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Integration heißt zusammen wachsen wollen

 Gemeinsam für eine plurale Gesellschaft

LSVD Henny EngelsDas Wort „Integration“ kommt bekanntlich aus dem Lateinischen und bedeutet unter anderem „etwas zu einem Ganzen zusammenschließen“. Übertragen auf gesellschaftliche Integration heißt das: unterschiedliche Menschen und Gruppen verbinden sich zu einer neuen gesellschaftlichen und kulturellen Einheit. Anders gesagt: Integration kann dann, und nur dann gelingen, wenn alle Beteiligten bereit sind für Veränderungen. Im Falle der geflüchteten Menschen braucht es also eine Veränderung der Mehrheitsgesellschaft ebenso wie der Hinzukommenden. Deren einseitige Anpassung an unsere vermeintlich unveränderlichen Kulturen und Traditionen zu erwarten ist müßig. So kann und wird Integration nicht funktionieren.

Veränderung zu fordern bedeutet nicht, Grundwerte wie die Achtung der Menschenwürde und der Menschenrechte, die Anerkennung der Vielfalt von Lebensformen und –entwürfen, Selbstbestimmung oder Religionsfreiheit aufzugeben. Nichts davon darf und kann aufgegeben werden. Es bedeutet aber durchaus, manche unserer – teils nur mühsam gefundenen – Konsense wieder aufzuschnüren und mit den Hinzukommenden neue Übereinkünfte auszuhandeln, wie wir in Deutschland zusammen leben wollen. Denn Integration geht nur, wenn die Hinzukommenden wissen, dass die Gestaltung der Gesellschaft, in der sie für kurze oder lange Zeit leben werden, auch ihre Sache ist. Billiger ist Integration auch in diesem Sinne nicht zu haben. Sie wird aber auch Geld kosten, viel Geld. Das sollte uns eine Gesellschaft, in der alle gut leben können, aber wert sein.

Der LSVD setzt sich besonders für eine menschenwürdige Asylpolitik gegenüber LSBTI ein, die vor Verfolgung und Verletzung ihrer Menschenrechte flüchten. Dazu hat der Bundesvorstand sich mehrfach an die Politik gewandt. So wurde das BAMF aufgefordert sicherzustellen, dass Entscheider_innen in den Asylverfahren fundiertes Wissen über homosexuelle und transgeschlechtliche Lebensweisen sowie über die rechtliche und gesellschaftliche Situation von LSBTI in den Herkunftsländern haben. Entscheider_innen wie auch die Sprachmittler_innen müssen Asylsuchenden vermitteln, dass sie ohne Furcht auch über ihre sexuelle bzw. geschlechtliche Identität
reden können.

Integration ist anspruchsvoll

Auch bezüglich der Sprach- und Integrationskurse hat der LSVD den politisch Verantwortlichen seine Erwartungen mitgeteilt. Er fordert, sämtliche Programme und Materialien an der Werbung für Demokratie, Vielfalt und individuelle Freiheitsrechte auszurichten. Dabei müsse die Lebenswirklichkeit von LSBTI und der entsprechende Respekt ausdrücklich angesprochen werden. Dieses Thema darf nicht der freien Wahl der Kursleitungen überlassen bleiben; es muss verpflichtender Bestandteil der Integrations- und Sprachkurse sein. Dazu müssen die Kursleitungen selbst für diese Fragen sensibilisiert werden und hoch qualifiziert für interkulturelle Arbeit sein. Diese Arbeit können nicht allein Ehrenamtliche leisten; vielmehr muss das hauptamtliche Personal erheblich aufgestockt werden. Integration beginnt mit dem Schritt über die Grenze – nicht erst dann, wenn die Verfahren abgeschlossen sind. Deshalb müssen die Kurse für alle Flüchtlinge, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus, geöffnet werden. Nur so lässt sich verhindern, dass sich über kurz oder lang Parallelgesellschaften bilden.

Vor allem aber kann Integration nur gelingen, wenn die Mehrheitsgesellschaft das, was von Flüchtlingen verlangt wird, selbst glaubwürdig lebt. Wenn der Respekt für sexuelle Vielfalt Bestandteil der Sprach- und Integrationskurse sein soll, dann gilt das auch für Bildungspläne in Schulen und Kitas mit Kindern ganz ohne Migrationshintergrund. Es dürfte auch kaum einem Flüchtling einleuchten, dass er oder sie sexuelle Vielfalt akzeptieren soll, wenn die Politik LSBTI grundlegende Rechte vorenthält und zulässt, dass sie von Teilen der Zivilgesellschaft diskriminiert werden oder wenn Inländer_innen homophobe Sprüche klopfen.

Henny Engels

LSVD-Bundesvorstand



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