Rede von Ulrich Keßler, Sprecher des LSVD Berlin-Brandenburg, anlässlich der heutigen Abstimmung im Bundesrat
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Unterstützerinnen und Unterstützer, und alle, die es sonst angeht,
für den Lesben und Schwulenverband freue ich mich, Euch hier begrüßen zu können.
Wie schon am 25. Juni haben wir uns heute vor dem Bundesrat versammelt, um „Ehe für alle“ zu fordern.
Schon am 25. Juni hat der Bundesrat den entsprechenden Entschließungsantrag von Niedersachsen (BR-Drs. 774/15) mehrheitlich angenommen. Die Begründung dazu lautet:
Angesichts des gesellschaftlichen Wandels und der damit verbundenen Änderung des Eheverständnisses gibt es keine haltbaren Gründe, gleichgeschlechtliche und nicht-gleichgeschlechtliche Paare unterschiedlich zu behandeln und am Ehehindernis der Gleichgeschlechtlichkeit festzuhalten.
Das hat die Mehrheit des Bundesrates also schon mal überzeugt. Die Mehrheit der Bevölkerung ist ohnehin dafür, wie wir aus zahlreichen Umfragen wissen.
Warum also stehen wir heute nochmal hier? Der Entschließungsantrag war ein Appell an die Bundesregierung, tätig zu werden. Daraus wird offenbar erstmal nichts. Deshalb geht es heute um einen entsprechenden Gesetzentwurf des Landes Rheinland-Pfalz (BR-Drs 273/15).
Dieser Entwurf ist im Juni an die Ausschüsse verwiesen worden. Dort ist er dann nochmal vertagt worden, um einem bestimmten Koalitionspartner der Berliner Landesregierung die Chance zu geben, die Zeichen der Zeit zu erkennen und sich zur Zustimmung aufzuraffen. Leider ist auch daraus nichts geworden.
Dafür haben alle beteiligten Ausschüsse des Bundesrats empfohlen, den Gesetzentwurf anzunehmen. Wir können also davon ausgehen, dass der Bundesrat wie schon im Juni der Entschließung jetzt auch dem Gesetzentwurf zustimmt, und das ist auch gut so.
Das ist aber nur die halbe Miete, denn ohne den Bundestag wird aus diesem Entwurf nichts, und da sehen die Mehrheiten anders aus, allerdings nur dann, wenn die Union darauf beharrt, dass in dieser Frage die Regierungsparteien geschlossen abstimmen müssen, also Fraktionszwang herrscht und die SPD die Koalition nicht platzen lassen will. Für das Festhalten an der Koalition kann man vielleicht Verständnis haben, nicht aber für den Fraktionszwang in dieser Frage.
Hinter allen Äußerungen aus der Union gegen die Gleichstellung steckt letztlich ein christliches Eheverständnis. Nichts gegen Glaubensüberzeugungen, aber der thüringische Ministerpräsident hat im Juni völlig zu Recht gesagt:
Es geht nicht um das heilige Sakrament der Ehe. Das ist Angelegenheit unserer Kirchen und Religionsgemeinschaften.
Hier geht es aber darum, dass staatliche Institutionen eine zivilgesellschaftliche Frage zu beantworten haben. Nun erwarten wir nicht unbedingt, dass die Union gerade auf Bodo Ramelow hört. Vielleicht aber auf die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer, die damals in der Debatte gesagt hat:
Deutschland würde es gut anstehen, wenn wir nicht wieder vom Bundesverfassungsgericht an irgendeinem Tag getrieben würden, sondern wenn wir, die politischen Akteure, die richtigen Entscheidungen treffen.
Apropos Bundesverfassungsgericht: Bei der Entscheidung des Gesetzgebers geht es um Konsequenz in der Gleichbehandlung eines Personenstands, nicht um ein religiöses Eheverständnis. Um das zu verschleiern, hat sich der bairische Justizminister in der Debatte übrigens nicht entblödet, überholte Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu zitieren.
Dabei kann man ihm zwar schlecht verbieten, gegen seine religiösen Überzeugungen abzustimmen. Es ist aber ein Unding, religiöse Überzeugungen einiger Unionsfunktionäre oder sogar nur ein ungutes Gefühl der Bundeskanzlerin als Zwangsmittel gegen die Überzeugung der Mehrheit der Abgeordneten einzusetzen. Deshalb unsere Forderung an die Bundesregierung: Gebt die Abstimmung über dieses Gesetz im Bundestag frei! Gebt jedem Abgeordneten die Möglichkeit, ohne Fraktionszwang nach seinem Gewissen abzustimmen!
Nochmal weil’s so schön ist: Ehe für alle. Stimmt heute im Bundesrat dafür! Lasst auch den Bundestag dafür stimmen!
Ulrich Keßler
Sprecher des LSVD Berlin-Brandenburg
(Es gilt das gesprochene Wort)
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