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Hirschfeld-Eddy-Stiftung

Kampf gegen Homophobie auf kubanisch

Gespräch mit Mariela Castro

Gleich von drei Seiten hatte man sich um ein Gespräch mit dem LSVD bemüht: Die Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba, die Linksfraktion im Bundestag und die Außenstelle der kubanischen Botschaft in Bonn riefen an, um einen Gesprächstermin zu vereinbaren mit Mariela Castro, Tochter des kubanischen Präsidenten Raúl Castro und Direktorin des kubanischen Zentrums für Sexualerziehung CENESEX. Frau Castro gehört zu den Vorkämpfern von Rechten für sexuelle Minderheiten in Kuba. Sie initiierte einen Gesetzentwurf für die rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und Kampagnen gegen Homo- und Transphobie. Ihr Institut leistet wichtige Aufklärungsarbeit auch in der Lehrerfortbildung und streitet für sexuelle Vielfalt, der sich eine Abteilung des CENESEX widmet. 
Anfang August begrüßten wir dann in den Räumlichkeiten des LSVD Berlin-Brandenburg Mariela Castro und Alberto Roque Guerra, Leiter der CENESEX-Abteilung für sexuelle Vielfalt, sowie einen Vertreter der kubanischen Botschaft. Wir zeigten uns erfreut darüber, dass Frau Castro sich für den LSVD und die Arbeit einer unabhängigen schwullesbischen Nichtregierungsorganisation in Deutschland interessiert und verbanden das mit kritischen Fragen zur Menschenrechtslage auf Kuba. Wir erläuterten unseren Besuchern, dass der LSVD seine Wurzeln im Osten, in der DDR-Bürgerrechtsbewegung hat. Auch heute versteht sich der LSVD als Teil der Bürgerrechtsbewegung, tritt ein für gleiche Rechte und kämpft gegen jegliche Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität.
Wir machten klar, dass für eine wirkliche Emanzipation eine freie Zivilgesellschaft notwendig ist, und wir Allianzen eingehen mit anderen Organisationen der Zivilgesellschaft, um unsere Ziele zu erreichen. Wir sind Mitgliedsorganisation im Forum Menschenrechte, dem rund 50 Menschenrechtsorganisationen angehören, arbeiten mit dem Deutschen Institut für Menschenrechte zusammen, ziehen an einem Strang mit Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch und pochen als Menschenrechtsorganisation auf die Einhaltung von Menschenrechtstandards wie sie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, dem UN-Zivilpakt über bürgerliche und politische Rechte sowie im UN-Sozialpakt (wsk-Rechte) festgeschrieben sind.
Darüber hinaus erklärten wir den kubanischen Besuchern, dass der LSVD für seine Projektarbeit zwar öffentliche Mittel einwirbt, die Struktur aber von Mitgliedsbeiträgen und Spenden finanziert wird. Auch die politische Arbeit, Aktionen und Kampagnen, werden mit Eigenmitteln finanziert, um die Unabhängigkeit zu wahren. Im Sommer 2007 gründete der LSVD zudem seine Menschenrechtsstiftung, die Hirschfeld-Eddy-Stiftung, deren Hauptaufgaben in der Unterstützung von Menschenrechtsverteidigern im globalen Süden und Osteuropa sowie der Sensibilisierung für das Thema LGBT und Menschenrechte im In- und Ausland bestehen.
Unsere Gesprächspartner gewannen auch einen guten Eindruck von der Projektarbeit des LSVD Berlin-Brandenburg. Die Kolleginnen und Kollegen erläuterten ihre Zusammenarbeit mit anderen Organisationen, ihre Aufklärungsarbeit in Schulen, die Beratungsarbeit für Migranten, ihre Antihomophobiearbeit sowie die Beratungs- und Überzeugungsarbeit für Regenbogenfamilien und Lesben und Schwule mit Kinderwunsch. Auf großes Interesse und Zustimmung stießen bei den Besuchern aus Kuba die Akzeptanzarbeit im Rahmen der Respect Gaymes und die Idee, junge Menschen zu gemeinsamem Sport und Spiel mit Lesben und Schwulen einzuladen.
Die Besucher hatten keine Fragen zu den Ausführungen, fanden sie hoch interessant und waren „mit vielem einverstanden. Vieles haben wir gemeinsam, in mancherlei Hinsicht sind die Arbeit und die Schwierigkeiten ähnlich“, meinte Frau Castro. Leider gebe es auch in Kuba, in allen Kulturen und politischen Systemen Homophobie. Und „die ist schädlich, nicht nur für Lesben und Schwule, auch für die Homophoben selbst.“
Frau Castro habe als CENESEX-Direktorin keine politische Laufbahn absolviert, auch hege sie keine politischen Ambitionen. Ausführlich ging sie auf die Geschichte des CENESEX ein. Das Institut sei als Initiative des kubanischen Frauenverbandes Federación de Mujeres Cubanas entstanden, einer Massenorganisation, der vier Millionen Frauen angehörten. Das CENESEX werde vom Gesundheitsministerium finanziert, man arbeite auch mit dem Erziehungs- und Kulturministerium zusammen. Politisch werde es vom kommunistischen Jugendverband unterstützt, dennoch sei es aber ein unabhängiges Institut. Dass der Frauenverband von ihrer Mutter geleitet wurde und heute von ihr geleitet wird, erwähnt sie nicht. Sie verstehe sich als Wissenschaftlerin und Aktivistin und versuche als solche Einfluss auf die politische Ebene zu nehmen.

Klaus Jetz, LSVD-Bundesgeschäftsführer



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