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Die Menschenrechte von LSBTIQ* in der deutschen Außenpolitik — Keynote von Max Lucks, MdB

Max_Lucks_Kulturen_und_Kolonialismus_Konferenz_©Hirschfeld-Eddy-Stiftung

1. Hintergrund: Beispiel für koloniale Kontinuität bei LSBTIQ+ Rechten

Liebe Sarah Kohrt, Sehr geehrte Dr. Nyanzi, liebe Mitstreiter*innen, liebe Leute, 

Sie denken, sie können uns ihre sozialen Sitten und Werte aufzwingen. Das ist Neokolonialismus.“ Dieses Zitat stammt nicht etwa von dieser Konferenz oder von einem Menschenrechtler. Ganz im Gegenteil. Das sagte Ugandas Präsident Yoweri Museveni, als sich westliche Länder gegen die massiven Diskriminierungsgesetze von LSBTIQ+ Personen in Uganda eingesetzt haben. Ist das neokolonial, sich für die Rechte von LSBTIQ+ Personen in Uganda einzusetzen? Wenn die Strafgesetze gegen Homosexualität, die viele afrikanische Länder heute anwenden, direkt aus den britischen Kolonialgesetzen stammen, die eingeführt wurden, um westliche, viktorianische Moralvorstellungen durchzusetzen? Dann ist doch eines klar: Der Einsatz für LSBTIQ+ Rechte weltweit ist nicht Neokolonialismus. Sondern es ist ein Einsatz gegen Kolonialismus. Und darum ist es mir eine große Ehre, heute Teil dieser Konferenz zu sein, die den Einsatz für LSBTIQ+ Rechte mit dem Einsatz gegen den Kolonialismus zusammen denkt.

2. Zur Bedeutung von Dekolonialisierung für die Deutsche Außenpolitik

Aber natürlich reicht es nicht, zu sagen, was Kolonialismus war. Es muss auch darum gehen, unserer Verantwortung gerecht zu werden:Die deutsche Außenpolitik hat in den letzten Jahren zunehmend die Auseinandersetzung mit dem kolonialen Erbe Deutschlands in den Fokus gerückt. Ein wesentlicher Ansatz ist die Anerkennung der historischen Verantwortung für die Kolonialverbrechen, besonders im Kontext von Verhandlungen mit betroffenen Ländern. Ein bedeutendes Beispiel dafür ist der Umgang mit dem Völkermord an den Herero und Nama in Namibia (1904–1908). Deutschland hat sich offiziell für die Gräueltaten entschuldigt und eine Form der Wiedergutmachung in Aussicht stellte. Im Jahr 2021 einigte sich die Bundesregierung darauf, über eine Milliarde Euro inEntwicklungsprojekte in Namibia zu investieren, was als symbolischer Akt der Entschädigung gewertet wurde.Darüber hinaus verfolgt Deutschland eine aktive Rückgabe von Raubkunst und kolonialen Artefakten an ihre Herkunftsländer. Dazu gehört beispielsweise die Rückgabe der Benin-Bronzen, auf die sich Deutschland und Nigeria im Sommer 2022 geeinigt haben, und eine engere Zusammenarbeit mit afrikanischen Staaten, um koloniale Vermächtnisse in Museen und Sammlungen aufzuarbeiten. Dieser Ansatz ist Teil eines umfassenderen Ziels, historische Ungerechtigkeiten anzuerkennen und in der Außenpolitik Verantwortung für die Vergangenheit zu übernehmen. Und das auch gegen Teile der Deutschen Öffentlichkeit und Gesellschaft durchzusetzen, die diese Verantwortung ablehnen.

3. Einsatz für LSBTIQ+ Rechte weltweit

Kommen wir aber zurück zum Ausgangszitat: Wenn Kolonialismus für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich ist, so ist es doch auch die Antwort auf Kolonialismus, für Menschenrechte einzustehen. Genau das ist Ziel Deutscher Außenund Menschenrechtspolitik und auch unsere verdammte Verantwortung: Deutschland setzt sich, auch insbesondere seit der Herausarbeitung und Veröffentlichung von Leitlinien für eine feministische Außen- und entwicklungspolitik im letzten Jahr, weltweit aktiv für die Förderung von LSBTIQ+ Rechten ein, sowohl durch diplomatische Maßnahmen als auch durch Entwicklungszusammenarbeit und Förderprogramme. Die feministische Außen- und entwicklungspolitik will erreichen, dass alle Menschen die gleichen Rechte genießen, und macht sich insbesondere stark für die Mitglieder einer Gesellschaft, die aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihres Alters, ihrer Behinderung, aber eben auch ihrer sexuellen Orientierung und ihrer Geschlechtsidentität an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Ein zentraler Pfeiler dieser Politik ist der Menschenrechtsansatz, der darauf abzielt, genau diese Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität zu bekämpfen und LSBTIQ+ Personen in ihren Rechten zu stärken.Weiterhin möchte ich das Konzept für die Inklusion von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen (LSBTI) für die Auswärtige Politik und Entwicklungszusammenarbeit erwähnen, das im März 2021 von der Bundesregierung verabschiedet wurde. Das Konzept wurde in enger Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft erarbeitet und sieht vor, zivilgesellschaftliche Organisationen zu stärken, die sich lokal, regional, überregional und international für die Menschenrechte von LSBTI-Personen und gegen die Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität einsetzen. Auf globaler Ebene arbeitet Deutschland in internationalen Gremien wie den Vereinten Nationen und der Europäischen Union daran, Schutzmechanismen für LSBTIQ+ Personen zu etablieren und Diskriminierung zu thematisieren.Insbesondere in Afrika, wo viele Länder strenge Anti- LSBTIQ+-Gesetze haben, setzt sich Deutschland durch diplomatische Initiativen und die Zusammenarbeit mit NGOs für die Rechte dieser Gemeinschaften ein. So hat die Bundesregierung klare Kritik an den drakonischen Anti-Homosexualitätsgesetzen in Ländern wie Uganda geäußertund zugleich lokale zivilgesellschaftliche Gruppen unterstützt, die sich für LSBTIQ+Rechte einsetzen. Deutschland fördert diese Bemühungen häufig durch die Finanzierung von Menschenrechtsprojekten und Schulungsprogrammen für Rechtsbeistände und Aktivisten, um sie im Kampf gegen Diskriminierung zu stärken. Darüber hinaus bemüht sich die Bundesrepublik um einen konstruktiven Dialog mit den Regierungen afrikanischer Staaten, um langfristige Veränderungen zu bewirkenEin weiteres konkretes Beispiel ist die deutsche Förderung von Aufklärungs- und Schutzmaßnahmen für LSBTIQ+-Flüchtlinge, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung in ihren Heimatländern verfolgt werden. Deutschland bietet diesen Menschen Schutz durch Asylprogramme und unterstützt verschiedene internationale Programme, die darauf abzielen, die Situation von LSBTIQ+ Personen in Ländern mit restriktiven Gesetzen zu verbessern.

4. Persönliche Erfolge im Kampf für LSBTIQ+ Rechte weltweit

Viele der Dinge, die Deutschland beispielsweise in afrikanischen Ländern gegen die Diskriminierung von LSBTIQ+ Personen leistet, sind auf unsere Arbeit im Parlament zurückzuführen. Wir beeinflussen aktiv das Handeln der Regierung durch unsere Initiativen. Im Menschenrechtsausschuss des Bundestages haben wir zum Beispiel humanitäre Visa durchgesetzt, wir haben die Rechtsbeistände für LSBTIQ+ Personen in Afrika auf den Weg gebracht und legen aktiv einen Schwerpunkt auf den Zugang von LSBTIQ+ Personen zum Gesundheitssystem. Im Kamerun zum Beispiel wird die Situation von benachteiligten Gruppen im Gesundheitssektor analysiert und Mitarbeiter*innen von Gesundheitsbehörden und ‑einrichtungen, sowie Gesundheitsfachkräfte senibilisert, um Barrieren unter anderem für LGBTIQ+ Personen in ihrem Zugang zu sexuellen und reproduktiven Rechten und Gesundheit abzubauen. In Bezug auf Lateinamerika möchte ich zwei weitere Beispiele nennen. In Kolumbien wird der Friedensvertrag zwischen den bewaffneten Gruppen (FARC-EP) und der Regierung unterstützt, unter anderem indem geschlechterspezifische Maßnahmen in den Friedensvertrag mit eingebracht werden und die politische Teilhabe von Frauen und LSBTIQ+ Personen in den Fokus gerückt werden. In Lima, Peru wird ein Safe House für trans* Personen von Deutschland finanziert. Hieran erinnere ich mich noch besonders gut, weil ich dieses Projekt vor zwei Jahren auf einer Dienstreise besucht habe.Wir wissen, dass ihr für euch selber kämpfen könntet, wenn ihr die Ressourcen hättet, die es braucht. Darum setzen wir darauf, eure Stimmen hörbar zu machen. Darum sagen wir im Parlament sehr klar: Lasst uns auf diejenigen hören, die Teil der Zivilgesellschaft sind. Denn sie sind die Expert*innen.

5. Abschluss und Ausblick

Liebe Freund*innen, Ihr setzt auf eurer Konferenz zu Recht auf den Schwerpunkt der Dekolonialisierung. Aber lasst mich bitte eine Prämisse hinzufügen: Die Prämisse des Universalismus.Menschenrechte sind universelle Rechte, die jedem Menschen zustehen, unabhängig von Nationalität, ethnischer Herkunft, Religion, Geschlecht oder sexueller Orientierung. Diese Grundrechte können nicht relativiert oder kulturellen oder politischen Argumenten untergeordnet werden. Der Universalismus betont, dass die Würde jedes Menschen unantastbar ist – eine Überzeugung, die tief im Grundgesetz und der Charta der Vereinten Nationen verankert ist.In einer globalisierten Welt, in der Autoritarismus und Menschenrechtsverletzungen in vielen Ländern wieder auf dem Vormarsch sind, ist es wichtiger denn je, dass Deutschland eine konsequente und universelle Menschenrechtspolitik verfolgt. Aktivisten, die oft unter großem persönlichem Risiko für die Freiheit und Rechte ihrer Mitbürger kämpfen, benötigen internationale Unterstützung, um die Legitimität ihrer Anliegen zu stärken und Druck auf ihre Regierungen auszuüben. Wenn Deutschland diesen Aktivisten zur Seite steht, sendet es eine klare Botschaft: Menschenrechte sind nicht bloß westliche Werte, sondern universelle Rechte, und ihre Verteidigung ist eine kollektive globale Verantwortung.Gerade in Ländern, in denen LSBTIQ+ Personen, Journalisten oder Frauen bedroht sind, ist es die Pflicht von Demokratien wie Deutschland, ihre diplomatischen und wirtschaftlichen Mittel einzusetzen, um diese Rechte zu verteidigen. Durch Dialog, die Förderung von NGOs und internationalen Druck kann Deutschland dazu beitragen, dass Aktivisten weltweit gestärkt werden und Gehör finden. Ohne diese universelle Haltung würden Menschenrechte zu regionalen oder kulturellen Interpretationen verwässert, was die Tür zu Willkür und Unterdrückung öffnet.Deutschland steht in der moralischen und historischen Verantwortung, Menschenrechtsverletzungen weltweit entgegenzutreten. Eine Menschenrechtspolitik, die auf Universalismus basiert, stärkt nicht nur die Rechte einzelner, sondern auch den globalen Frieden und die Demokratie.Eine Menschenrechtspolitik, die universalistisch ist muss auch immer dekolonial sein. Dasselbe gilt auch umgekehrt: Denn eine Menschenrechtspolitik, die dekolonial ist, muss auch immer universalistisch sein.Liebe Geschwister der LSBTIQ+ Familie, wir alle sind erst frei, wenn wir alle frei sind. Weltweit. Herzlichen Dank.

Max Lucks, Mitglied des Deutschen Bundestages,
Bündnis90/Die Grünen am 24.10.2024 im refugio in Berlin

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Konferenzbericht
Einladung und Programm
/ Invite and program
Fotos
der Konferenz
Begrüßung / Welcoming adress Postkoloniale und dekoloniale Strategien in der Menschenrechtsarbeit, Axel Hochrein
Keynote Decolonize foreign policy, Stella Nyanzi (PdD)
Video message The Pacific Islands and the Fight for Decolonization, Ymania Brown

Konferenz der Hirschfeld-Eddy-Stiftung im Rahmen des Projekts Kulturen und Kolonialismus — Der Kampf um die Menschenrechte von LSBTIQ* im Licht der Debatte um Dekolonisierung.

BMJ
HES




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