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Kubas Abstimmungsverhalten in den UN

Gespräch mit Mariela Castro (Teil II)

Das tat sie etwa im Dezember 2008. Wir sprachen Frau Castro auf Kubas Abstimmungsverhalten in den UN an. 2003 hatte sich Kuba bei der brasilianischen Resolution für die Rechte von LGBT noch enthalten, und als es 2006 um den offiziellen UN-Beraterstatus von schwullesbischen NGOs ging, also auch um den Status des LSVD, nahm Kuba nicht an der Abstimmung teil. Als aber Ende 2008 in der Vollversammlung ein Statement gegen die Kriminalisierung homosexueller Handlungen in aller Welt zur Abstimmung stand, unterstützte Kuba die Initiative und stimmte in der Frage zu LGBT-Rechten übrigens zum ersten Mal nicht wie die „like minded group“ der Verfolgerstaaten (Zimbabwe, Iran, Pakistan oder Sudan) ab. 
Frau Castro sagte, dass es enorm viel Überzeugungsarbeit gekostet habe, die Diplomaten im kubanischen Außenministerium von der Notwendigkeit der Erklärung zu überzeugen. Es gehe nicht um eine Isolierung der arabischen Staaten, sondern um LGBT-Rechte. Das eine habe mit dem anderen nichts zu tun, die Großwetterlage dürfe bei dem Thema keine Rolle spielen. Das habe man den Diplomaten klar machen können. Sie wolle sich auch in Zukunft dafür einsetzen, dass Kuba in den UN die Anliegen von Lesben und Schwulen unterstützt.

Alberto Roque Guerra leitet seit 2003 die Abteilung für sexuelle Vielfalt im CENESEX, er sei ein homosexueller Aktivist und betreue mit seinem Partner die Institutshomepage zur sexuellen Vielfalt. Die verfüge über ein ständiges Diskussionsforum zum Thema LGBT und Menschenrechte, HIV und Aids-Prävention, über eine Kontaktbörse, eine Artikelsammlung und führe einen Kampf gegen Homophobie in den Medien. Zudem gebe es einen Blog, ein soziales Netz für sexuelle Vielfalt, man nutze twitter und facebook. Mit anderen Organisationen arbeite man zusammen, auch mit der Kommunistischen Partei. Es gebe Lesben und Schwule, die mit ihrer Arbeit nicht zufrieden seien, dies betrachte man als Ansporn, die eigene Strategie noch zu verbessern. Keine Antwort gab es auf die Frage, wie viele Personen in Kuba Zugriff auf die Homepage haben und wie viele Nutzer im Ausland darauf zugreifen. In Kuba ist der Zugang zum Internet sehr begrenzt, Internetcafés gibt es vor allem in den großen Hotels für Touristen, wo Kubaner kaum Zugang haben.

Mariela Castro berichtete, dass das Bildungsministerium Sexualerziehung bereits 1996 in die Lehrpläne aufgenommen habe. Zunächst seien diese aufgrund kultureller Widerstände sehr biologisch und gesundheitsorientiert gewesen. Erst kürzlich sei eine umfassendere Sexualerziehung eingeführt worden, in der auch Geschlechterfragen und Fragen der sexuellen Vielfalt eine Rolle spielten. Zurzeit würden diese Programme überarbeitet, und man konzentriere sich auf die Weiterbildung der Lehrer, damit sie alte Vorurteile nicht reproduzieren und multiplizieren. Darüber hinaus arbeite man in den Stadtvierteln auch mit Familien zusammen, da Lesben und Schwule homophobe Erfahrungen oft zuerst in ihren Familien machten. „Du kannst doch nicht die Mutter aller Gays sein“, hätten ihr mexikanische Aktivisten gesagt. Das wolle sie auch nicht, die Eltern müssten also einbezogen werden.

Frau Castro strebt eine Strategie der permanenten Weiterbildung an und konzentriert einen Großteil der Arbeit auf die Medien, denen als Multiplikatoren eine große Rolle zukomme. Das Institut zähle rund 400 bezahlte und unbezahlte Mitkämpfer, viele von ihnen Transgender-Aktivisten, die in der Sexualerziehung und Gesundheitsprävention tätig seien. Das Institut gebe Aktivistinnen und Aktivisten Know-how und wissenschaftliches Werkzeug im Kampf gegen Homophobie an die Hand. Es gehe aber nicht nur um die Bekämpfung von Homophobie. Auch andere Formen der Diskriminierung und Diskriminierungsmechanismen müssten überwunden werden.

Gesetzen komme eine große Bedeutung zu, auch wenn sie alleine nicht ausreichen. Sie habe bereits 2005 einen Gesetzesvorschlag für eine Ergänzung im Familienrecht zwecks Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare gemacht. Damals sei man mit dem Vorschlag nicht durchgedrungen. Im kommenden Jahr werde man einen neuen Anlauf machen und einen Gesetzesentwurf in die Volkskammer einbringen. Ja, die Kommunistische Partei habe Schwierigkeiten mit dem Thema, es gebe noch viele Gegner, ihr Vater aber sei dafür.

Wenn CENESEX Aktivisten unterstützt und ausbildet und Werkzeuge an die Hand gibt, wäre es dann nicht an der Zeit, dass in Kuba eine unabhängige NGO für sexuelle Vielfalt tätig werden kann, wollten wir von Frau Castro wissen. Wäre es nicht auch an der Zeit, dass in Kuba endlich ein CSD stattfinden darf? Sie wiederholt keineswegs die alten Argumente von Regimevertretern, die bei diesem Thema vor einigen Jahren noch von einer angeblichen Ablenkung von der ernsten Bedrohung des Landes durch die USA faselten. Mariela Castro weicht aber dem zentralen Problem, ob die Staatsmacht freie Selbstorganisation überhaupt zulässt, aus und meint: „Wenn die Aktivistinnen und Aktivisten erst mal so weit sind und die Mittel an der Hand haben, dann werden sie das auch tun, dann gründen sie auch eine Organisation“, sagte Frau Castro. „Jetzt ist es aber wichtig, dass niemand von oben sich einmischt. Oder dass womöglich die USA sich einschalten und das als Vorwand für Propaganda nutzen. Das wäre sehr schlecht.“ Und was den CSD angeht: „Viel wichtiger ist doch der Kampf gegen Homophobie, die Aktionen zum 17. Mai, eine Woche voller Aktivitäten.“ Organisiert a la cubana also, was sie so aber nicht sagt: von oben, nicht von Lesben und Schwulen, sondern für Lesben und Schwule. Eben frei nach Fidel Castros Motto: „In der Revolution alles, gegen die Revolution nichts!“

Klaus Jetz, LSVD-Geschäftsführer



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