Grußwort von Elżbieta Szczęsna, Gründerin und Vorsitzende des polnischen Vereins „Akceptacja“ – Vereinigung von Familien und Freunden homo‑, bi– und transsexueller Menschen, zum LSVD-Verbandstag
Liebe Freundinnen und Freunde,
lieber Lesben- und Schwulenverband in Deutschland,
es ist mir eine Freude und Ehre heute vor Euch sprechen zu dürfen.
Heutzutage sind es gerade Lesben, Schwule und Transgender, die unserer Gesellschaft an die fundamentale Bedeutung der Menschenwürde, des Grundsatzes der Gleichheit, der Freiheit und — das möchte ich besonders betonen — der Solidarität erinnern.
In kommunistischen Zeiten lebten wir in einer schizophrenen Situation: wir waren nicht frei, wir litten unter einem Regime, aber es war zugleich unser Land und unsere Heimat, der wir uns verbunden gefühlt haben. Wir hatten allerdings unsere Freiräume; könnten mit unseren Nächsten und Freunden das Regime kritisieren und mental ablehnen.
Viele Homosexuelle und transgeschlechtliche Menschen – meist in ihrer Pubertät – erleben diese Unterdrückung auch innerhalb ihrer Familie. Sie sind meistens zunächst mit ihren Gefühlen und Gedanken sehr einsam, bis sie ihren Coming-Out-Prozess beginnen und ihre Identität langsam nach draußen tragen.
Daher sage ich ganz klar: Lesben, Schwule und Transgender sind heutzutage oft noch Dissidenten in eigenem Land, in eigener Gesellschaft und – was am schmerzhaftesten ist – in eigener Familie. Ihr musst diese Einsamkeit überwinden, den Mut zeigen, zu sich selbst zu stehen. Und jeden Tag mit den Vorurteilen – auch seitens ihrer Nächsten – kämpfen. Da jedes Coming-Out unsere Gesellschaft ein bisschen toleranter macht, danke ich Euch dafür und möchte Euch mein großer Respekt aussprechen.
Ausdrücklich danken möchte ich aber auch denjenigen, die polnische Lesben, Schwule und Transgender seit Jahren unterstützen. Ich werde nie vergessen, wie wichtig es für uns war, als 2005 einige von Euch zu dem verbotenen CSD nach Warschau gekommen sind. Ich war auch dabei und weiß, dass dies ein hohes Maß an Mut und Solidarität bedarf. Als Mitglieder des Deutschen Bundestages in erster Reihe der illegalen Gleichberechtigungsparade marschierten, war das nicht nur für unsere Sicherheit wichtig. Das beschämte zugleich polnische Politiker und Politikerinnen, die damals unserem gemeinsamen Anliegen nicht den Stellenwert verliehen haben, den es verdient.
Liebe Freundinnen und Freunde!
Als ich eines Tages vor sieben Jahren bei mir zu Hause in Warschau meinem Sohn die Tür aufgemacht habe und Blut und Tränen auf seinem verletzten Gesicht sah, wusste ich, dass ich alles tun werde, dass keine Mutter so etwas wieder erleben muss. Darauf habe ich eine Selbsthilfegruppe gegründet, der ich leider fünf Jahre lang als einziges Mitglied angehörte. Nun haben wir in diesem Jahr mit anderen Eltern aber auch Freundinnen und Freunden Homo- und Transsexueller ein Verein gegründet. Wir haben ihn Akceptacja – auf Deutsch Akzeptanz – genannt.
Es hat sich in Polen in den letzten Jahren etwas getan. Während am Anfang die Eltern vor allem fragten, wie sie die Homosexualität ihrer Kinder behandeln könnten, stehen sie nun immer öfter zu ihnen – so wie sie sind. Sie haben eher das Problem, wie sie damit umgehen sollen. Gegenüber ihren Freunden, Nachbarn aber auch gegenüber anderen Familienangehörigen. Dem Coming-Out ihrer Kinder folgt ihr eigenes Coming-Out.
In unserem Verein Akzeptanz verstehen wir uns als heterosexuelle Lobbyistinnen und Lobbyisten für Eure Rechte. Aber wir kämpfen auch für uns selbst. Zwar finde ich es lächerlich, wenn Politiker und Politikerinnen oder Religionsführer in der Gleichberechtigung Gefahr für meine Familie oder sogar meine eigene Identität sehen. Dennoch beleidigt es mich als Mensch, wenn Lesben, Schwulen und Transgendern gleiche Rechte abgesprochen werden. Es verletzt mich, wenn sie angegriffen werden, sei es seitens homophober Banden oder lupenreinen Diktatoren. Und es beschämt mich, wenn ein Kirchenoberhaupt beim Besuch im Konzentrationslager Auschwitz homosexuelle Männer als einzige Opfergruppe nicht mal erwähnen mag.
Liebe Freundinnen und Freunde!
Ich habe in meinem Leben viel erlebt. Niemand in meinem Freundeskreis glaubte, dass wir die kommunistische Diktatur in unserem Leben besiegen werden. Aber Freiheit, Menschenrechte und die in Polen so geschätzte Solidarität – die allerdings niemanden ausschließt oder in der letzten Reihe setzen wollte – haben gewonnen. Deshalb bin ich optimistisch, was die Zukunft betrifft. Ich bin sicher, dass Ihr in Deutschland bald werden heiraten dürfen. Dass wir in Polen ein Lebenspartnerschaftsgesetz verabschieden werden. Und auch, dass Menschen in allen Ländern dieser Welt zunehmend verstehen werden, dass man für Liebe nicht bestrafen darf.
Liebe Freundinnen und Freunde!
Obwohl Ihr bestimmt ab und zu aus meinem Heimatland nicht besonders freundliche Worte gegenüber Homo- und Transsexuellen hört, erlaubt mir bitte — um mein Optimismus auszudrücken — meine Rede mit dem ersten Vers der polnischen Nationalhymne abzuschließen: NOCH IST POLEN NICHT VERLOREN!
Ich danke Euch herzlich für Eure Einladung und Eure Aufmerksamkeit.