetze zur Kriminalisierung von Homosexualität. Aus dieser Verlogenheit schlagen sie persönlich Kapital und steigern ihre Wählergunst.
2027 soll eine solche pan-afrikanische Konferenz zu Familienwerten in Südafrika stattfinden. Bereits 2017 hatte der World Congress of Families in Kapstadt eine Konferenz abgehalten; der lange Arm der christlich-fundamentalistischen, US-amerikanischen Agitation gegen LSBTIQ*-Menschenrechte ist das dortige Family Policy Institute. Südafrikanische Politiker*innen, LSBTIQ*-Menschenrechtsorganisationen und Kirchen sind gefordert, klare Gegenstandpunkte zu entwickeln. Dazu zählt bereits der Umgang mit homophoben Hassreden, denn diese sind in Südafrika neuerdings gesetzlich verboten. Nach der erfolgreichen Ausrichtung der ILGA-Weltkonferenz im November 2024 sind die Erwartungen an die Verteidigung von LSBTIQ*-Menschenrechten und den Schutz von verfassungsmäßig garantierten Minderheitenrechten sowie einer toleranten, demokratischen, offenen Gesellschaft groß.
Dr. Rita Schäfer, freiberufliche Afrikawissenschaftlerin.
Weiterführende Literaturliste zum Download hier (PDF)
Ein Beitrag im Rahmen des Projekts: „Der pinke Faktor. Die Rolle von LSBTIQ* im globalen Streit um Werte, Ressourcen und Vorherrschaft“.


